Am 20. Juli 2017 nahm sich Linkin-Park-Sänger Chester Bennington (†41) das Leben. Sein Bandkollege Mike Shinoda (42) verarbeitete diesen Verlust in seinem Album «Posttraumatic». Wenn der Musiker über seinen verstorbenen Freund spricht, zittert seine Stimme immer noch.
Sie kommen bald mit Ihrer Solo-Tournee in die Schweiz. Was können die Fans erwarten?
Ich spiele Lieder von meiner Solo-Platte, von Fort Minor und natürlich Songs von Linkin Park. Anstatt eine ganze Band habe ich aber nur zwei Leute neben mir auf der Bühne – einen Schlagzeuger und einen Multi-Instrumentalisten. Deshalb können wir weitaus spontaner sein als bei Linkin Park. Dort meisselten wir die Setlist in Stein und hielten uns dann an jedem Datum daran. Bei meiner Solo-Tour wird meine Crew manchmal nervös, weil sie so lange nicht wissen, welche Lieder ich überhaupt spielen werde.
Wie entscheiden Sie, welche Linkin-Park-Songs Sie auf der Tour spielen?
Manche Songs würde ich niemals anfassen. Durch das, was passiert ist, haben sich viele Texte verändert, und ich will diese Songs nicht mehr singen. Andere Songs will ich aus Respekt vor Chester nicht spielen. Es gibt aber immer noch so viele Songs, die ich – und die Fans – lieben! Ich will den Leuten geben, was sie wollen, und dazu gehören auch diese Lieder.
Wie schwer fällt es Ihnen, zwei Jahre nach seinem Tod über Chester zu sprechen?
Es kommt auf den Tag drauf an. Manchmal fällt es mir sehr schwer – ich glaube heute ist zum Beispiel so ein Tag. Mich zermürbt vor allem die Häufigkeit. Ich kann nicht immer über das Gleiche sprechen. Aber es wäre lächerlich, nein, sogar unangebracht, das Thema totzuschweigen. Ich wende mich jeden Abend an das Publikum mit Erinnerungen an ihn, aber die Shows sollen auf keinen Fall wie eine Beerdigung sein. Chester war so ein unglaublicher Mensch, gutmütig, talentiert – einfach ein toller Freund. Ich will diesen Menschen feiern.
Das taten Sie auch mit Ihrem Solo-Album. Wie haben Ihre Bandkollegen reagiert, als Sie Ihre Pläne offenbarten?
Sie waren immer eingeweiht. Ich hab ihnen schon früh ein paar Songideen geschickt, sie wussten also, dass ich im Studio war. Und sie kennen mich ja. Sie wissen, dass ich Chesters Tod durch Kunst verarbeiten muss, sonst wäre ich explodiert. Ich musste das für mich selbst machen. Die Jungs haben mich aber alle unterstützt.
Wie ist Ihre Beziehung derzeit?
Wir werden immer Brüder sein, schreiben einander SMS oder treffen uns, um zu quatschen. Sie haben mich alle schon auf Tour besucht, Brad (Gitarrist von Linkin Park, Anm. der Red.) hat sogar ein paar Konzerte mitgespielt. Gerade letzte Woche haben wir miteinander zu Abend gegessen, es ist also alles gut.
Sprechen Sie darüber, wie es weitergehen soll?
Die Frage steht immer im Raum, aber es gibt momentan einfach keine Antwort darauf. Irgendwann werden wir wissen, was der nächste Schritt werden wird, und die Welt wird es erfahren. Momentan konzentrieren wir uns aber vor allem auf unsere Freundschaft. Ich glaube, dass jeder Mensch einen Sinn hat, ein Ziel, eine Berufung, etwas, für das er geboren ist. Für uns alle war das Linkin Park. Und jetzt, wo ein so wichtiger Teil dieser Band weg ist, fragen wir uns plötzlich, wer wir eigentlich sind. Es geht um etwas weitaus Grösseres als die Frage, ob Linkin Park jemals wieder auf Tour gehen wird oder ob wir ein neues Album aufnehmen werden. Und wir müssen die Antwort darauf erst in uns selbst finden.
Mike Shinoda spielt am 17.3. in der Halle 622 in Zürich.