Während andere beim ersten Morgenkaffee sitzen, spielt sich zwischen den älteren Häuserreihen entlang der Quartierstrasse Beckhammer Ungewöhnliches ab. Maskentragende Filmleute stellen Stative auf, positionieren Kameras und unterhalten sich via Funk über Lichtverhältnisse und eine sich nähernde Regenwolke.
Die Anwohnerin, die ihr Zuhause als Garderobe zur Verfügung stellt, blickt von der Strasse her besorgt zu ihren Balkonpflanzen hoch. Schon gestern hätte sie sie giessen sollen, doch die Crew hat den Zugang mit einem Tuch versperrt. So viel zum aufregenden Teil des Drehbesuchs.
Als Martin Suter, zentrale Figur in dem ganzen Geschehen, aufs Set geführt und instruiert wird, beginnt, was erst auf der Leinwand wieder interessant sein wird: Der Dreh zur Verfilmung vom Leben und Schaffen des 72-jährigen Zürchers, den Bücher wie «Small World», «Der Koch» oder «Die dunkle Seite des Mondes» zu einem der meistgelesenen deutschsprachigen Autoren gemacht haben.
Zwischen langen Wartezeiten und einigen spontanen Unterbrüchen, weil Passanten oder Autos genau jetzt genau hier vorbeigehen müssen, spaziert Suter auf Geheiss nachdenklich ein paar Meter weit. Dabei schweift sein Blick einmal kurz zu einem Fenster hoch, in dem vage ein Mann zu erkennen ist. Das ist Schauspieler Jonas Rüegg in der Rolle von Peter Taler, der wiederum Protagonist in Suters Roman «Die Zeit, die Zeit» ist.
So wenig in dem Moment auch passieren mag - über den Inhalt des Films sagen die paar Sekunden sehr viel aus. «Martin Suter - Der Mann hinter den Geschichten» wird eine Verflechtung aus dokumentarischem Material wie Interviews und Aufnahmen im privaten Umfeld sowie einer inszenierten Ebene mit Ausschnitten aus Suters Romanen. Er spaziere quasi «immer wieder als wohlwollender bis kritischer Beobachter durch seine eigenen Geschichten», beschreibt Suter das Konzept im Gespräch mit Keystone-SDA.
Er kann sich gut vorstellen, dass die Mischung aus Realität und Fiktion «kurzweilig wird, sofern man mich 90 Minuten lang aushält». Und dass die eben abgedrehte Szene rein zufällig in seiner früheren Wohnstrasse spielt, macht die Sache für ihn zusätzlich sehr emotional. «Ich kann mich an einige Szenen aus dieser Zeit erinnern», so Suter. Und seine frühere Wohnung wolle er nach Möglichkeit unbedingt noch besichtigen gehen.
Der Kinofilm soll im Herbst 2021 in die Kinos kommen und im Weiteren Szenen aus Suters Häusern in Zürich, Marrakesch und allenfalls Guatemala enthalten. Darin werden unter anderem auch seine Frau Margrith Nay Suter, seine Tochter und sein Freund, Chansonnier Stephan Eicher, vorkommen.
Martin Suter hat dem Projekt mitunter aus Gründen der Eitelkeit zugestimmt. «Wenn jemand sagt, er wolle einen abendfüllenden Film über mich drehen, dann sage ich sicher nicht: spinnst du eigentlich», sagt er und lacht. Das Problem ist bloss: So richtig geheuer waren ihm Sets noch nie. Als Drehbuchschreiber oder wenn ein Roman von ihm verfilmt wird, schaue er hin und wieder vorbei. Er sei aber immer froh, wieder gehen zu können. «Man muss da so viel warten und herumhängen und isst dabei einen Haufen ungesunde Sachen.»
Und so braucht er als Hauptdarsteller nun erst recht Selbstmotivation. «Ich hätte so viel anderes zu tun», so Suter. «Ich arbeite an meinem neuen Roman und meine Frau ist unterwegs, so dass ich derzeit ein bisschen alleinerzerziehend bin.» Ausserdem veröffentlicht der nimmermüde Schreiber regelmässig neue Texte auf seiner Website www.martin-suter.com. So schreibt er etwa wieder Kolumnen, eine Fortsetzung von «Lila Lila» oder er berichtet, was seine Krimifigur Allmen zwischen den Romanen so treibt.
Der Zugang zu den Online-Texten ist kostenpflichtig. Die Art und Weise, wie er die Seite bewirtschafte sei «eine Antwort darauf, dass immer weniger Bücher gelesen werden». Martin Suter möchte - vorerst in einer Versuchsphase - seine Bücher und das Bedürfnis vieler Leute, online zu lesen, verzahnen. Und dann eben kommt er ins Kino.
www.martin-suter.com
(SDA)
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