Er ist sein eigener grösster Fan: Gene Simmons (69) macht nach bald 50 Jahren Schluss mit Kiss, einer der erfolgreichsten Bands in der Geschichte der Rockmusik. Der Mann mit einem IQ von 117 erklärt die Gründe dafür. Und verrät am Telefon mit BLICK auch, weshalb Kiss nicht für US-Präsident Donald Trump aufgetreten sind.
Herzliches Beileid. Ihre Mutter Flora ist kürzlich verstorben.
Gene Simmons: Danke. Sie ist einfach eingeschlafen. Ich bin völlig niedergeschlagen. Der Tod ist unausweichlich, selbst für die Besten von uns. Meine Mutter war eine aussergewöhnliche Frau.
Inwiefern?
Sie kam vor 92 Jahren in Ungarn zur Welt, war noch ein Teenager, als die Nazis sie ins KZ steckten. Ihre ganze Familie wurde ausgelöscht. Nur sie überlebte. Später zog sie mit meinem Vater nach Israel, sechs Monaten danach kam ich zur Welt. Als ich sechs war, verliess uns Vater. Mutter und ich gingen nach Amerika.
Wie war Ihre Jugend im fremden Amerika?
Mutter krampfte in einer Fabrik, sie nähte Knöpfe an Wintermäntel, bekam dafür 35 Dollar die Woche. Dennoch liess sie sich nicht unterkriegen. Sie bleibt meine grösste Inspiration.
Hat sie je über ihre Vergangenheit gesprochen?
Nie. Sie hat das alles hinter sich gelassen. Auch als Selbstschutz. Sie wollte kein Mitleid. Ihr Motto: Jeder Tag, den wir über der Erde verbringen, ist ein guter Tag.
Das wurde auch zu Ihrem Motto.
Genau. Das Mindeste, was wir dem Leben schulden, ist, glücklich zu sein. Stell dir vor, Gott schenkt dir nur einen einzigen Tag. Wie verbringst du ihn? Bleibst du zu Hause vor dem Fernseher, gelangweilt, mit einem fetten Hamburger in den Händen? Nein, danke. Ich stehe nicht auf TV und Fast Food. Ich küsse lieber eine schöne Frau und versuche, Geld zu verdienen, damit ich gut essen und schlafen kann. Ich wollte immer das Maximum erreichen.
Hat Ihre Mutter Sie zu Beginn von Kiss unterstützt?
Sie hatte keine Ahnung von Musik. Also machten wir einen Deal: Ich durfte in einer Band spielen, wenn ich die Schule abschloss. Nach der Schule ging ich auf die Uni und wurde Lehrer. Nebenbei schrieb ich fürs «Vogue»-Magazin. Ich hatte immer mehrere Jobs. Noch heute! Ich bin ja nicht nur Mitglied von Kiss.
Sie besitzen Restaurants ...
... und Golfplätze, ein Football-Team, eine Getränkefirma, eine Cannabis-Company, ich schreibe Bücher. Ich war nebst der Musik stets unternehmerisch tätig.
Warum das?
Weil ich auf Nummer sicher gehen will. Wie sagt man so schön: Nur ein Idiot transportiert alle seine Eier im selben Korb. Was passiert, wenn man diesen Korb mal fallen lässt?
Dann sind alle Eier kaputt.
Genau. Alles auf eine Karte zu setzen, zahlt sich in den seltensten Fällen aus. Ich habe das schon früh gemerkt. Rund um mich herum hatte es junge Leute mit grossen Träumen. Sie wollten Rockstars werden, Filmstars, Supermodel, egal, was! Und dafür opferten sie alles. Funktioniert hat es bei den wenigsten. Am Schluss mussten sie irgendwo Teller putzen, damit die Rechnungen bezahlt sind.
Kiss hat Sie sehr reich gemacht.
Oh ja, und ich liebe Geld! Mehr zu wollen, ist immer gut. Nicht Geld ist die Wurzel des Bösen, sondern kein Geld zu haben. Dennoch bin ich sparsam geblieben. Ich brauche keinen Privatjet, auch keine Rolls-Royce-Flotte. Mir reicht ein schönes Haus, ich benötige nicht deren fünf.
Dafür unterstützen Sie 1400 Kinder in Afrika mit Nahrung und Kleidung. Das ist beeindruckend.
Nein, ist es nicht. Diese Kinder hatten keine Wahl, wo sie zur Welt gekommen sind. Sie machen Schreckliches durch. Es ist eine Tatsache, dass das Leben nicht jeden gleich behandelt. Dessen sollten wir uns alle bewusst sein. Die Menschen auf dieser Seite der Welt stehen in der Pflicht, etwas zurückzugeben. Wir geben genug Geld für dumme Sachen aus, die uns früher oder später nichts mehr bedeuten.
46 Jahre nach der Gründung von Kiss machen Sie jetzt Schluss. Warum eigentlich?
Vor jedem Konzert versprechen wir den Fans, dass sie die heisseste Band der Welt sehen werden. Das werden wir mit 75 Jahren aber nicht mehr sein. Zudem sind unsere Shows ziemlich anstrengend. Ich meine, ich liebe die Rolling Stones und U2, aber die müssen nicht jeden Abend zwei Stunden in 20 Kilogramm schweren Outfits und 20 Zentimeter hohen Plateau-Schuhen auf der Bühne herumspringen. Falls ja, wären sie nach 15 Minuten ohnmächtig.
Tut der Abschied nicht weh?
Doch. Aber das tut jeder Abschied. Klar werde ich die vielen glücklichen Gesichter im Publikum vermissen. Himmel, wir hatten einen Riesenspass die letzten fünf Jahrzehnte! Der Ruhm, die Partys, Frauen ... Sogar der Papst wäre eifersüchtig. Aber nichts hält ewig.
Ihre grösste Errungenschaft?
Dass ich noch am Leben bin. Eine dumme Antwort, ich weiss. Aber wenn ich nicht mehr am Leben wäre, würde es diese Band auch nicht mehr geben. Ein schlauer Entscheid war sicherlich, dass ich mit meiner Mutter nach Amerika ging.
Warum das?
Wäre ich in Israel geblieben, hätte ich nie Weltkarriere gemacht. Andere Länder sind fantastisch, klar. Aber eine Weltkarriere wie ich sie erleben durfte, ist nur in den USA möglich. Arnold Schwarzenegger wäre keine Weltmarke geworden, wenn er in Österreich geblieben wäre. In der Schweiz kannst du ein Superstar sein, das bedeutet aber nicht, dass du es auch in der restlichen Welt wirst. Amerika war immer gut zu mir.
Sie haben einen IQ von 117. Dachten Sie nie, dass Sie zu schlau sind für Rock ’n’ Roll?
Aber sicher, die ganze Zeit! All die Idioten, die viel Geld verdienten, und es gleich wieder für Drogen, Frauen und protzige Autos ausgaben. Wie dumm! Drogen machen dich hirntot, Zigaretten geben dir Krebs. Irgendwann hast du Zoff mit der Frau, es kommt zur Scheidung, du bezahlst Unmengen Alimente.
Sie selber sind seit 2011 verheiratet!
Richtig. Ich habe allerdings 28 Jahren Jahre gewartet, bis ich meiner Frau Shannon den Antrag machte. Ich wollte mir wirklich sicher sein.
Im August feiern Sie Ihren 70. Geburtstag. Angst vor dem Alter?
Nein, ich war in den letzten sechs Jahren keinen einzigen Tag krank, hatte nie eine Operation. Ich muss mich nicht dauernd massieren lassen, um irgendwelche Rückenschmerzen loszuwerden. Ich bin wirklich gut beieinander, Gott sei Dank! Dabei gehe ich nicht mal ins Fitness, ich jogge auch nicht. Aber ich laufe viel, mindestens 10'000 Schritte täglich. Wer still sitzt, dessen Körper beginnt abzusterben.
Denken Sie nie: Himmel, bin ich alt geworden?
Nein. Ich bin eitel - ich stehe dazu! Ich finde mich noch immer einen hübschen Kerl. Und warum? Weil ich nie geraucht, nie getrunken und nie Drogen genommen habe. Kein einziges Mal! Abgesehen von ein paar Besuchen beim Zahnarzt war ich nie betäubt.
Was macht Sie zornig?
Nichts. Ich habe zu viel Geld, um mich aufzuregen. Auf die Nerven geht mir höchstens die Jammerei über Donald Trump. Come on, Leute, hört doch auf! Ihr habt es ja selbst in der Hand. Wollt ihr, dass Trump geht, dann gebt eure Stimme das nächste Mal einem anderen. So funktioniert Demokratie. Bis dahin, kommt miteinander aus, arbeitet zusammen, lebt zusammen. So friedlich wie es nur geht. Merke: Das Land gehört auch denen, die anderer Meinung sind als du.
Trump wollte, dass Kiss im Januar 2017 bei seiner Amtseinführung spielen. Sie haben abgesagt. Warum?
Weil wir eine Unterhaltungsband sind, keine Politband. Über Politik kann man sich bis zur Verblödung streiten. Das ist nichts für uns. Wir wollen die Leute zusammenbringen.
Gene Simmons kam 1949 in Israel zur Welt. Noch als Kind emigrierte er mit seiner Mutter in die USA. 1973 gründete er die Rockband Kiss, verkaufte mit ihr über 100 Millionen Alben. Er war mit Cher (72) und Diana Ross (75) liiert. Seit 1986 ist er mit Ex-Playmate Shannon Tweed (62) zusammen und hat mit ihr zwei Kinder. Simmons hatte eine eigene TV-Show, veröffentlichte mehrere Bücher, spricht neben Englisch auch Deutsch, Hebräisch und Ungarisch. Zudem ist er Miteigentümer eines Football-Teams. Am 4. Juli geben Kiss im Zürcher Hallenstadion ihr Abschiedskonzert.
Gene Simmons kam 1949 in Israel zur Welt. Noch als Kind emigrierte er mit seiner Mutter in die USA. 1973 gründete er die Rockband Kiss, verkaufte mit ihr über 100 Millionen Alben. Er war mit Cher (72) und Diana Ross (75) liiert. Seit 1986 ist er mit Ex-Playmate Shannon Tweed (62) zusammen und hat mit ihr zwei Kinder. Simmons hatte eine eigene TV-Show, veröffentlichte mehrere Bücher, spricht neben Englisch auch Deutsch, Hebräisch und Ungarisch. Zudem ist er Miteigentümer eines Football-Teams. Am 4. Juli geben Kiss im Zürcher Hallenstadion ihr Abschiedskonzert.