Sie sind jetzt schon die Sieger der Herzen des 66. Eurovision Song Contest in Turin (I): Während Russland nach dem Start des Ukraine-Kriegs vom ESC ausgeschlossen wurde, landete die ukrainische Band Kalush Orchestra in den Wettquoten direkt auf dem ersten Platz. Ihr Hip-Hop-Lied «Stefania» weckt mit seinen Ethno-Elementen grosse Gefühle.
«Aus dem Song über meine Mutter ist ein Lied über das Mutterland geworden», sagt Oleh Psiuk (27), Frontmann der Band. Er habe den Titel lange vor dem Krieg für seine Mutter geschrieben, nun sei es zum Symbol der aktuellen Situation geworden. «Die Bedeutung wurde auf alle Mütter ausgeweitet, die ihre Kinder vor der Geissel des Krieges schützen.»
Aktuelle Lage setzt der Band psychisch zu
Noch immer liegen Kalush Orchestra in den Wettquoten weit vor der Konkurrenz. Der Verantwortung, die er seinem Land gegenüber hat, ist sich der Sänger mit der pinken Mütze bewusst. «Wir wollen den Ukrainern zeigen, dass sie nicht allein sind», so Psiuk. «Dass ganz Europa uns in diesen Zeiten unterstützt.»
Der Krieg setzt der Band zu. «Wenn man aufwacht und Explosionen hört. Wenn du nicht weisst, ob deine Eltern, deine Freunde, deine Verwandten noch am Leben sind. Diese Erfahrung macht dich verrückt, sie zerstört deine psychische Gesundheit», sagt Psiuk. «Je schneller wir zusammenkommen, je mehr Menschen helfen, desto schneller wird der Krieg beendet sein.»
Letzter Ukraine-Sieg war politisch geprägt
Dass die Ukraine am ESC gewinnen kann, bewies die Nation schon 2004 und 2016. Ihr letzter Sieg passierte nach der Annexion der Krim durch die Russen. Sängerin Jamala (38) sang in ihrem Klage-Lied «1944» über die Unterdrückung der Krimtataren 60 Jahre zuvor und löste damit Gänsehaut bei den Zuschauern aus.
Ob es in diesem Jahr für Kalush Orchestra für den ESC-Sieg reicht, wird sich am Samstag im grossen Finale (21 Uhr, SRF 1) zeigen. Nach dem Wettbewerb geht es für die Musiker wieder zurück in die Heimat. Psiuk: «Ich habe eine Freiwilligenorganisation. Wir helfen Menschen bei der Suche nach Schutzunterkünften, Transportmitteln oder Medikamenten. Jeden Tag tun wir etwas, um den Ukrainern zu helfen.»