Schlagerstar Matthias Reim über seine sechs Kinder von fünf Frauen
«Verdammt, ist das kompliziert!»

Mit «Verdammt, ich lieb Dich» landete Matthias Reim 1990 den Überhit seines Lebens. Zehn Jahre später stand er vor dem Nichts. Im Interview verrät er, woher sein Kampfgeist kommt und warum es für ihn unmöglich ist, alles unter einen Hut zu bekommen.
Publiziert: 29.05.2018 um 23:36 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 22:55 Uhr
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Matthias Reim hatte im Jahr 2000 noch 13 Millionen Euro Schulden. Heute ist er schuldenfrei.
Foto: Anja Wurm
Michel Imhof

Sie mussten im Jahr 2000 Insolvenz anmelden und kämpften sich zurück. Woher kommt dieser Wille?
Von der Lebensfreude. Ich weiss nicht, ob ich eine besondere kämpferische Gabe besitze. Aber wenn mal etwas schiefgeht, gehen immer Türen auf. Man muss sie nur sehen. Ich trage viel zu viel Verantwortung für das, dass ich einfach liegen bleiben könnte: Ex-Frauen mit Kleinkindern und Kinder, die in der Ausbildung sind. Die kann ich nicht im Stich lassen.

Was war das Schwierigste an Ihrer Pleite-Zeit?
Es hat sehr an meinem Selbstbewusstsein gekratzt. Es war nicht einfach, dass ich meine Familie um Hilfe bitten musste. Alle, allen voran mein Bruder, haben mir sehr geholfen – auch finanziell. Heute ist aber alles abbezahlt und geniesse meine wirtschaftliche Freiheit und meinen Erfolg umso mehr. Als ich mir vor ein paar Jahren mein Haus am Bodensee kaufte, war ich unglaublich stolz, dass ich das nach der ganzen schwierigen Zeit geschafft hatte. Ohne jemanden zu fragen, konnte ich mir so was leisten. Ein Triumph für mich.

In einer Werbekampagne für den Autovermieter Sixt gaben Sie sich selbstironisch: Aus «Verdammt, ich lieb Dich» wurde «Verdammt, ich hab nix». Verlieren Sie nie den Humor?
Das war eine grosse Werbung für den Autovermieter, und mir tat das gut. Nach der ganzen negativen Insolvenz-Berichterstattung konnte ich trotzdem noch zeigen, dass das Leben weitergeht. Den Traum der Zukunft hat man auch dann, wenn es einem schlecht geht.

Wie gross ist Ihre Angst, wieder abzustürzen?
Da mache ich mir nach den letzten zehn Jahren keine Sorgen. Die Menschen lieben meine Musik, meine Konzerte verkaufen sich gut.

Sie haben sechs Kinder von fünf Frauen: Wie bringt man das unter einen Hut?
Gar nicht! Das ist ein Patchwork-Kampf, den man nie gewinnen kann. Muss ich aber auch nicht. Ich bin ein liebender Vater und immer für meine Kinder da. Sie wissen ja, welchen Beruf ich habe und dass sie davon auch profitieren.

Wie musikalisch sind Ihre Kinder?
Zwei davon sind sehr musikalisch, die werden auch ihren Weg gehen. Sie haben denselben Traum, den ich auch als junger Mensch hatte. Ich fördere sie nicht, indem ich für sie wegen meiner Position Türen aufschliesse, stehe aber beratend zur Seite. Den Traum, den sie haben, sollen sie sich erkämpfen.

Zu Ihrer Ex-Freundin, der Schlagersängerin Michelle, haben Sie ein gutes Verhältnis. Wie kann man nach einer gescheiterten Partnerschaft eine Freundschaft pflegen?
Ich finde das überhaupt nicht schwierig. Natürlich haben wir uns kurz nach der Trennung angezickt, das ist unumgänglich. Wenn man aber gemeinsame Kinder hat, muss man sowieso miteinander reden und über der Trennung stehen. Schon ein Jahr nach unserer Trennung habe ich Michelles Album «Rouge» produziert, das war ein grosser Erfolg. Und auch noch heute stehen wir gerne gemeinsam auf der Bühne und singen unseren gemeinsamen Song «Idiot». Viele sagen dann immer, dass wir so gut zusammengepasst haben. Da müssen wir immer schmunzeln.

Sie bezeichnen sich selbst als Rock ’n’ Roller. Da gehören bestimmt auch Groupies dazu?
Ich war immer in Beziehungen. Ich glaube, kein Musiker der Welt, der in einer Beziehung ist, würde sich zu Groupies äussern. Die haben mich nie angesprochen, auf meiner Stirn stand immer «besetzt».

Warum sind Sie so ein Beziehungsmensch?
Ich lebe nicht gerne allein und war immer auf der Suche nach der finalen Liebe des Lebens. Seit fünf Jahren lebe ich mit Christin Stark zusammen und hoffe, dass da noch viele weitere Jahre kommen. Ich fühle mich wohl, vergeben zu sein.

Ihre Freundin ist 28. Was ist das Schwierigste am Altersunterschied?
Den Altersunterschied war für mich nur anfangs ein Thema. Da habe ich mich gefragt, wie unser gemeinsames Leben in zwanzig Jahren aussehen soll. Das könnte ja doof werden. Wir arbeiten zusammen und haben ein interessantes Beziehungsleben. Ich bin gleichzeitig ihr Produzent, aber nur weil das für mich künstlerisch interessant ist. Ich würde nie für meine Freundin produzieren, nur weil sie meine Freundin ist.

Was hält Sie zusammen?
Wir lieben uns und die Musik. Letzteres kann auch nervig sein, da wir die Diskussionen darüber nicht abschalten können. Deshalb haben wir nun zwei Harleys gekauft, um Ausflüge zu machen und auf andere Gedanken zu kommen.

Planen Sie Kinder?
Noch nicht. Ich habe ja schon sechs Kinder, habe meinen Kinderwunsch also erfüllt. Wenn sie ihren erfüllen möchte, kann ich ihr diesen ja nicht verweigern. Wichtig ist die Kommunikation.

Ihre sechste Tochter Claudia kennen Sie erst seit kurzem, obwohl sie schon vierzig ist.
Stimmt. Da war ich echt baff, als ich das E-Mail las, dass ich ihr Vater sei. Ich habe sie natürlich sofort angerufen und sie in meinem Leben willkommen geheissen. Etwas anderes kann man in dieser Situation nicht tun, man kann schliesslich die verpassten Jahre nicht zurückholen. Wir telefonieren regelmässig und treffen uns zwei Mal im Jahr – sie hat ja eine eigene Familie und wohnt weit weg. Ich habe ein grosses Herz, da war natürlich Platz für ein sechstes Kind.

Wie stehen Sie heute zu «Verdammt, ich lieb Dich»?
Für mich ist er einer der schönsten Songs der Welt. Der Song hat mir geholfen, meinen Traum zu verwirklichen, und mich vor grosse Aufgaben gestellt: Diesen Erfolg konnte ich bis heute nicht toppen. Trotzdem war das immer das Ziel. Es ist die schönste Zugabe der Welt. Egal ob bei meinen Konzerten oder bei Festivals: Alle singen mit – vom Kind bis zur Oma. Der Song ist zu einer Hymne geworden.

Sie sind sechzig Jahre alt. Was ist das Schwierigste am Älterwerden?
Jetzt haben wir uns so gut verstanden, und nun stellen Sie mir so eine Frage! (lacht) Erst dachte ich, das werde ein grosser Einschnitt in meinem Leben. Für mich ist es ein Privileg, sechzig zu werden, und auch eine Ehre, dass ich in diesem Alter noch immer erfolgreich im Beruf stehe. Ich will auch noch mit achtzig die Bühne rocken, so wie die Rolling Stones. Für Musiker gibt es keine Rente.

Was halten Sie von Schönheitsoperationen?
Ich stehe zu meinem Alter. Den Schönheitschirurg zu besuchen und Falten wegspritzen zu lassen, ist für mich kein Thema. 

Vor drei Jahren stellten Sie wegen einer Herzmuskelentzündung ihre Ernährung um. Smoothies und Sport liegen jetzt an der Tagesordnung. Wie stehts mit Bier?
Das Bier vor dem Auftritt lasse ich mir nicht nehmen. Ich brauche es auch, weil ich immer unglaublich nervös bin. Das Lampenfieber ging auch im Verlaufe meiner Karriere nie weg.

Für Ihr neues Album «Meteor» haben Sie ein komplett neues Team beigezogen. Warum?
Ein Künstler sollte einer Sache treu bleiben: der Weiterentwicklung. «Meteor» ist mein 18. Album. Da ist es wichtig, neue Akzente zu setzen und Input von aussen zu holen. Es gibt nichts Schlimmeres als Künstler, die langweilig werden.

Vor der Veröffentlichung haben Sie sich etwas zurückgezogen.
Mir war es wichtig, dass ich mit dem Album vollkommen zufrieden bin und habe mir Zeit gelassen. Ich muss meinen Fans, die mich schon seit über zwanzig Jahren kennen, jenen Reim geben, den sie mögen, und mich trotzdem weiterentwickeln. Dafür habe ich viele Autorentreffen bei mir zu Hause am Bodensee organisiert. Dort habe ich vier Gästezimmer, ein Schwimmbad, ein Fitnesscenter und drei Studios, da kommen alle immer gern vorbei. (lacht)

Ihre Tournee ist angekündigt, darunter aber keine Termine in der Schweiz. Kommt da noch was?
Ich plane im Frühling 2019 eine Tourfortsetzung mit einem Termin in der Schweiz. Das Ziel ist das Hallenstadion. Dort gab ich 1991 ein Konzert – das war unglaublich.

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