Kultregisseur Spike Lee über Rassismus
«Fuck, diese Scheisse muss aufhören!»

Hollywood-Legende Spike Lee (63) thematisiert in seinen Filmen Rassismus. Er sagt, was ihn trotz allem optimistisch stimmt – und was ihm seine Mutter geraten hat.
Publiziert: 06.06.2020 um 23:58 Uhr
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Aktualisiert: 07.06.2020 um 08:49 Uhr
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«So viele weisse Brüder und Schwestern sind auf der Strasse»: Spike Lee, Ikone der Schwarzenbewegung.
Foto: Getty Images
Interview: Dierk Sindermann

Frustriert es Sie, dass man mehr als ein halbes Jahrhundert nach der Ermordung von Martin Luther King Jr. noch immer gegen Rassismus demonstrieren muss?
Spike Lee:
Ich war elf, als Martin Luther King Jr. erschossen wurde. Ich erinnere mich gut daran. Aber ich sehe das Ganze heute etwas optimistischer.

Weshalb?
Ich sehe eine junge Generation von weissen Brüdern und Schwestern, die zusammen mit schwarzen und braunen Mitbürgern Seite an Seite auf die Strasse gehen und für Gleich­berechtigung und gegen Polizeigewalt demonstrieren. Wie damals bei der Bürgerrechtsbewegung.

In Hollywood ist eine Ausgangssperre verhängt worden, nachdem die ­Demonstrationen in ­Plünderungen und Brand­legungen ausarteten.
Es ist typisch für Medien, dass sie sich auf die Plünderungen konzentrieren. Das war nur ein sehr, sehr ­kleiner Prozentsatz aus einer friedlichen Gruppe von schwarzen, weissen, braunen oder roten Demonstranten, die sich für Gleichheit und Wahrheit aus ihren Häusern begeben haben. Die überwiegende Mehrzahl der Menschen, die ihr Recht auf Demonstrationsfreiheit wahrnehmen, besteht aus gesetzestreuen Bürgern. Natürlich ist schlimm, was passiert ist, und ich verurteile, dass Menschen eine positive Aktion eigennützig missbrauchen!

Haben sich die Dinge für Afroamerikaner seit den 60er-Jahren verändert?
Ich will nicht sagen, dass es keine Verbesserungen gegeben hat. Aber es gibt bislang keine fundamen­talen Änderungen für unser Leben. Schwarze wurden damals von links und rechts umgebracht und werden es heute auch noch. Oft auch von der Polizei. Und dann lässt man die Cops obendrein noch laufen!

Sie haben für Netflix einen neuen Film gedreht: «Da 5 Bloods». Darin suchen vier schwarze Vietnam-Veteranen nach den sterb­lichen Überresten ihres Kom­panie­führers. Einer von ihnen ist Trump-Wähler. Was für ein Timing!
Das war nie so geplant. Aber Gott arbeitet auf ­mysteriöse Art und Weise. Die Premiere hätte in Cannes sein sollen. Dann kam Corona.

Können Filme Veränderungen bewirken?
Kunst in jeder Form kann die Welt verändern. Am Ende kommt es auf uns Menschen an, die Herzen unserer Kinder zu erreichen, damit sie dem Rassismus ein Ende setzen.

Und passiert das?
Da brauchen Sie doch nur mal rauszuschauen, wer gerade überall in Amerika protestiert. Das sind nicht nur schwarze Brüder und Schwestern, die in Salt Lake City oder Iowa marschieren. Ich meine, wie viele schwarze Menschen leben da überhaupt (lacht)? Es haben sich mehr rechtschaffene weisse Ameri­kaner denn je entschie den zu sagen: «Fuck, diese Scheisse muss aufhören, und schwarzes Leben zählt!» Entschuldigen Sie meine Ausdrucksweise.

Der Name Donald Trump wird in Ihrem Film nie genannt.
Ich nenne ihn Agent Orange, weil es zum Filmthema Vietnam passt. Ich will damit zeigen, dass Schwarze in Amerika nicht eine homogene Gruppe sind. Meine verstorbene Mutter hat mir schon als kleinem Jungen eingebläut, dass es rassistisch ist zu denken, alle Schwarzen sähen gleich aus, gehörten der­selben Interessengruppe an und dächten alle gleich. Das wollte ich noch einmal herauskristallisieren, indem ich einen der Sol­daten politisch an das extrem andere Ufer setzte.

Wieso ist Präsident Trump für Sie ein solch rotes Tuch?
Er ist nicht nur eine Gefahr für die Vereinigten Staaten von Amerika, sondern für die ganze Welt! Insbesondere, wenn er im November wiedergewählt werden würde. Deshalb müssen wir alle un­bedingt wählen gehen. Dieser Mann, dieser Agent Orange, muss weg.

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