Als der Schweizer Antoine Steiner im burmesischen Dorf auftaucht, rufen alle im Chor: «Der Chindit ist zurück!» In der Mythologie des asiatischen Landes ist Chindit die Bezeichnung eines mächtigen Löwen. Chindit nannte sich während des Zweiten Weltkriegs aber auch eine Spezialeinheit der britischen und indischen Armee in Burma, dem heutigen Myanmar.
«Der letzte Chindit» heisst der erste Roman des in München lebenden Schweizer Journalisten Peter Balsiger (80). Er selber ist kein unbeschriebenes Blatt, war Chefredaktor von Blick, SonntagsBlick, der «Schweizer Illustrierten» und später von «Quick» in Deutschland. Und als junger Reporter war er mit US-Soldaten an der Front des Vietnamkriegs.
«Peter Balsiger war in der zerstörten Kultur-Stadt Hué», steht am 5. März 1968 im Blick, und der Kriegsberichterstatter bilanziert: «Plündern und Saufen in den Ruinen – nach 25 Tagen mörderischen Kampfes: Zerrüttete Disziplin der Ledernacken!» Ledernacken bezeichnet die Soldaten des United States Marine Corps.
Balsiger weiss also genau, worüber er schreibt, wenn er Antoine Steiner sagen lässt: «Wenn du als Reporter mit einer Truppe unterwegs bis, bist du ein Teil davon. Du trägst die gleiche Uniform, auch wenn du anstelle eines Gewehrs eine Kamera umhängen hast – für den Feind bist du ein Soldat.»
Balsiger fand Manuskript beim Aufräumen im Keller
Man darf in Antoine Steiner durchaus autobiografische Züge von Peter Balsiger erkennen. Doch der Autor präzisiert im Nachwort: «‹Der letzte Chindit› ist ein Roman. Es ist Fiktion, kein Tatsachenbericht. Eigentlich habe ich ein Buch geschrieben, das ich selber gern gelesen hätte.» Ein spannender Thriller über den Opiumkrieg im Goldenen Dreieck.
In Goa bekommt Antoine Steiner 1990 einen Brief aus München: Die Tochter seines besten Freundes Joachim berichtet, dass ihr Vater seit Monaten im Norden Thailands oder in Burma verschollen sei. Also macht sich der frühere Söldner Steiner auf, Joachim zu suchen, findet ihn, und gemeinsam kämpfen sie gegen die chinesische Drogenmafia – mit tödlichem Ausgang.
«Dreissig Jahre lang hatte ich den Moment hinausgezögert, diese Orte wieder zu besuchen, die mein Leben und das Leben anderer Menschen verändert hatten», sagt Steiner zu Beginn des Buchs. Dreissig Jahre hatte es auch gedauert, bis Balsiger beim Aufräumen im Keller auf sein vergilbtes Romanmanuskript gestossen ist.
Die Beratungsaufträge des immer noch umtriebigen Medienmannes Balsiger lagen wegen Corona auf Eis. So hatte er Zeit, sich der Bearbeitung dieses Manuskripts hinzugeben. Die Bewältigung seines eigenen Vietnamkriegstraumas? Ach was, das hatte Balsiger trotz einschneidender Erlebnisse nie.
Er musste nach der Rückkehr in die Schweiz nie zum Psychiater, wurde kein Alkoholiker. Und trotzdem spricht Balsiger aus den Tiefen seines Herzens, wenn er Steiner sagen lässt: «Ach weisst du, für mich ist Vietnam kein Land. Es ist eine Erfahrung, ein Seinszustand.»
Peter Balsiger, «Der letzte Chindit – der geheime Opiumkrieg der CIA im Goldenen Dreieck», Münster
Buchvernissage im Kosmos, Zürich, am Donnerstag, 2. Juni, 20 Uhr