«Die Musik stirbt zuletzt»
Der neue «Tatort» spaltet die Gemüter

Heute Sonntag (SRF 1, ab 20.05 Uhr) läuft die neue Luzerner «Tatort»-Episode «Die Musik stirbt zuletzt» von Dani Levy.
Publiziert: 05.08.2018 um 01:12 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 21:32 Uhr
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Die Nerven liegen blank: Reto Flückiger (Stefan Gubser) und Liz Ritschard (Delia Mayer) ermitteln nach einem Giftanschlag im KKL Luzern.
Foto: SRF/Hugofilm
Peter Padrutt, Jean-Claude Galli

Hitchcock in Luzern: Regisseur Dani Levy (60) lässt heute Abend (SRF 1, 20.05 Uhr) das Publikum des spektakulären «Tatorts» zittern. Er kommt ganz ohne Schnitt aus. Atemlos hetzt die Kamera durch die Gänge des KKL, wo Mitglieder eines jüdischen Orchesters nach Giftanschlägen tot zusammenbrechen. «Das Besondere ist das Live-Erlebnis.

Die Zuschauer geraten regelrecht in einen Sog», erzählt Levy begeistert. Formal ist das eine Meisterleistung – Schauspieler und Komparsen mussten ein exaktes Timing einhalten und zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort stehen. «Es war eine einmalige Stimmung am Set», rühmt Schauspielerin Heidi Maria Glössner (74) die Arbeit von Levy. «Ich komme vom Theater und bin gewohnt, in einem Guss durchzuspielen, wie es hier auch gefragt war.»

«In einem Guss» 

Ein Krimi in einem Guss – da-ran wagte sich schon Alfred Hitchcock (1899–1980) in «Cocktail für eine Leiche» (1948). Später gestand er, dass es falsch war, den Schnitt als wesentliches gestaltendes Instrument aus der Hand zu geben. Er bezeichnete es als «idiotisch» und als «verzeihlichen Versuch».

Der versierte Schweizer «Tatort»-Regisseur Markus Imboden (62), den schon die ersten Minuten des Levy-Krimis in Bann zogen, sagt: «Ich halte das One-Shot-Prinzip trotzdem für eher problematisch. Schnitt und Montage gehören zum Film.»

«Hölzerne bis absurde Dialoge»

Schriftsteller Thomas Meyer (44) ärgert sich über die «hölzernen bis absurden Dialoge. Kein normaler Mensch spricht so, wie es hier ständig passiert.» Meyer sagt, das formale Experiment sei zwar auf «eindrückliche Weise gelungen».

Ansonsten findet er den «Tatort» «grundsätzlich komplett missraten». Besonders gravierend sei die Anhäufung von Logikfehlern. «Zum Beispiel die Pianistin, die sich seelenruhig an den Flügel setzt, nachdem ihr Bruder vergiftet worden ist. Oder der Arzt, der während des Reanimierens Zeit findet, Leute aus dem Raum zu schicken mit den Worten, er müsse hier arbeiten.»

«Aktuelle Debatten aufgreifen»

Ein Knackpunkt hinsichtlich der Logik ist der geschichtliche Hintergrund. Gastgeber des Abends im KKL ist der fiktive Unternehmer Walter Loving. Er hat sich im Zweiten Weltkrieg als Fluchthelfer an Juden bereichert. Für Meyer, der in seinen Texten oft jüdische Lebenswelten thematisiert, wie auch für den Zürcher Medienunternehmer Pierre Rothschild (66) bleibt unklar, ob Loving selber einen jüdischen Hintergrund hat. «Auch wenn es die Autoren sicher wissen, die Zuschauer erfahren diesbezüglich nichts», meint Rothschild.

Yves Kugelmann (47), Chefredaktor bei der Jüdische Medien AG, die das Wochenmagazin «Tachles» herausgibt, sagt dazu: «Dass vieles im Unklaren bleibt, ist ein spannendes Stilelement generell und konfrontiert die Zuschauer immer wieder mit sich selbst.» Grundsätzlich gefällt es Kugelmann, «wenn der ‹Tatort› aktuelle Debatten aufgreift und sich nicht isoliert».

«Zehn Millionen auf den Campingplätzen»

Ob es viele Zuschauer sind, die heute einschalten, ist angesichts der Hitze und der Ferien fraglich. Dani Levy fürchtet sich nicht vor einer schlechten Quote. Seine Hoffnung: «Dass auf allen Campingplätzen der Schweizer ‹Tatort› läuft – zehn Millionen mit Getränken vor den Zelten und Wohnwagen.»

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