Spricht man mit Adel Tawil (44), ist sofort die Energie zu spüren, die einen Menschenfreund umgibt. Der Musiker stellt fast lieber Fragen, als dass er sie beantwortet, ist interessiert an seinem Gegenüber und überhaupt an allem. Diese Energie ist es auch, die seine Texte ausmachen: vielfältig, tiefgründig und wortgewandt. In «Spiegelbild», seinem neuen Album, geht Tawil nun weiter: Er zeigt sich seinem Publikum ungeschönt, dunkel und verletzlich. Mit Blick sprach der «Lieder»-Sänger exklusiv darüber, aus welchen persönlichen Erlebnissen diese Verletzlichkeit entstanden ist.
Blick: Adel Tawil, Ihr erstes Album seit vier Jahren ist erschienen. Nervös?
Adel Tawil: Ja, ich bin eigentlich immer angespannt, wenn ein neues Album rauskommt. Aber jetzt ist das noch einmal etwas anderes. Denn ich habe während dieser ganzen Coronazeit schon immer mal wieder daran gezweifelt, ob ich das überhaupt noch alles machen soll. Musik bleibt, klar. Aber das Live-Spielen stand schon auf der Kippe. Darum bin ich jetzt umso glücklicher, dass es wieder losgeht. Andererseits sind auch während des Lockdowns Fragen aufgekommen.
Was meinen Sie?
Ich habe viel selbstreflektiert und entschleunigt in dieser Zeit, darum auch der Albumtitel «Spiegelbild». Daraus stellte sich mir die Sinn-Frage: «Was mache ich hier überhaupt?» Es entstand eine grosse Leere und die war für mich sehr schwer zu füllen. Ich merkte, wie süchtig und abhängig ich von dieser Bühne bin, von dem vermeintlich perfekten Popstar-Leben. Ich bin schon so lange in diesem Zirkus und das hört ja nie auf. Nach dem Album ist vor dem Album. Und dann kam plötzlich diese Zwangspause. Erst habe ich mich echt gehen lassen. Ich habe ungesund gegessen, mich zu wenig bewegt und auch zu viel Alkohol getrunken – bis ich einmal in den Spiegel geschaut habe und merkte: Ich muss die Reissleine ziehen, sonst verwahrlose ich. Ich war da halt auch nicht mit der Familie, ich war alleine. Es hat mich locker ein Jahr gekostet, bis ich wieder in die Spur kam. Und das wollte ich halt auch authentisch auf dem Album zeigen.
Sie sagten, dass Sie alleine lebten: Stimmt es, dass Sie und Ihre Frau Lena sich getrennt haben?
Es stimmt schon mal nicht, dass wir verheiratet sind. Ich weiss auch gar nicht, wo die Gerüchte immer herkommen. Aber meiner Familie geht es gut. Am Anfang der Pandemie brauchte ich Zeit für mich und musste einen Moment von zu Hause ausziehen. Wir brauchten das wirklich, um wieder zu uns zu finden. In welcher Beziehung gibt es das denn nicht, dass man mal etwas Abstand braucht? Als bekannte Person bezahlt man dann oft den Preis, dass der Druck auf die Partnerschaft extrem hoch ist, wenn alle fragen: «Was ist denn bei euch los?» Das hat uns überhaupt nicht gutgetan und kann echt Beziehungen zerstören – besonders, wenn Kinder involviert sind. Ich bin froh, dass wir trotzdem so erwachsen mit der Situation umgegangen sind und es geschafft haben.
Adel Tawil (44) ist mit über fünf Millionen verkauften Tonträgern einer der erfolgreichsten Künstler im deutschsprachigen Raum. Seine Sporen verdiente sich der Deutsche mit tunesisch-ägyptischen Wurzeln bei der Boyband «The Boyz» ab, feierte mit dem Duo «Ich & Ich» mit Musiklegende Annette Humpe (72) grosse Erfolge und startete 2010 mit seiner Solokarriere durch. Adel Tawil lebt mit seiner Freundin und der gemeinsamen Tochter in Berlin.
Adel Tawil (44) ist mit über fünf Millionen verkauften Tonträgern einer der erfolgreichsten Künstler im deutschsprachigen Raum. Seine Sporen verdiente sich der Deutsche mit tunesisch-ägyptischen Wurzeln bei der Boyband «The Boyz» ab, feierte mit dem Duo «Ich & Ich» mit Musiklegende Annette Humpe (72) grosse Erfolge und startete 2010 mit seiner Solokarriere durch. Adel Tawil lebt mit seiner Freundin und der gemeinsamen Tochter in Berlin.
Sie haben oft erwähnt, dass Sie während der Pandemie psychisch an Ihre Grenzen gekommen sind. So sehr, dass Sie sich Hilfe geholt haben?
Nein, Hilfe habe ich sowieso schon seit dem ganzen grossen Erfolg. Als es bei «Ich & Ich» richtig losging, habe ich mir jemanden geholt «für die Birne», wie meine Kollegin Annette Humpe immer gesagt hat. Er ist für mich so etwas wie ein Coach. Das habe ich seitdem durchgezogen – zwar mit Pausen zwischendurch. Aber wenn der Druck gross wird, ich eine Tournee vor der Brust habe, dann tut es echt gut, jemanden zu haben, der einen erdet, bei dem man sich ausheulen kann und der einem dann eine neue Perspektive auf die Dinge gibt. Ich mache zum Beispiel einmal in der Woche ein Date mit mir selbst. Da darf auch niemand mitkommen. Am Ende geht es aber im Prinzip immer um dasselbe: Dass man sich Zeit für sich selber nimmt, reflektiert und dankbar ist.
Dennoch, so spüre ich, ziehen Sie viel Energie aus Ihren sozialen Kontakten?
Ja, total. Und auch viel Inspiration. Darum war es während der Pandemie auch so schwierig, Songs zu schreiben. Ich ziehe einen Teil meiner Ideen aus dem Austausch mit anderen Menschen und das fiel ja während des Lockdowns komplett weg. Darum musste ich wirklich warten, bis wieder mehr Kontakt möglich war. Wenn ich für «Spiegelbild» tatsächlich alle Lieder nur über mich geschrieben hätte, dann wäre es wirklich düster geworden. Dann würde es alleine um einen Höhlenmenschen gehen, der nicht mehr rauskommt, keine Sonne mehr sieht und um den herum alles dunkel ist. Aber beim Album merkt man sehr gut, welche Songs während des Lockdowns entstanden sind, und welche danach.
Haben Sie auf «Spiegelbild» auch wieder Gastmusikerinnen und -musiker?
Nein, ich habe tatsächlich keine Featurings dieses Mal. Aber grade, weil das Album so persönlich ist, wollte ich nicht zu viel Ablenkung haben. Das musste jetzt einfach mal sein.
Dann ist das Album ist quasi Ihr Date mit Ihnen selber?
(Lacht) Ja, voll gut, das stimmt. «Spiegelbild» ist mein Date mit mir selber!
«Spiegelbild» von Adel Tawil ist ab sofort im Handel. Am Mittwochabend tritt er im Rahmen der Energy Live Session in der Ruby Mimi Hotel & Bar in Zürich auf.