Eigentlich sollte sie als Heldin gefeiert werden: Natascha Kampusch (31) hat ein Martyrium überlebt. 1998 wurde die Österreicherin als damals Zehnjährige vom arbeitslosen Nachrichtentechniker Wolfgang Priklopil (1962–2006) in Wien entführt und acht Jahre lang gefangen gehalten. 2006 gelang ihr aus eigener Kraft die Flucht. Doch anstatt Mitgefühl und Bewunderung zu erfahren, schlagen der Wienerin Hass und Anfeindungen entgegen – vor allem in sozialen Medien und Online-Foren. «Es gibt Leute, die gehässige Posts schreiben. Die mir wünschen, dass ich immer noch in dem Keller sitze oder dass ich am besten tot wäre», so Kampusch, die ihre damit verbundenen Erfahrungen in ihrem aktuellen Buch «Cyberneider» schildert.
Auf der Strasse angerempelt
«Am meisten getroffen hat es mich immer, wenn gesagt wurde, dass meine Gefangenschaft nur ein Spaziergang gewesen wäre», erklärt die Buchautorin in der Talkshow von Markus Lanz (50). «Als hätte ich das selbst geplant, als Kind.» Und weiter: «Leute haben gemurmelt, auf mich gezeigt.» Sie sei mit abfälligen Äusserungen und bösen Blicken gestraft worden, man hätte sie gar auf der Strasse angerempelt. «Ich bin dann draufgekommen, dass ich von einem Feind in ein Umfeld mit vielen Feinden gekommen war.»
Kampusch verweigert sich der Opferrolle
Doch was ist der Grund für den Hass, der dem Entführungsopfer entgegenschlägt? Kampusch glaubt, dass es mit der ruhigen und sachlichen Art zu tun haben könne, wie sie ihre Geschichte erzähle. Dies wirke auf einige Menschen unglaubwürdig und lasse sie zweifeln.
Die österreichische Journalistin Corinna Milborn (46), die 2010 Kampuschs Biografie als Ghostwriterin mitgeschrieben hatte, sieht einen anderen Grund für die öffentliche Abneigung: «Sie hat sich geweigert, die Opferrolle einzunehmen – was nämlich viele von Opfern erwarten. Die wollen, dass sie verschwinden.»
Doch Natascha Kampusch denkt nicht daran, klein beizugeben, und zeigt auch jetzt, dass sie eine Kämpferin ist. «Ich habe nur einen Fehler nach meiner Entführung gemacht und das war, den Anfeindungen überhaupt zuzuhören.»