Mit Zoom hat Liam Neeson (68) nichts am Hut. Wir sind mit ihm zum Interview per Videoverbindung verabredet, aber auf dem Bildschirm ist nichts von ihm zu sehen. Mit sonorer Stimme nennt Neeson die Gründe dafür. Erstens kenne er sich bei dem Programm nicht aus, und zweitens sei Eitelkeit mit im Spiel: «Ich sitze hier am Computer und habe ein Stück Steak auf dem rechten Auge. Das ist ein Mittel, das ich aus meinen Zeiten als Boxer kenne.»
BLICK: Haben Sie was aufs Auge bekommen?
Liam Neeson: Nein, es ist ein Gerstenkorn. Das habe ich mir offenbar durch zu viel Chlor im Swimmingpool zugezogen. (Nach einer Pause ergänzt er) Bei all dem, was in der Welt abgeht, rede ich über meinen Swimmingpool.
Damit wären wir beim Thema. Wie leben Sie zu Corona-Zeiten?
Ich bin in meinem Haus oberhalb von New York und ich weiss, dass die nächste Mahlzeit auf den Tisch kommen wird. Mit anderen Worten, ich kann mich sehr, sehr glücklich schätzen. Ich habe 30 Bücher gelesen und bin zufrieden damit, dass ich niemanden sehen muss. Weder beruflich noch privat.
Die berufliche und private Verbindung gibt es in Ihrem neuen Film «Made in Italy». Da ist Ihr 25-jähriger Sohn Micheál auch auf der Leinwand Ihr Sohn. Haben Sie da ein paar neue Einsichten über ihn gewonnen.
Es gab ein paar Gelegenheiten bei den Dreharbeiten, bei denen ich gedacht habe: «Fuck, das hätte ich nicht gekonnt, als ich in seinem Alter war.»
Dabei heisst es, dass Sie ihm davon abgeraten haben, Schauspieler zu werden.
Das stimmt. Denn die Zahl der Schauspieler, die ständig arbeitslos sind, liegt bei 65 und manchmal sogar bei 70 Prozent. Du wirst bei einer Audition nach zwei Stunden abgelehnt und hasst es, es am nächsten Tag bei einer anderen zu versuchen. Da muss man sich eine dicke Haut zulegen, um mit der Ablehnung fertig zu werden. Aus meinem väterlichen Instinkt heraus, wollte ich ihn davor beschützen.
Sind Sie jetzt nach dem gemeinsamen Film glücklich, dass er nicht auf Sie gehört hat?
Ich kann nicht sagen, dass ich glücklich darüber bin. So einfach ist es mit dem Handwerk der Schauspielerei nicht. Sagen wir mal, es hat mir gefallen, was ich gesehen habe. Er hat eine gewisse Präsenz, die wichtig für die Kamera, das Kino ist.
Und er sieht gut aus.
(Lacht) Klar, er kommt nach seinem Vater.
Sprechen Sie eigentlich Micheál wie das englische Michael aus?
Wenn ich böse mit ihm bin, sage ich Mi-hal, das ist Irisch.
Gab es Szenen im Film, in denen sich die private Beziehung zwischen Ihnen und Micheál widerspiegelten?
Im Prinzip nein. Wir haben beide Rollen gespielt. Aber es gibt eine Szene, in der der Vater seinem Sohn Andenken aus seiner Vergangenheit zeigt, die er bis dahin vor ihm geheim gehalten hat. Da kommt unterschwellig in mir hoch, dass Micheál seine Mutter und ich meine Frau vor elf Jahren verloren haben. Ein schwerer Schlag für die Familie.
Haben Sie manchmal Träume, in denen Ihre verstorbene Frau Natasha Richardson vorkommt?
Wirklich klare Träume mit ihr habe ich nicht. Aber ich spreche jeden Tag mit ihr. Ihr Grab ist nur zwei Kilometer vom Haus entfernt. Da rede ich mit ihr, als ob sie bei mir wäre.
Stärkt Sie das in Ihrem katholischen Glauben?
Ich glaube nicht. Ich stelle mehr und mehr Leben und Tod infrage und ob es ein Leben nach dem Tode gibt. Nicht zuletzt, weil ich jetzt 68 Jahre alt bin.
Die man Ihnen nicht ansieht.
Nett von Ihnen.
Reden wir von der Gegenwart, in der wir leben.
Ich wünschte, wir hätten zwei Stunden, um darüber zu reden. Wenn ich noch trinken würde – was ich vor sieben Jahren zum letzten Mal getan habe – könnten es auch vier Stunden sein und wir hätten das Thema immer noch nicht ausgelotet. Ich habe alles verfolgt, seit dem 25. Mai als Herr Floyd ermordet wurde. Nicht getötet – ermordet. Ich lebe in diesem Land seit 30 Jahren und muss sagen, dass ich mir zum ersten Mal dieser Ungerechtigkeit gewahr geworden bin. Ich weiss, dass schlimme Dinge passieren. Es wäre hilfreich, wenn wir eine Führungskraft hätten. Stattdessen haben wir mit Trump dieses unfähige, widerliche Gräuel von einem Mann und sein Kabinett von Arschkriechern. Sie können mich damit zitieren, so oft sie wollen.
Ob «Made in Italy» ins Kino kommt, oder auf einem Streamingdienst gezeigt wird, ist wegen der Corona-Krise noch offen.