Mit der 21. Nominierung als beste Hauptdarstellerin für «The Post» ist Meryl Streep die Königin der Goldjungen. Weit hinter ihr folgt Jack Nicholson mit zwölf Nominierungen. Wenn Streep am 4. März gewinnt, wäre das ihr vierter Oscar und sie würde in der ewigen Gewinner-Liste mit Katharine Hepburn gleichziehen. Aber auch eine Aktrice mit so vielen Ehrungen kann noch Selbstzweifel haben. Wozu das gut ist, verrät sie im Interview.
SonntagsBlick: Sie standen in «The Post» zum ersten Mal mit Tom Hanks, der immerhin auch zwei Oscars hat, vor der Kamera. Wieso hat es so lange gedauert, dass zwei Superstars wie Sie zusammengekommen sind?
Meryl Streep: Um ehrlich zu sein, ich bin sieben Jahre älter als Tom. Damit war ich für Hollywood-Verhältnisse 27 Jahre zu alt, um seine Film-Partnerin zu sein. Das ist in Hollywood leider ein Fakt.
Sie spielen mit der Verlegerin Katharine Graham eine aussergewöhnliche Frau, die sich in einer Männer-Enklave durchsetzen musste. Welche Qualitäten muss eine Frau da mitbringen?
Mut steht ganz oben. Ich habe gerade eine mexikanische Journalistin getroffen, die Korruption zwischen den Drogenkartells und Politikern in ihrem Land offengelegt hat. Sie wird ständig mit dem Tode bedroht, macht aber unbeirrt weiter. Weil sie einen unglaublichen Optimismus hat, Dinge für ihre Mitmenschen ändern zu können. Das ist ebenfalls eine aussergewöhnliche Qualität, sich von diesen Schweinehunden nicht vom Weg abbringen oder runterziehen zu lassen.
Welche Ihrer eigenen Fähigkeiten sind die Bausteine Ihrer erfolgreichen Karriere?
Ich habe viele mutige Frauen gespielt, an die ich niemals heranreichen kann. Ich selbst sehe mich als eine neugierige Person. Das habe ich von meiner Mutter (lacht). Und durch meine Neugier habe ich das Talent, zu beobachten, wie andere Menschen verschiedener Herkunft im Angesicht von Angst und Terror Heldentaten vollbringen können. Diese Beobachtungen baue ich dann in meine Rollen ein.
Wenn Neugier Ihre beste Eigenschaft ist, was ist Ihre schlechteste?
Ich kann es einfach nicht leiden, zu spät zu kommen. Und ich werde sehr schnell unwirsch, wenn andere um mich herum trödeln. Ich treibe sie dann an und werde richtig böse.
Die Menschen haben heute durch unzählige Nachrichtensender und das Internet mehr Möglichkeiten als je zuvor, sich zu informieren. Ist das ein Vorteil?
Grundsätzlich ist es immer etwas Gutes, weil selbst totalitäre Regimes heute kaum mehr in der Lage sind, allen Informationsfluss zu kontrollieren. Auf der anderen Seite wird es immer schwieriger zu wissen, was nun stimmt und was nicht. So viele Storys, die auf Social Media die Runde machen, sind reine Fantasien. Und viele Menschen verbreiten dann unwissentlich diese Lügen weiter.
Bereitet Ihnen so etwas schlaflose Nächte?
Auf keinen Fall. Ich liebe Schlaf und brauche ihn. Sobald mein Kopf auf dem Kissen landet, bin ich weg. Ich finde es alarmierend, wie viele Menschen auf Schlaf verzichten und so aus dem Rhythmus geraten, dass sie sich mit Schlafmitteln betäuben müssen. Ich bekomme im Schnitt immer meine sieben Stunden, das ist mir wichtig.
Was bedeutet Luxus für Sie?
Einmal einen Monat am Stück zu Hause sein zu können. Ich muss wegen meines Jobs so viel reisen, dass es mir keinen grossen Spass mehr macht. Oft sitze ich ja entweder nur am Set oder in einem Hotel und gebe Interviews. Man bekommt selten wirklich etwas von den Orten mit, an denen man ist.
Viele mutige Frauen aus Ihrer Branche sind in den letzten Monaten mit ihren Storys von sexueller Belästigung an die Öffentlichkeit gegangen. Glauben Sie, dass sich auf lange Sicht in Hollywood für Frauen die Situation verbessern wird?
Ich hoffe, dass es nicht nur in Hollywood passiert. Ich würde mir wünschen, dass die Kampagne echte Veränderungen auf der ganzen Welt – in jeder Branche – mit sich bringen. Am Ende wird es nur gelingen, wenn wir die Strukturen verändern. Wenn Vorstände und Chefzimmer zur Hälfte auch mit Frauen besetzt sind.
Was ist das Wichtigste, was Sie Ihren vier Kindern fürs Leben mitgegeben haben?
Dass sie stets daran interessiert sind, was in der Welt um sie herum geschieht. Und das sind sie. Ich bin so stolz auf meine drei Girls und meinen Sohn. Wir haben eine sehr enge Beziehung als Familie. Das Wichtigste für mich war immer, dass sie nicht in den Strudel meines Ruhms geraten. Das hätten sie nämlich gehasst.
Sie sind seit 40 Jahren im Showbusiness. Wird der Beruf da manchmal zur Routine?
Oh nein, er gibt mir so viel Freude. Ich liebe meinen Job, weil er immer etwas anderes ist. Ich meine, ausser mit Tom Hanks habe ich auch zum ersten Mal mit Steven Spielberg zusammen gedreht. Ich habe noch nie jemanden erlebt, der Ideen visuell so unglaublich gut umsetzen kann.