Sein Cello singt in einem einzigartig warmen, samtigen Ton – egal ob er es im feinen Anzug in der St George’s Chapel auf Windsor Castle spielt oder in T-Shirt und Turnschuhen auf der Bühne der Zürcher Tonhalle. Streicht sein Bogen über die Saiten, scheint es, als ob das Instrument atme – und mit ihm die Zuhörer. Mit seinem einfühlsamen, virtuosen Spiel entlockt er Jahrhunderte altem Holz Töne und Melodien, die Herz und Seele tief bewegen und Könige zu Tränen rühren. Kein Wunder, laden Harry (39) und Meghan (42) den heute 25-Jährigen 2018 ein, ihre Hochzeit mit Musik zu segnen.
So wird Sheku Kanneh-Mason weltberühmt: 1,9 Milliarden Fernsehzuschauer verfolgen sein Cellospiel live am Bildschirm! «Ich weiss noch, dass ich kalte Hände hatte», erinnert sich der Brite an diesen einmaligen Auftritt. «Normalerweise kann man sich als Musiker vor einem Konzert aufwärmen, hier aber musste ich im Publikum warten und innerhalb von 20 Sekunden parat sein. Ein bisschen tricky, aber es ist gut gegangen. Es war eine wunderbare Gelegenheit für das Cello und mich, viele Menschen für dieses Musikgenre zu begeistern.»
Eine Familie voller Wunderkinder
Sheku stammt aus einer besonderen Familie: Er hat sechs Geschwister, die alle ebenfalls hervorragende klassische Musiker sind und Geige, Klavier oder Cello spielen. Sie wachsen in Nottingham, einer Stadt im mittleren Westen Englands, auf. Ihre Eltern sind begeisterte Hobbymusiker und wecken schon früh das Interesse ihrer Kinder für Musik. «Ich erinnere mich an lange Autofahrten, bei denen wir verschiedenste Musik hörten – von Mozart über Musicals bis Bob Marley», erzählt Sheku.
Seine ältere Schwester Isata spielt Klavier, sein älterer Bruder Braimah Geige. Da liegt es nahe, dass Sheku den Cello-Part übernimmt. Nicht weil er muss, sondern weil er es will. «Musik zu machen, gehörte in unserer Familie einfach dazu», sagt er. «Auch in der öffentlichen Schule, die wir besuchten, wurde Musik stark in den Unterricht integriert, und meine Eltern haben uns sehr motiviert, jeden Tag zu üben und uns Ziele zu setzen.» In der Wohnung wird der Probenraum knapp. «Manchmal musste jemand auch im Badezimmer üben», erzählt Sheku und lacht.
Dieser Artikel wurde erstmals in der der «Schweizer Illustrierten» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du auf www.schweizer-illustrierte.ch.
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Hat man Respekt, bekommt man Respekt
Sonntags sind Familienkonzerte angesagt, bei denen sich die Geschwister gegenseitig korrigieren und motivieren. Auch die Medien entdecken die besondere Musikfamilie: 2015 treten die Geschwister in der Castingshow «Britain's Got Talent» auf und schaffen es in den Halbfinal. Ein Risiko, später als klassischer Musiker nicht mehr ernst genommen zu werden? «Klar. Aber es fasziniert mich, als Musiker verschiedene Bühnen zu bespielen», sagt Sheku. «Wenn man mit Respekt an die Sache herangeht, wird sie ernst genommen – egal in welchem Genre.»
Die Kanneh-Mason-Kids sind mehr als ein Show-Act fürs Fernsehen. Ihr ausserordentliches musikalisches Talent fällt auch ihren Lehrerinnen und Lehrern auf, die sie für die höhere Musikausbildung empfehlen. Mit neun Jahren erhält Sheku ein Stipendium für die Royal Academy of Music, absolviert das Studium und Meisterkurse bei den Grossen der Klassikszene. 2016 gewinnt er den BBC Young Musician Award – als erster schwarzer Musiker überhaupt. Was ihm das bedeutet? «Viel! Musik hat die Kraft, Menschen zum Nachdenken anzuregen und sie zu verbinden. Darum nutze ich meine Position, um über Dinge zu sprechen, an die ich glaube.»
Musik ist nicht seine einzige Leidenschaft
Diesen Sommer gastiert der junge britische Klassik-Superstar als «artiste étoile» bei Lucerne Festival. An vier Konzerten zeigt er das grosse Spektrum seiner musikalischen Kunst – von Dvorak, Schostakowitsch und Mahler bis zu Werken der südamerikanischen Komponisten Villa-Lobos, Gnattali und Piazzolla, die er mit dem brasilianischen Gitarren-Virtuosen Plínio Fernandes inszeniert. Spannend wird auch das Konzert «Bach & Beyond», an dem er mit dem Musiker Harry Baker Werke des Barockmeisters mit Songs aus Jazz und Pop in Relation bringt.
Ob es für ihn ein Leben neben der Musik gibt? «Natürlich!», sagt Sheku. «Ich treibe viel Sport. Fussball ist meine Leidenschaft. Wenn Arsenal spielt, knalle ich mich vor den Fernseher, gern auch mit einem kühlen Bier.» Vor vier Jahren von der Queen zum Ritter geschlagen, darf er sich seither Member of the Order of the British Empire nennen. «Eine grosse Ehre», sagt Sheku. «Aber es macht mich nicht zu einem anderen Menschen.» Und welche Ziele bleiben einem Musiker, der Mitte 20 schon alles erreicht zu haben scheint, was die Klassik bietet? «Da gibts noch so viel», so Sheku. «Mich fasziniert auch das Unterrichten, die Arbeit mit jungen Musikerinnen und Musikern. Ich möchte Erfahrungen weitergeben – und auch neugierig bleiben und von ihnen lernen.»