Es ist schwierig, berühmte klassische Musikerinnen und Musiker in dieselbe Schublade zu stecken wie Pop- und Filmstars. Wenn sie über die roten Teppiche dieser Welt laufen, bricht für gewöhnlich kein Geschrei aus, vor ihren Hotels kampieren selten bis nie Fans. In den Konzerthallen lösen sie zwar Standing Ovations aus, ihretwegen fällt aber kaum mal eine Person in Ohnmacht. Anne-Sophie Mutter (59) ist mitnichten Lady Gaga (37) – und dennoch: Die deutsche Violinistin umgibt die Aura einer Person, die den musikalischen Olymp schon mehrmals erklommen hat.
Im Gespräch mit Blick zeigt Mutter keinerlei Star-Allüren, «danke, dass Sie sich Zeit genommen haben, mit mir zu reden. Wir können es auch auf Schweizerdeutsch machen!», sagt sie bescheiden. Mutter ist direkt an der Schweizer Grenze aufgewachsen. Momentan zeigt sie mit «Vivace» einen Dokumentarfilm über ihr Leben. Regisseurin Sigrid Faltin (67) lässt die Geigerin darin Menschen aus ihrem Umfeld interviewen – von Roger Federer (41) bis zu Magier Steve Cohen (52). Mutter, die dafür bekannt ist, ihr Leben privat zu halten, zeigt sich darin verletzlich – und nahbar.
Blick: Frau Mutter, im Film sagen Sie zu Beginn, dass sie ihre privatesten Momente auf der Bühne haben. Alles andere sei Ihnen zu trivial.
Anne-Sophie Mutter: Das mit der Trivialität war bezogen auf Fragen nach meinem Lebenspartner, meiner Kleiderwahl oder welches Auto ich fahre. Bringt uns das einen Menschen näher? Eigentlich nicht. Und überspitzt ausgedrückt hiess das: Wenn Sie etwas von mir wissen wollen, dann bekommen Sie das von mir auf der Bühne – und zwar meine ganze Seele!
Ich hatte dennoch das Gefühl, sie tatsächlich kennengelernt zu haben.
Das liegt vor allem daran, dass ich ja im Gespräch mit meinen Freunden bin. Der Pianist Lambert Orkis (77), mit dem ich mich im Film unterhalte, hat mich als Single, mit meinem Mann und als Witwe erlebt. Die Gespräche waren aber nie unangenehm – man hätte mich nie zu irgendwelchen Aussagen zwingen können.
Den Tod ihres Mannes Detlef Wunderlich (1935–1995) wollten Sie ja aber lange nicht thematisieren. Was hat Sie überzeugt, darüber zu reden?
Ich glaube, der Zeitpunkt ist einfach gekommen, dass ich darüber sprechen kann. Ich will mit meinen Aussagen im Film auch Mut machen. Es gibt ja viele alleinerziehende Mütter und Väter – vielleicht sind nicht alle verwitwet, aber es ist ein riesiges Geschenk, Kinder zu haben. Und das Geschenk des Lebens kann man nicht an der Länge festmachen. Was ich damit sagen wollte: Wir sind dankbar für die grossartigen Zeiten, die wir erleben durften. Das gab uns die Kraft, durch dieses Tal zu wandern, das jedem und jeder einmal begegnen wird.
Grosse Kraft haben Sie auch immer aus der Musik geschöpft – vor allem aus der klassischen. Zu Beginn von «Vivace» sagen Sie, dass Sie die klassische Musik «aus der Ecke» in die Mitte der Gesellschaft holen wollten. Ich habe allerdings den Eindruck, dass dieses Genre universell anerkannt wird.
Ich habe eine Stiftung, die sich um die Nachwuchsförderung von jungen Musikerinnen und Musikern kümmert. Mir war wichtig zu erklären, dass junge Menschen wieder eine Bindung zur klassischen Musik bekommen. Es ist dringend notwendig, dass wir wieder mehr Musikunterricht in den Schulen haben. Ich hoffe, dass der Film wegen der Vielfalt der Menschen, die darin zu Wort kommen, ein Publikum anspricht, das nicht unbedingt klassisch-affin ist. Deswegen habe ich darin auch mit Roger Federer oder dem Magier Steve Cohen gesprochen.
Ich wusste beispielsweise nicht, dass Sie besonders zu Roger Federer eine solche enge Bindung haben. Woher rührt diese Bewunderung für den Tennis-Star?
Roger war für mich seit Beginn seiner Karriere anfangs der 2000er-Jahre eine riesige Inspiration. Ich habe Tennis immer geliebt. Irgendwann tauchte Roger auf und mein Sohn und ich waren in Wimbledon. Schnell hat sich viel in unserem Leben tatsächlich um sein Leben gedreht. Ich erinnere mich an Zeiten, da musste ich mich auf die Bühne schleppen, wenn Roger mal verloren hat. Und wenn es bei ihm richtig gut lief, dann lief es bei mir auch super. Ich habe eine Zeitlang sogar meinen Konzert-Kalender nach seinen Spielen ausgerichtet. Mein Sohn und ich konnten uns jahrelang ein Leben ohne ihn nicht vorstellen. Und ich muss sagen, es ist jetzt auch ein Stück ärmer geworden.
Das klingt nach grosser Fanliebe!
Roger hat auf dem Platz Dinge geschafft und auch riskiert, bei denen man aus dem Staunen nicht mehr herauskam. So etwas kann auch bei einem Konzert vorkommen. Künstler neigen manchmal dazu, irgendwelche Formeln nachzubeten. Ich rate allen: mehr Risiko!
Anne-Sophie Mutter (59) wurde in Rheinfelden, direkt an der Schweizer Grenze, geboren. Ab fünf Jahren erhielt sie Geigenunterricht, bereits nach einem halben Jahr gewann sie ihren ersten Wettbewerb. Viele weitere Jugend-Preise folgten. Die Trägerin des deutschen Bundesverdienstkreuzes gehört zu den begabtesten und virtuosesten Violinistinnen der Gegenwart. Von 1989 bis 1995 war sie mit Rechtsanwalt Detlef Wunderlich (1935–1995) verheiratet. Der Ehe entstammen zwei Kinder.
Anne-Sophie Mutter (59) wurde in Rheinfelden, direkt an der Schweizer Grenze, geboren. Ab fünf Jahren erhielt sie Geigenunterricht, bereits nach einem halben Jahr gewann sie ihren ersten Wettbewerb. Viele weitere Jugend-Preise folgten. Die Trägerin des deutschen Bundesverdienstkreuzes gehört zu den begabtesten und virtuosesten Violinistinnen der Gegenwart. Von 1989 bis 1995 war sie mit Rechtsanwalt Detlef Wunderlich (1935–1995) verheiratet. Der Ehe entstammen zwei Kinder.
Nebst dem Tennis-Nationalhelden Federer haben Sie auch sonst eine Nähe zur Schweiz, wie zu Beginn durchgedrungen ist.
Der Ort, in dem ich aufgewachsen bin, war nur 20 Autominuten von Basel entfernt. Ich habe dort mit sechs Jahren den ersten grossen Geigenabend erlebt. Die Schweiz ist für mich eine Art Seelenheimat.
«Vivace» von Regisseurin Sigrid Feltin läuft zurzeit in den Deutschschweizer Kinos.