«Wenn es regnet», sagt Dill Mohamad (31), «fliesst das Wasser in Strömen durch unsere Hütte. An Schlaf ist in solchen Nächten nicht zu denken.» Solche Nächte gibt es oft in letzter Zeit – es sind Vorboten des Monsuns, der in wenigen Tagen anfängt. Was dann geschehen wird? Dill Mohamad weiss es nicht. Vielleicht möchte er aber einfach auch noch nicht daran denken. Zu viel haben er, seine Frau Rabeya Begum (21) und Sohn Mohamad Rizwan (6 Monate) in den letzten Monaten schon durchgemacht.
Grausame Brutalität
Mohamad und seine Familie sind Angehörige der Rohingya, einer muslimischen Minderheit im buddhistischen Myanmar. Dort werden die Rohingya seit Jahrzehnten unterdrückt. Das hat immer wieder zu Gewaltausbrüchen geführt. Letztes Jahr griffen aufständische Rohingya Polizeiposten an und töteten 12 Personen. Darauf schlug die myanmarische Armee mit grausamer Brutalität zurück. «Rohingya wurden getötet, gefoltert, vergewaltigt, bei lebendigem Leib verbrannt und gedemütigt, nur weil sie sind, wer sie sind», schrieb der Uno-Sonderberater für die Verhütung von Völkermord in einem Bericht im März 2018.
Heute sammelt die Glückskette für die geflüchteten Rohingya in Bangladesch. Mit dem gespendeten Geld unterstützt sie zum Beispiel Projekte von Caritas und Medair, die die Rohingya bei der Verstärkung ihrer Unterstände unterstützen. Oder Terre des hommes, die kinderfreundliche Plätze einrichtet. Und Helvetas, die Latrinen baut, mit deren Abfuhr Biogasküchen gespeist werden, damit die Flüchtlinge trotz Holzmangels kochen können.
Spenden auf Postcheckkonto 10-15000-6
Spendenaufrufe teilen über #SwissSolidarityForRohingya
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Grösste Massenflucht der Geschichte
Es kam zur grössten Massenflucht der jüngeren Geschichte – und im Hinterland des Touristenorts Cox’s Bazar entstand innert kürzester Zeit das grösste Flüchtlingslager der Welt. Knapp eine Million Menschen leben hier auf engstem Raum zusammen. Es fehlt an allem: Es gibt keine Strassen, keinen Strom, keine Kanalisation. Und da Bangladesch die Geflüchteten nur vorläufig aufnehmen will, dürfen sie auch keine festen Häuser bauen. Ihre Unterstände haben die Rohingya auf Hügeln aufgestellt. Dort sind sie vor Überschwemmungen geschützt, und es hatte Wälder, die ihnen wenigstens ein bisschen Schutz vor der Sonne boten. Mittlerweile sind die einst waldigen Hügel kahl – die Flüchtlinge haben das Holz geschlagen, um sich ihre Unterstände zu bauen und Feuer zum Kochen zu machen. Jetzt sind die Bäume weg, das Holz zum Kochen fehlt. Und weil die Menschen in ihrer Verzweiflung inzwischen auch die Wurzeln der Bäume aus dem Boden ausgegraben haben, gibt es nichts mehr, was die Abhänge zusammenhält. Schon beim kleinsten Regen geraten die steilen Hänge und mit ihnen die Unterstände ins Rutschen.
Seuchen drohen
«Für die Regenzeit rechnen wir mit dem Schlimmsten», sagt Barbara Dietrich von Helvetas. Die Hilfsorganisation arbeitet schon seit 18 Jahren in Bangladesch. Jetzt unterstützt sie mit vielen anderen Organisationen die Flüchtlinge dabei, sich auf den Monsun vorzubereiten. «Wir bauen zum Beispiel Latrinen an Orten, an denen sie nicht überschwemmt werden können», sagt Dietrich. Eine der grössten Gefahren ist, dass die Latrinen durch die heftigen Regenfälle ausgespült werden und sich im schlimmsten Fall Fäkalien mit dem Trinkwasser vermischen, was zum Ausbruch gefährlicher Krankheiten wie Cholera und Typhus führen kann.
Wettlauf gegen die Zeit
Die Vorbereitung auf die Regenzeit ist ein Wettlauf gegen die Zeit – und gegen die Natur: Die Gegend um Kutupalong ist eine der vom Monsun am stärksten betroffenen Regionen der Welt. Oft werden die unfassbaren Regenmengen von grossen Stürmen begleitet.
Was wird aus den Kindern?
Dill Mohamad ist sich bewusst, dass auch sein Unterstand an einer gefährdeten Lage steht. Gerne würde er ihn verstärken, doch es fehlt ihm an Bambusstangen. Um schneller an Bambus zu kommen, bräuchte Mohamad Geld. Doch alles Geld, das er hatte, musste er dem Bootsführer abgeben, der ihn und seine Familie über den Grenzfluss brachte. Neues Geld verdienen kann er nicht, denn als Rohingya darf Mohamad in Bangladesch keiner geregelten Arbeit nachgehen. Ab und zu kann er im Lager als Taglöhner mithelfen. Das reicht für etwas Essen und ein Bündel Holz, um das Essen zu kochen. «Ich könnte Holz suchen gehen», sagt Mohamad. Aber um an Holz zu kommen, das die Flüchtlinge in einem weit entfernten Wald schlagen dürfen, muss man etwa vier Stunden gehen – und wieder zurück. «Es ist ein Abwägen: Will ich arbeiten und dafür vorläufig auf den Bambus verzichten? Oder soll ich den ganzen Tag für das Holz weg sein und uns dafür kein Essen kaufen können?» Dill Mohamad schaut hilflos zu seiner Frau Rabeya. Sie weiss die Antwort auch nicht. Wie die beiden überhaupt auf viele Fragen noch keine Antwort haben. Zum Beispiel die, was aus ihrem Sohn werden soll: Er wurde im Flüchtlingslager geboren, hat keine Geburtsurkunde, kein Heimatland. Offiziell gibt es den kleinen Mohamad Rizwan nicht. Wie Tausende anderer Kinder, die in den letzten Monaten im grössten Flüchtlingslager der Welt geboren wurden.
Doch zuerst einmal müssen Dill Mohamad und seine Familie schauen, dass sie den Monsun überleben.