Kreischende Fans und Proteste. Kein Star polarisiert am 76. Filmfestival von Cannes so sehr wie Johnny Depp (59). Minutenlange Standing Ovations erhielt er nach der Vorführung des Historiendramas «Jeanne du Barry» am Dienstag, mit ihm in der Rolle von König Ludwig XV. Während viele sein Comeback feiern, richten sich andere gegen die Einladung an ihn. Auch wenn seine Ex-Frau Amber Heard (37) die Schlammschlacht gegen ihn vor Gericht verlor, wobei es um körperliche und sexuelle Gewalt ging, hängt das Damoklesschwert über ihm. Schauspielerin Adèle Haenel (34) wirft dem Festival in einem offenen Brief vor, Missbrauch und Sexismus zu decken. Am Tag danach stellte er sich den Fragen – wegen des Verkehrs kam der Hollywoodstar 40 Minuten zu spät.
Blick: Minutenlanger Applaus, wie war das für Sie?
Johnny Depp: Ich muss zugeben, dass es mir sogar etwas Angst gemacht hat! Es war so, als würden wir in einer Zeitschleife stecken. Wir standen alle und hörten den Applaus. Die Energie, die durch diese Reaktion losgelöst wurde, war unbeschreiblich. Es hörte auch nicht auf.
Waren Sie überrascht, dass man Ihnen eine Rolle in einem französischen Film angeboten hat?
Ja sehr. Ich habe erst gedacht, jemand hätte einen Fehler gemacht. Vielleicht wurde ein Name falsch geschrieben und ich war nicht gemeint. Ich habe beim ersten Treffen Regisseurin Maïwenn Le Besco gefragt, ob sie nicht besser einen anderen Mann für König Ludwig XV. ausprobieren sollte.
Wie war ihre Reaktion?
Sie hat kurz darüber nachgedacht und meinte: «Ich habe es mir auch lange überlegt und beschlossen, dass ich dich für die Rolle haben will.» Das fand ich sehr mutig, ein Landei aus Kentucky als französischen König zu wählen. Allerdings wollte ich keine kulturelle Aneignung betreiben, wenn Sie verstehen. Zum Glück hat sie darauf bestanden, dass ich es tue.
Sie sagten in einem Interview 2021, dass Sie sich von Hollywood boykottiert fühlen. Hat sich der Wind gedreht?
Es war nie mein Wind, über den wir hier sprechen. Habe ich mich von Hollywood boykottiert gefühlt? Also du musst keinen Puls haben, wenn du nicht irgendwann denkst, passiert das wirklich, ist das Ganze ein Witz? Natürlich habe ich mich boykottiert gefühlt! Insbesondere, wenn sie dich dazu bringen, von einer Filmrolle zurückzutreten – nur weil ein paar Vokale und Konsonanten durch die Luft wirbeln.
Fühlen Sie sich noch immer boykottiert?
Nein, gar nicht. Ich fühle mich nicht mehr von Hollywood boykottiert, weil ich gar nicht darüber nachdenke. Ich denke nicht an Hollywood und ich brauche auch Hollywood nicht mehr. Ich weiss nicht, wie Sie das sehen, aber ich glaube, wir leben in sehr merkwürdigen, komischen Zeiten.
Wie meinen Sie das?
Alle würden es lieben, einfach sie selbst sein zu können. Doch sie können es nicht, weil sie genau die Linie des Vordermanns befolgen müssen. Wenn Sie diese Art von Leben bevorzugen, dann kann ich Ihnen nur das Beste wünschen. Ich werde auf der anderen Seite sein! Besten Dank auch.
Was sagen Sie denjenigen, die meinten, Sie hätte nicht eingeladen werden sollen?
Was kommt als Nächstes? Dass sie mich davon abhalten wollen, den Rest meines Lebens zu McDonald’s zu gehen? Wer sind diese wütenden Leute, warum kümmert es sie so sehr? Sie sind wie ein anonymer Berg Kartoffelbrei vor dem Computerbildschirm, mit scheinbar zu viel freier Zeit! Ich glaube also nicht, dass ich mir Sorgen machen sollte – diese Leute sollten mal in sich gehen und erkunden, worum es ihnen wirklich geht!