Candace Bushnell ist die echte Carrie Bradshaw
Hausbesuch bei der «Sex and the City»-Schöpferin

«Freundinnen sind das Wichtigste im Leben einer Frau», sagt Candace Bushnell, Autorin und Erfinderin von «Sex and the City». «Männer kommen und gehen.» Besuch bei der echten Carrie Bradshaw, die am 22. März nach Zürich kommt.
Publiziert: 22.03.2025 um 09:11 Uhr
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Ihr Bestseller von 1996 ist die Basis der Kultserie «Sex and the City» – Autorin Candace Bushnell daheim in Sag Harbor, Long Island.
Foto: Jonas Mohr

Darum gehts

  • Candace Bushnell, Autorin von «Sex and the City», spricht über Karriere
  • Bushnell betont die Wichtigkeit von Freundschaften und finanzieller Unabhängigkeit für Frauen
  • Die TV-Serie «Sex and the City» startete 1998 und basiert auf Bushnells Bestseller
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Silvia Binggeli
Schweizer Illustrierte

«Könnte ich wählen», sagt Candace Bushnell, «würde ich in der Schweiz wohnen.» Genauer: in Gstaad. Die 66-Jährige war dort 2000 Gast an der Hochzeit von Kirsty und Ernesto Bertarelli. «Ich habe mich sofort in den Ort verliebt. Aber dort leben?», fragt sie und lacht. «Ich müsste wohl einen Schweizer heiraten.» Ausgerechnet! Die Frau, die Tausende – auch die Autorin dieses Textes – dazu gebracht hat, sich bedingungslos in New York zu verlieben, will in die Schweiz ziehen!

Candace Bushnell ist eine Ikone. Auf ihrem Bestseller basiert die vielleicht bemerkenswerteste TV-Serie aller Zeiten, «Sex and the City». Das geniale Setting: Hauptfigur Carrie Bradshaw, lebenshungrige Kolumnistin, balanciert in schwindelerregenden Heels durch den Grossstadtdschungel und das Single-Leben. Flankiert von ihren Freundinnen Miranda, Charlotte und Samantha, jagt sie selbstbestimmten Träumen nach, mal mehr, mal weniger erfolgreich, aber immer mit einem Spruch. Ihre wöchentlichen Abenteuer führten zu weltweiten Frauen-Pyjamapartys. Die witzig-scharfen Dialoge funktionieren bis heute, 20 Jahre nach Start der Serie. Candace Bushnell erklärt das Phänomen schnörkellos. «Die Geschichte ist authentisch. Es ist meine Geschichte.» Beim Interview trägt sie zuerst einen kuschligen Rollkragenpulli, wenig Make-up und den offenen Blick einer interessierten Frau, mit der man sofort befreundet sein will.

Schweizer Illustrierte: Candace, wie ist die echte Carrie nach New York gekommen? 

Candace Bushnell: Ich bin behütet im ländlichen Connecticut aufgewachsen. Meine zwei jüngeren Schwestern und ich sind mit Ponys zur Schule geritten. Mit 19 bin ich nach New York gezogen. Ich tanzte im «Studio 54», modelte an einer Punkshow für Gratiskleider.

Und: Sie fingen an zu schreiben? 

Ja. Ich war immer eine scharfe Beobachterin, wollte meine Stimme nutzen. Und meinen Humor. Bis heute lache ich laut, wenn ich meine Texte lese. Wer meinen Humor nicht erfasst, wird es schwer haben mit meinen Büchern.

Angefangen hat alles mit Kolumnen. 

Ja. Ich schrieb über meinen Alltag in New York. Für meinen ersten Text bekam ich 50 Dollar. Ich fühlte mich grossartig! Ich hatte Charles Dickens gelesen und wusste, dass seine Bücher aus einzelnen Kolumnen entstanden waren. Ich dachte mir: Toll, du schreibst jede Woche einen Text, der wird in einer Zeitung gedruckt, und du verdienst so Geld. Ich träumte davon, den Pulitzer-Preis zu gewinnen.

Warum haben Sie die Figur der Carrie Bradshaw erfunden? 

Wegen meinen Eltern. Sie waren sehr konservativ. Einmal ging ich in einen Sexklub und wollte darüber schreiben; ohne dass meine Eltern davon wussten. Also schuf ich Carrie Bradshaw.

Was wollten Sie mit «Sex and the City» bewirken? 

Die Leute denken, dass es um Sex geht. Aber es ging mir um sehr viel mehr: um Frauen, Männer, Macht, Status, die Wirkung von Aussehen – wie das alles zusammenspielt und was es aus dir macht. Die Leute denken, sie hätten die Kontrolle. Aber das haben Sie nicht. Ich habe schon früh kapiert: Du kannst ein bisschen etwas in deinem Leben steuern, aber nicht wahnsinnig viel. Ausser du bist aussergewöhnlich schön oder aussergewöhnlich talentiert.

Wie wussten Sie, was Single-Frauen bewegt? 

Ich habe Freundinnen zusammengetrommelt und sie gebeten, mir ihre unterschiedlichen Erfahrungen zu schildern. So entstanden die übrigen Figuren, Miranda, die erfolgsorientierte Businessfrau, Samantha, die sich so viel Sex holt, wie sie will, Charlotte, die vom bürgerlichen Eheleben träumt.

Aus den gesammelten Kolumnen, die im «New York Observer» erschienen, entstand 1996 ihr erstes Buch «Sex and the City». Der Privatsender HBO kaufte die Rechte am Bestseller und lancierte 1998 die gleichnamige TV-Serie. Sarah Jessica Parker (59) spielt darin Carrie Bradshaw, sie ist blond und zierlich wie Candace Bushnell, ähnelt der Autorin äusserlich sehr.

«Ich nahm Sarah Jessica Parker mit zu meinem Friseur, sagte, welchen Schmuck, welche Kleider, welche Schuhmarken Carrie tragen sollte», erzählt Candace, die mit Darren Star, dem damaligen Produzenten der Serie, befreundet war. «Die Film-Carrie rauchte sogar dieselbe Zigarettenmarke.» Anfangs schrieb Bushnell in einer Gruppe von Autoren an der TV-Version mit. Dann bot ihr ein Verlag eine Million für ein nächstes Buch. «Das konnte ich nicht ablehnen.» Sie schrieb weitere Bestseller, etwa «Lipstick Jungle» und «4 Blondes».

Candace Bushnell schreibt daheim in New York, aber auch in Sag Harbor, einem Künstlerort in den Hamptons, wo sie seit ein paar Jahren ein Haus besitzt. Hier lässt sie sich fotografieren, immer wieder in neuen Outfits. Die Einrichtung ist wie die Besitzerin: erfrischend, bunt und stilvoll.

Candace, was ist Ihnen wichtig? 

Freundinnen! Schon als Kind liebte ich es, mit meinen zwei Schwestern und anderen Mädchen herumzuziehen. Auch später halfen mir Freundinnen, im harten Macho-Alltag von New York zu bestehen. Männer kommen und gehen. Aber Freundinnen sind immer da.

Bis heute? 

Ja, ich habe Freundinnen, die kenne ich seit 20, 30 Jahren. Manche sind mittlerweile verheiratet, andere nicht. New York ist eine gute Stadt für Singles. Die Leute verschwinden nicht in ihren Häusern – zumindest taten sie das vor Covid nicht. Selbst Paare unternehmen Dinge unabhängig voneinander. Frauen unterstützen sich ausserdem, wenn sie in wichtigen Positionen sind. Darüber habe ich in «Lipstick Jungle» geschrieben. Auch dieses Buch wurde zur TV-Serie, mit Brooke Shields. Eigentlich hätte die Serie ebenso populär werden müssen.

In «Sex and the City» dreht sich auch viel um einen Mann: Mister Big, ein freiheitsliebender Financier, der Carrie sechs Staffeln lang Kopfschmerzen bereitet. 

Das ist TV. Es braucht Drama. Damit hält man die Zuschauer bei der Stange.

Dennoch: Es gab in Ihrem Leben den echten Mister Big, den Zeitschriftenmanager Ron Galotti. 

Ja, wir waren in jungen Jahren ein Paar. Als ich anfing, über ihn zu schreiben, habe ich ihm die Passagen gezeigt. Er sagte nur: Sweet Baby, sweet!

Artikel aus der «Schweizer Illustrierten»

Dieser Artikel wurde erstmals in der der «Schweizer Illustrierten» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du auf www.schweizer-illustrierte.ch.

Dieser Artikel wurde erstmals in der der «Schweizer Illustrierten» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du auf www.schweizer-illustrierte.ch.

Von 2002 bis 2012 war Candace Bushnell mit dem Tänzer Charles Askegard (56) verheiratet. «Es hat auf Dauer nicht funktioniert», sagt sie. «Aber ich habe das Eheleben genossen.» Askegard soll die Figur des Aleksandr Petrovsky inspiriert haben, in der Serie gespielt vom Ballettstar Mikhail Baryshnikov.

Stehen Sie eigentlich in Kontakt mit Sarah Jessica Parker? 

Wir sehen uns an Anlässen. Sie ist immer sehr nett. Ich habe ihren Sohn kennengelernt, ebenfalls very nice. Ich glaube, sie ist eine tolle Mutter. Aber wirklich kennen tue ich sie nicht.

Stört es Sie, dass die Schauspielerinnen der Serie bekannter und reicher geworden sind mit Ihrem Leben als Sie selbst? 

Ach wissen Sie, Autoren verdienen meist weniger als Schauspieler. Die Schauspieler stehen ja auch jeden Tag am Set. Ich werde immer noch bezahlt für ein Buch, das ich vor 30 Jahren geschrieben habe! Ich kann mir davon kein Haus für 30 Millionen kaufen. Aber ansonsten ist das nicht schlecht.

Gar kein Neid? 

Ich kenne das Gefühl. Aber anders: Wenn ich höre, dass mein Umfeld zu einem Anlass eingeladen ist, nur ich nicht, dann ärgert mich das. Ich bin eine soziale Person, ich nehme gern am Leben teil, beobachte, suche Stoff für neue Bücher.

Wie halten Sie es heute mit dem Daten – Sie haben 2019 ein Buch darüber geschrieben: «Is There Still Sex in the City?» 

Es ist nicht mehr so aufregend wie früher. Ich benutze ein paar Dating-Apps. Aber ich merke je länger, je mehr, die Leute sind zwar auf diesen Apps unterwegs, treffen sich dann aber doch nicht.

Wie meinen Sie das? 

Vorhin hat mir ein Mann geschrieben, er ist einiges jünger. Er meldet sich immer wieder. Aber ein Treffen? Stets kommt ihm etwas dazwischen. Ich höre das von vielen Frauen. Für mich ist es okay. Ich hatte wunderbare Romanzen. Es war früher wirklich so: ein Date nach dem anderen, total verliebt, Kutschenfahrt im Central Park. Und heute? Mir tun die jungen Leute leid. Daten ist so kompliziert geworden. Candace Bushnell war ihrer Zeit voraus. Sie bestärkte Frauen lange bevor T-Shirts, auf denen «Girl Power» steht, in Mode kamen. Bis heute pilgern Fans zum Serienhaus von Carrie Bradshaw in New York. Die Besitzerin hat kürzlich angekündigt, dass sie nun ein Gitter vor die Treppe setzen lasse, weil die ständigen Besucher die Mieter stören.

«Sex and the City» – und die zwei Filme, die folgten, wurden ebenfalls kritisiert: Der Serien-Kleiderschrank von Carrie Bradshaw ist immer knallvoll mit trendigen Luxusstücken – und das, obwohl sich die Kolumnistin diese in der Realität nicht leisten könnte. Hermès, Fendi und Co. haben dank Auftritten in der Serie ihre Verkäufe angekurbelt. «Ich besitze sicher weniger Schuhe», sagt Autorin Candace Bushnell. «Wobei», fügt sie an. «Nächste Woche gehe ich zu einem Event von Manolo Blahnik.»

Candace, Sie bezeichnen sich als Feministin. Inwiefern? 

Es gibt einen wichtigen Unterschied zwischen feminin und feministisch. Feminin bedeutet, sich für das Wohl des Mannes zuständig zu fühlen. Feministisch sein bedeutet, sich nicht auf ihn zu konzentrieren. Aber ehrlich: In heterosexuellen Beziehungen machen Frauen immer noch zu viel, um Männern zu gefallen – sei es nur, indem sie ihnen die Fernbedienung überlassen.

Was raten Sie jungen Frauen? 

Immer noch dasselbe: Sei dein eigener Mister Big! Verdiene dein Geld. Das ist die wichtigste Sicherheit für eine Frau.

Candace Bushnell posiert nun in gelbem Satinkleid und schwindelerregenden Heels. Das grösste Kompliment für sie: «Wenn ich höre, dass ich Frauen dazu bewogen habe, sich und ihre Möglichkeiten selbstbewusster zu sehen. Das war mein Ziel, seit ich ein kleines Mädchen war.»

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