Gefährlicher Trend auf Spass-App
Tiktok-User machen Magersuchts-Challenge

Bei Tiktok macht ein gefährlicher Trend die Runde: Zehntausende Nutzerinnen machen auf der chinesischen Plattform bei einer Magersucht-Challenge mit.
Publiziert: 13.12.2019 um 18:25 Uhr
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Aktualisiert: 31.03.2021 um 12:18 Uhr
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Nutzerinnen teilen Aufnahmen ihrer abgemagerten Körper und stellen so ihre Essstörung zur Schau.
Foto: Tiktok
Vanja Kadic

Auf der chinesischen Social-Media-App Tiktok posten Nutzer vor allem Comedy-Clips und lustige Karaoke-Videos. Wie das Content-Netzwerk von ARD und ZDF «Funk» berichtet, machen zehntausende Tiktok-User aber bei einem gefährlichen Trend mit: In einer Magersuchts-Challenge teilen Nutzerinnen Aufnahmen ihrer abgemagerten Körper und stellen so ihre Essstörung zur Schau.

Die Clips werden mit den Hashtags #Ed und #Edrecovery versehen. Diese stehen für Eating disorder (dt. Essstörung) und Behandlung von Essstörung stehen.

Tiktok wird vor allem von Teenies genutzt

Tiktok wird vor allem von Teenies genutzt. Das Mindestalter der App liegt bei 13 Jahren, tatsächlich sind sind die User aber noch jünger. Tiktok verweise bezüglich der Challenge lediglich auf seine Schutzmassnahmen und eine Body-Positivity-Kampagne.

Geht es um politische Videos, etwa Clips zu Protesten in Hongkong, ist Tiktok deutlich strikter. Beiträge dazu werden laut «Funk» gefiltert. Sucht man nach #Hongkong oder #Honkongprotests, gibt es kaum Demonstrationen zu sehen. Schuld daran sei ein technischer Fehler. «TikTok moderiert keine politischen Stellungnahmen ausserhalb lokaler Gesetze, noch sind die Entscheidungen unserer Moderation beeinflusst durch eine Regierung, einschliesslich der chinesischen Regierung», so die Betreiber in einer Stellungnahme.

Doch welche Gefahr geht von Beiträgen, die Magersucht zeigen oder gar verherrlichen, für Teenies aus? Dagmar Pauli, Chefärztin an der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Zürich, erkärt: «Solche Bilder sind insbesondere für junge Mädchen sehr schädlich. Sie orientieren sich an Vorbildern aus dem Netz und vergleichen sich.»

«Je jünger die Jugendlichen sind, desto beeinflussbarer sind sie»

Besonders problematisch ist, dass Tiktok ein sehr junges Zielpublikum hat. «Je jünger die Jugendlichen sind, desto beeinflussbarer und weniger gefestigt sind sie», erklärt Pauli. Den Teenies sei nicht bewusst, dass diese Bilder häufig auch bearbeitet und nicht echt sind. «Sie sind auch zu wenig informiert über Gefahren, die das Hungern mit sich bringt. Sie denken: Ich probiere das mal aus, ich kann ja dann wieder damit aufhören. Sie wissen nicht, dass sie in einen Teufelskreis von hungern und abnehmen geraten können.»

Psychologin Armita Tschitsaz, die das Therapiezentrum für Essstörungen an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie Bern leitet, stimmt dem zu. Teenies orientieren sich laut Tschitsaz an den Werten, die sie in den sozialen Medien oder im TV lernen. «Die Unterscheidung zwischen echten und manipulierten Bilder ist Jugendlichen nicht möglich», erklärt sie. «Sobald die Hunger- oder Sportspirale begonnen hat, entwickelt sich das, was anfänglich harmlos erschien, zur Teufelsspirale der psychischen Erkrankung, aus der man alleine sehr schwierig rauskommt.»

Instagram bei Moderationskriterien strenger als Tiktok

Bei Posts zu Magersucht oder Suizid, ist Instagram bei seinen Moderationskriterien strenger als die chinesische App. Während es auch auf der Foto-Plattform immer wieder sensible Inhalte zu sehen gibt, sind die meisten Hashtags zu Essstörungen oder Selbstverletzung gesperrt. Bei Hashtags wie #Ed blendet Instagram einen Inhaltshinweis ein, um «die Community vor Inhalten zu schützen, die möglicherweise zu einem Verhalten auffordern, das Schaden anrichten oder sogar zum Tod führen kann.» Zusätzlich gibt es für Betroffene die Option, mit dem Button «Hilfe holen» direkt Unterstützung zu erhalten, wenn man nach gesperrten Begriffen sucht.

Eltern sollten das Selbstwertgefühl ihrer Kinder stärken

Als Elternteil könne man seinen Kindern ab dem Teenager-Alter die Nutzung von Social Media kaum verbieten. Wie schützt man seine Kinder also am besten vor sensiblen Beiträgen wie den Mager-Posts? Pauli rät: «Es ist wichtig, dass sie das Selbstwertgefühl ihrer Kinder stärken und darauf achten, dass sie sie in allen Lebensbereichen so unterstützen, dass sie Erfolgserlebnisse sammeln können.» Denn: «Das schützt vor Selbstzweifeln und übermässigem Social-Media-Konsum.»

Armita Tschitsaz empfiehlt: «Eltern sollten aufklären, sich interessieren und nachfragen, um ihren Jugendlichen emotional nahe zu sein. Sie sollten zeigen, wie Medienmanipulation funktioniert.» Wichtig sei, klare Grenzen zu setzen und diese konsequent einzuhalten. «Das Hungern oder exzessiver Sport zur Verfolgung von Schönheitsidealen sollte in der Familie gemeinsam besprochen werden.»

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