Im Sommer dann die schlimme Nachricht: Die Rätselfrau wird 70 und will es nur noch halb so oft tun, wie Chefredaktor Finn Canonica im Editorial verkünden muss. Die Reaktionen, die in riesiger Zahl eintreffen, sind fast durchwegs von «verständnisvollem Bedauern» geprägt.
Viele Fans hatten sich schon oft mit Bangen gefragt: Wie macht sie das bloss? Das Zauberwort heisst «Assoziationsreichtum», wie Trudy Müller-Bosshard (TMB) im Gespräch verrät. «Zunächst ist da eine fadengerade Frage, doch dann gilt es, für Verwirrung zu sorgen und auf falsche Fährten zu locken, das macht offenbar den Reiz aus.»
Weil das auch harte Arbeit ist - eine Woche wird intensiv am Kunstwerk gefeilt - ist sie nun, ganz Rätselfrau, in HALBPENSION gegangen.
National bekannte Rätselautorin
Seltener, aber doppelt wertvoll, so sieht es die Redaktion, der das Prunkstück erhalten bleibt. Auch andere Publikationen haben knifflige Rätsel, doch zu nationaler Bekanntheit brachte es nur TMB. Manchmal, bei allzu viel Rummel um ihre Person, wünschte sie sich, wie anderswo üblich, «anonyme Rätselfabrik» zu sein.
Sie geniesst es, mit Sprache spielerisch umzugehen. Die Doppelbedeutung von Wörtern wie STEUER, GERICHT oder PRESSE wird ausgenutzt oder ein Begriff wie PARAGRAFENREITER lustvoll verfremdet.
Der sture Rechtsanwender wird so zum «Lexperten im Rosinenausscheiden». Das L vor dem Experten ist eine versteckte Hilfe, verwirrt aber zugleich. Zudem spielt die Frage auf den Korinthenkacker an, das deutsche Pendant zum Tüpflischiisser.
Seit 1993 versetzt TMB im «Tagi-Magi» ihre Fans in Entzücken. Sollte dieses aber in Verzweiflung umschlagen, steht die Helpline für Ratlose zur Verfügung, die je nach Wunsch nur den Anfangsbuchstaben oder den ganzen Begriff verrät. Die besten Rätsel sind auch gesammelt in nunmehr drei Bänden verfügbar.
Kreation eines eigenen Spiel- und Satiremagazins
Schon kurz nach der Matura zog es sie in den Journalismus, zunächst als «Rockfrau» bei Jugendmagazinen. Später kreierte die Mutter einer Tochter mit «AHA» ein eigenes Spiel- und Satiremagazin. Weil sie auf der Suche nach einer Autorin für anspruchsvolle Rätsel nicht fündig wurde, begann sie selbst solche auszutüfteln.
Die hier zu Beginn gestellten Rätsel sind sicher längst gelöst - oder etwa nicht? Nun, es handelt sich beim Märchenknaben, der im Mobbing light steckt, um die HÄNSELEI, der Begrüner ist ein GUERILLAGÄRTNER und der Kurier bringt mit der Pizza Quattro Stagioni den Vivaldi-Hit VIER JAHRESZEITEN.
Auch das Feld der Politik beackert TMB munter. Sie macht uns spielerisch bewusst, dass die Schweiz aufgrund ihrer Viersprachigkeit eine KOMBI-NATION ist, oder dass an der Demo ein Fischprodukte hortendes Federvieh, die bislang unentdeckte TRAN-SPAR-ENTE, geschwenkt werden.
Den POPULISMUS definiert sie schlagend als «extreme Volksnähe». Polo Hofers Hit «Bin i gopfridstutz ä Kiosk» setzte sie vor Jahren mit «Nicht die Wunschfunktion eines Berner Rockstars?» rätselhaft um.
All diese Ideen fliegen ihr bei der Zeitungslektüre zu oder beim Schmökern im Duden, da wimmelt es ja von Begriffen, die nur darauf warten, verfremdet zu werden. Doch bei ein paar hübschen Ideen bleibt es nicht.
In konzentrierter Arbeit werden immer neue Rätsel, die auch um die Ecke gefragte Anagramme und «unten rechts» gelegentlich einen harmlosen Nebenfluss oder einen griechischen Gott enthalten, um überhaupt einen Einstieg zu liefern.
Alles, was diese Rätsel so faszinierend macht, lässt sich in einer Frage aus der Frühzeit zusammenfassen: «Für das Veräppelungsopfer weder Trankgenuss noch Planschplausch» - was mag das wohl sein? Es ist der KAKAO, durch den TMB ihre willigen Opfer seit einem halben Jahr nun nicht mehr ganz so häufig zieht.
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