Dass er das Kino liebt, das glaubt man dem neuen künstlerischen Leiter vom Filmfestival Locarno sofort. Giona A. Nazzaro (55) gerät ins Schwärmen, wenn er an sein erstes cineastisches Erlebnis zurückdenkt. Zehn Jahre alt war er, als im Kino Orion in Dübendorf «Der Weisse Hai» gezeigt wurde. «Den wollte ich unbedingt sehen und habe jeden Tag 50 Rappen zur Seite gelegt, damit ich die 5 Franken Eintritt fürs Kino bezahlen konnte.»
Nazzaro spricht so gut Schweizerdeutsch wie Italienisch, er ist in Zürich geboren, die Eltern stammen aus Italien, später kehrte die Familie dorthin zurück. Heute ist der Filmpublizist bestens in der Festival-Welt verankert. Die letzten vier Jahre leitete er die Kritikerwoche des Filmfestivals Venedig, und er lebt in Rom, wo er zum Thema neue Technologien in Film und Kunst unterrichtet. Damit bringt Nazzaro das nötige Know-how mit, um das altehrwürdige Filmfestival in die Zukunft zu geleiten: «Die Digitalisierung ist eine Herausforderung, die sich durch die Pandemie noch beschleunigt hat.»
Piazza bleibt das Herzstück
Bereits diesen Sommer wurde darum das Projekt «Locarno 365» ins Leben gerufen, mit der Idee, das Festival digital aufs ganze Jahr auszuweiten und einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. «Unsere historische Aufgabe ist es, die Tradition des Kinos bewahren, aber heute sind auch neue Kanäle zu bespielen.» Herzstück des Festivals bleibt die Piazza Grande, die diesen Sommer wegen der Pandemie nicht eröffnet werden konnte. Nazzaro: «Ich wünsche mir, dass wir die nächste Ausgabe wieder vor dieser einmaligen Kulisse erleben dürfen.»