Die Stars der Zukunft sorgen mit Haltung für Unterhaltung
Jetzt kommen die Sinnfluencer

In den Zehner-Jahren schossen mit den sozialen Medien Influencer wie Pilze aus dem Boden. In der nächsten Dekade wird es gehaltvoller: Die Sinnfluencer haben mehr auf dem Kasten.
Publiziert: 08.01.2020 um 23:38 Uhr
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Aktualisiert: 19.03.2021 um 15:52 Uhr
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Die amerikanische Sängerin Billie Eilish singt als Teeniestar nicht von der schönen Welt und bespricht in ihrer Musik auch düstere Themen wie Depressionen oder Suizidgedanken.
Foto: Siggi Bucher
Michel Imhof

Facebook, Youtube, Instagram und Tiktok: Die letzte Dekade war geprägt von jungen Menschen, die sich mit Hilfe sozialer Medien einen Namen machten. Die Kanadier Justin Bieber (25) und Shawn Mendes (21) wurden mit Videoclips zu Weltstars. In Deutschland sitzen plötzlich die dank der Tiktok-App berühmt gewordenen Zwillinge Lisa und Lena (17) in allen Fernsehsendungen. Die Bloggerin Zoë Pastelle (20) ist heute Teil der Jury von «Switzerland's next Topmodel» und berät die Kandidaten bei ihrem Auftreten. Wegen dieser Aufmerksamkeit wurden Influencer ein gefundener Markt für Werbekunden. Doch was kommt als Nächstes?

«Von den Influencern kommen wir in die Zeit der Sinnfluencer. Menschen, die via soziale Medien an einer besseren Welt arbeiten und für ihre Werte einstehen», sagt Senem Wicki, Zukunftsforscherin und Vorstandsmitglied von Swissfuture. Dabei nennt sie Klima-Aktivistin Greta Thunberg (17) als Paradebeispiel.

Billie Eilish singt über Depressionen, Lizzo setzt sich für Selbstliebe ein

In der Musikwelt trifft auf Billie Eilish (18) dieses Schema zu. Die US-Sängerin legte mit «Bad Guy» einen Welthit hin und sorgte beim Zurich Openair 2019 für Rekordzahlen. Während frühere Teeniestars wie Katy Perry (35) die heile Welt besangen, zeigt sich Eilish selten lachend. Sie steht öffentlich zu ihren Depressionen und ihrem Tourette-Syndrom. In ihrer Musik beschäftigt sie sich intensiv mit den Sorgen, die Teenager heute beschäftigen, und spricht dabei auch heikle Themen wie Suizidgedanken an.

Auch die achtfache Grammy-nominierte Rapperin Lizzo (31) sorgt mit ihrem Auftreten für Aufsehen: Die kurvige Musikerin kämpft mit ihrer freizügigen Bekleidung für mehr Selbstliebe. «So wie ich bin, werde ich für den Rest meines Lebens sein. Ich musste lernen, mich selbst zu mögen, um zu überleben», sagte sie einst in einem Interview. Die schweizerisch-albanische Sängerin Ilira (25, «Fading») geht in eine ähnliche Richtung. Sie mahnt, mehr auf sich selbst zu achten, und packt feministische Botschaften in ihre Lieder. Damit erreichte sie bis heute über 45 Millionen Youtube-Klicks.

Normalos können zu Weltstars werden

Vom technischen Fortschritt und der Globalisierung profitieren in den kommenden Jahren neben Musikern auch Game-Produzenten und Filmemacher. Es wird einfacher, sein Publikum zu finden, und günstiger, etwas zu produzieren. «Solange die erzählte Geschichte Gefühle weckt und das Timing stimmt, können Normalos plötzlich zu Weltstars werden», erklärt Expertin Wicki. Allerdings nicht überall: Im Sportbereich bleibe es schwierig, eigenständig eine Karriere ohne die Strukturen in Sportvereinen aufzubauen.

Trotz ihrer Abhängigkeit von Filmstudios profitieren auch Kinostars davon, wenn sie mit einer Message auftreten. Dies zeigt das Beispiel von Timothée Chalamet (24). Der Franko-Amerikaner gilt als Darsteller der Stunde und brilliert im neuen Film von Woody Allen (84). Mit seinem exzentrischen Kleidungsstil, der bewusst vom klassisch Maskulinen abweicht und die Geschlechtergrenzen durcheinanderbringt, sorgt er immer wieder für Aufsehen. Dafür wurde er im letzten Jahr von der britischen «GQ» zum bestgekleideten Mann der Welt gewählt.

Statt langer Filme schauen wir vermehrt kurze Clips

Der Trend, wie wir Filme schauen, wird sich im nächsten Jahrzehnt weiter akzentuieren. Streamingdienste erreichen ein neues Hoch. Neben dem bereits bewährten Netflix starten unter anderen Disney und in der Schweiz auch die SRG ihren eigenen Service für Unterhaltung auf Abruf. Durch das Überangebot drohe dem Konsumenten allerdings eine Reizüberflutung, warnt die Zukunftsforscherin: «Unsere Aufmerksamkeitsspanne sinkt weiter, und wir konsumieren vermehrt kurze Videoclips statt langer Filme. Gleichzeitig steigt mit der grossen Auswahl das Risiko, ein Suchtverhalten zu entwickeln.»

Obwohl sich die Menschen zwar immer mehr nach echten Begegnungen sehnen, nehme das Virtuelle auch im nächsten Jahrzehnt weiter zu, sagt Wicki. Das zeige das Phänomen von Hologramm-Konzerten: So steht am 19. März 2020 Whitney Houston (1963–2012) auf der Bühne der Samsung Hall in Dübendorf ZH – natürlich als Projektion. Und auch die seit 1982 aufgelösten Abba werden in naher Zukunft auf die neue Technologie setzen. «Obwohl der Mensch eigentlich genau weiss, dass hier nicht der echte Künstler auf der Bühne steht, können solche Shows echte Gefühle wie Glück oder Überraschung hervorrufen», sagt Wicki.

Für Influencer könnte es schwierig werden

Die Schnelllebigkeit, mit der wir heute durch die Zeit gehen, wird sich nicht aufhalten lassen. «Es ist denkbar, dass wir in den Zwanzigerjahren den Gipfel der Aufmerksamkeitsökonomie erreichen. Wir sind übersättigt von all der Inszenierung», so Wicki. «Immer mehr Menschen merken: Ein aufgeblähtes, berühmtes Ego kann auch anstrengend sein.»

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