Dabei sticht die 1871 eröffnete Halle in London noch einmal heraus, denn die Bandbreite der Konzerte und Events sucht ihresgleichen. «Es gibt keinen anderen Platz auf der Erde, der Winston Churchill, Albert Einstein und Emmeline Pankhurst ebenso willkommen heisst wie die Beatles, Ella Fitzgerald und Adele», sagt der Chef der Veranstaltungshalle, Craig Hassall. An diesem Montag (29. März) feiert die Royal Albert Hall ihren 150. Geburtstag.
Die gewaltige Kuppel und das aufwendige Mosaikfries an der Fassade künden im Zentrum von London von grosser Kunst. Mit ihren mehr als 5000 Plätzen ist die Halle nicht nur besonders gross. Die Anordnung, die an ein römisches Amphitheater erinnert, erlaubt zudem von fast allen Sitzen das Gefühl, den Künstlern recht nahe zu sein. Das macht Eindruck - auch bei denen, die dort schon aufgetreten sind. Einen «seltsamen, gewaltigen Ort» nennt der Sänger Ian Bostridge die Halle. «In der Royal Albert Hall zu singen, ist der Gipfel für jeden Sänger», sagt Bostridge der Deutschen Presse-Agentur.
Die Anregung für den Bau kam von Prinz Albert von Sachsen-Coburg Gotha, dem deutschen Gemahl von Königin Victoria. Zehn Jahre nach seinem Tod 1861 eröffnet, wurde das Gebäude zu seinen Ehren benannt. International bekannt ist es mittlerweile vor allem wegen der Sommerkonzertreihe Proms. Dabei ist die Royal Albert Hall seit Beginn mehr als eine Konzerthalle. «Sie hat in den vergangenen 150 Jahren unzählige grosse kulturelle und soziale Bewegungen beherbergt - von der Frauenrechtsbewegung bis hin zu LGBT-Rechten», sagt Hallenchef Hassall der dpa. «Auf der Bühne kann man die grosse Verwandlung der modernen Musikgeschichte miterleben.»
Wie vielfältig die Geschichte der Halle ist, zeigen drei verschiedene Ereignisse, die Hassall aufzählt. Der berühmte Solo-Auftritt von Janis Joplin 1969, ein Konzert zu Ehren des Staatsbesuchs von Nelson Mandela 1996 und ein Sumo-Turnier 1991, das erste dieser Sportart ausserhalb Japans. Kaum vorstellbar, dass in dem ehrenwerten Ambiente die Fetzen flogen, etwa bei Auftritten der Rolling Stones. Ein oder zwei Mal sei es «ein bisschen wild» geworden, erzählt Frontmann Mick Jagger in der Jubiläumskampagne. Weil Fans die Bühne stürmten, drohte ein abruptes Ende. «Aber wir haben weitergemacht und hatten eine grossartige Zeit.» Die Beatles haben die Halle sogar in ihrem Song «A Day in the Life» erwähnt.
Doch wie so viele Kulturstätten weltweit ist auch die berühmte Halle, die keine öffentlichen Gelder erhält, schwer getroffen von der Pandemie, das Jubiläum findet zunächst nur im Internet statt. Seit Beginn der Pandemie wurden mehr als 350 Shows abgesagt oder verschoben, wie Hassall sagt. Tickets im Wert von mehr als 9,5 Millionen Pfund wurden erstattet und mehr als 35 Millionen Pfund Einnahmen gingen verloren, der grosse Teil der 525 Mitarbeiter ist in Kurzarbeit. Der Lockerungs-Fahrplan der britischen Regierung sieht vor, dass Veranstaltungsstätten vom 17. Mai an wieder öffnen können - allerdings nur mit geringer Auslastung.
Die Royal Albert Hall aber wird wohl warten, bis alle Restriktionen aufgehoben sind. Es rechne sich nicht, mit abgespeckter Kapazität zu öffnen, sagt Hassall. «Wir werden erst wieder zu finanzieller Stabilität zurückkehren können, wenn wir mit voller Kapazität wiedereröffnen können.» Für diesen Fall rüstet sich die Halle bereits. «Dein Zimmer wird bereit sein» (Your Room Will Be Ready), wirbt das Haus um Besucher nach der Pandemie. «Kultur und echte Zusammenkünfte sind für die Menschen so wichtig», sagt Hassall. «Menschen sind soziale Wesen, und Live-Musik hilft uns, uns mit unseren Emotionen auseinanderzusetzen oder dem Alltag zu entfliehen.»
Wie lang es wirklich dauert, bis Zuschauer wieder in den Genuss der Royal Albert Hall kommen, ist allerdings unklar. Die Inbetriebnahme der Kunststätten werde «viel Zeit, Vorbereitung und Kosten» erfordern, sagte der britische Premierminister Boris Johnson jüngst. Zuerst müsse Klarheit herrschen und das Virus eingedämmt sind. Risiken bei Produktionen oder Auftritten dürften nicht eingegangen werden, forderte der Regierungschef.
Angesichts des raschen Fortschritts beim Impfprogramm - mehr als die Hälfte der Erwachsenen im Land hat bereits eine erste Dosis erhalten - wird aber auch die Kulturszene wieder zuversichtlicher. So soll das Reading-and-Leeds-Festival mit Künstlern wie Ex-Oasis-Frontmann Liam Gallagher und dem Rapper Stormzy im August stattfinden.
(SDA)