Oliviero Toscani mit 82 gestorben
Starfotograf wurde er dank der Schweiz

Zwischen 1961 und 1965 besuchte der Mailänder Oliviero Toscani die Kunstgewerbeschule in Zürich. Diese Grundlage ermöglichte ihm eine höchst erfolgreiche Karriere als Fotograf und Gestalter. Vor allem seine Kampagnen für die Modefirma Benetton machten ihn weltbekannt.
Publiziert: 00:01 Uhr
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Aktualisiert: 06:09 Uhr
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Star-Fotograf Oliviero Toscani, hier aufgenommen bei der Kenzo Takada's Birthday Night 2019 in Paris.
Foto: DUKAS

Auf einen Blick

  • Star-Fotograf Oliviero Toscani stirbt mit 82 Jahren, revolutionierte Werbegeschichte
  • Toscani studierte in Zürich, prägte seine Karriere durch Benetton-Kampagnen
  • Verlor 40 Kilo in wenigen Monaten aufgrund seltener Proteinfaltungskrankheit Amyloidose
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Jean-Claude GalliRedaktor People

Der am Montag im Alter von 82 Jahren verstorbene Star-Fotograf Oliviero Toscani revolutionierte – insbesondere mit seiner Tätigkeit für Benetton – die Werbegeschichte. Eine grosse Ausstellung auch mit Frühwerken lief bis vor einer Woche im Zürcher Museum für Gestaltung. Toscani hatte die Arbeiten aus seiner Anfangszeit lange unter Verschluss gehalten. Erst Museumsdirektor Christian Brändle (56) überzeugte ihn, sie ebenfalls zu veröffentlichen. 

Dass die erste Gesamtschau kurz vor seinem Tod hier zustande kam, war kein Zufall. Zürich stand schon am Anfang seiner Karriere. Ohne Deutschkenntnisse schaffte es der gebürtige Mailänder 1961 an die Kunstgewerbeschule Zürich (heute ZHdK). Bereits sein Vater war ein bekannter Fotojournalist.

Toscani besuchte den Vorkurs und die Fotoklasse. Die Zürich-Jahre bis 1965 prägten ihn stark. «Zürich war fantastisch. Es war für mich wie eine Erlösung nach dem Gymnasium in Italien, das ich zutiefst hasste. Ohne diese Stadt wäre ich nicht zu dem geworden, was ich bin», sagte er später.

«Ich bereue gar nichts»

Noch als Student gewann er mit einer Schwarz-Weiss-Studie über den Zürcher Flughafen einen Wettbewerb der Airline Pan Am und bereiste von New York aus monatelang die Welt. Parallel hielt er seine Streifzüge durch die Black Community fest, lernte Andy Warhol (1928–1987) kennen und knüpfte Kontakte zur Modeindustrie.

1983 engagierte Benetton den Fotografen als Gestalter. Die Kampagnen machten Toscani weltweit bekannt. Besonders in Erinnerung blieben der Kuss zwischen einer Nonne und einem Priester, eine schwarze Frau, die ein weisses Baby stillt, ein blutiges Hemd eines Gefallenen im Bosnien-Krieg und ein sterbender Aids-Kranker. «Wenn jemand solche Bilder nicht sehen will, will er die Realität nicht sehen», sagte er dazu. 

Nach einer Bildreihe mit zum Tod verurteilten US-Gefängnisinsassen verkrachte er sich 2000 mit Firmengründer Luciano Benetton (89) und verliess das Unternehmen. Für Aufregung sorgte Toscani 2007 auch mit Aufnahmen des magersüchtigen Models Isabelle Caro (1980–2010). 

2023 wurde bei ihm die seltene Proteinfaltungskrankheit Amyloidose diagnostiziert. In wenigen Monaten verlor er 40 Kilo Gewicht. In einem Interview im «Corriere della Sera» antwortete er 2024 auf die Frage nach dem Sterben: «Ich habe keine Angst. Solange es nicht wehtut. Ausserdem habe ich zu viel und zu gut gelebt.»

Toscani wohnte zuletzt auf dem toskanischen Landgut Campigallo, betrieb Weinbau und züchtete Pferde. Er hinterlässt eine Frau und sechs Kinder. «Ich bereue gar nichts», sagte er einmal. «Einzig, nicht noch extremer gewesen zu sein.»

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