89 Jahre. Bei diesem Alter ist es verständlich, dass Clint Eastwood gebeugt geht. Der ehemals 1,90 Meter grosse Mann ist etwas geschrumpft. Und auch sein Gehör ist nicht mehr das beste. Man muss laut sprechen, damit Clint einen versteht. In seinem neuen Film «Richard Jewell» spielt er denn auch nicht selber die Hauptrolle, sondern der relativ unbekannte Paul Walter Hauser (33). Eastwoods Gedächtnis ist allerdings immer noch ausgezeichnet. An Hauser erinnerte er sich nämlich, als dieser vor drei Jahren im Drama «I, Tonya» eine Nebenrolle spielte.
Können Sie sich auch noch an die Karriere-Träume, die Sie in Ihren Anfangszeiten mit der Fernsehserie «Rawhide» hatten, erinnern?
Clint Eastwood: Mein grosser Traum war, endlich aus «Rawhide» aussteigen zu können (lacht). Ich habe die Serie am Anfang geliebt, doch dann ... Nun ja, ich wollte einfach etwas anderes machen. Also ging ich nach Italien, um dort Filme zu drehen. Die Spaghetti-Western kamen sehr gut an, also konnte ich auch in Amerika ein paar Filme drehen, die okay waren. Ab und zu hatte ich das Glück, dass einer richtig eingeschlagen hat.
Sie sind schon seit den 60er-Jahren in Hollywood …
… Ich habe schon 1953 angefangen! Da durfte ich in einem Film einen ganzen Satz sagen.
Sprich, Sie haben eigentlich schon alles gesehen.
Schön wärs. Meistens wenn du denkst, du weisst alles, realisierst du, dass du gar nichts weisst. Egal, wie viele Filme du schon gedreht hast, wie lange du schon gelebt hast – man hat nie ausgelernt!
Aber wissen Sie bei Ihrer Erfahrung nicht schon beim Lesen eines Drehbuchs, ob ein Film Potenzial hat?
Von wegen. Jedes Projekt ist wie Zocken in Vegas. Ich bin oft zur Hälfte mit einem Film fertig, wenn die ersten Zweifel kommen. Dann frage ich mich: Will das überhaupt jemand sehen? Am Ende ist es vor allem Glück, wie ein Film einschlägt. Und wie lautet doch das alte Golfspieler-Motto: Können ist gut, aber Glück zu haben, ist besser. Am gefährlichsten ist es, voreilig zu denken, alles sei perfekt. Das endet selten gut.
Der Sicherheitsmann Richard Jewell wurde bekannt, als er 1996 fälschlicherweise bezichtigt wurde, während der Sommer-Olympiade in Atlanta eine Bombe gezündet zu haben.
Er wurde von allen verdächtigt, weil er vom Aussehen und Background zum Bild des Bombers passte. Bei Jewell hat sich jeder von seinen Vorurteilen treiben lassen. Er ist das schlimmste Beispiel, was passieren kann, wenn man es mit der Wahrheit nicht so genau nimmt.
Die Gesellschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert, was sich auch auf Filme niederschlägt. Fällt es Ihnen manchmal schwer, mit der Zeit zu gehen?
Schwer zu sagen. Wir leben auf jeden Fall in einem neuen Zeitalter, und ich bin mir nicht immer sicher, ob die Dinge besser sind. Manchmal habe ich das Gefühl, wir entwickeln uns zurück. Besonders wenn es um Rassismus geht. Anderseits sind heute alle so überempfindlich. Ich bin in einer Zeit aufgewachsen, in der man sich noch fiese Dinge oder unschmeichelhafte Spitznamen an den Kopf werfen und darüber lachen konnte. Heute macht dir jeder ein schlechtes Gewissen, wenn du nicht genau auf der gesellschaftlich festgelegten Linie stehst.
Nur US-Präsident Donald Trump kommt mit allem davon.
Es ist der härteste Job der Welt. Einige Dinge, die er macht, sind gut, einige schlecht und andere hässlich. An einigen Tagen lese ich die Zeitung und denke mir: Das ist gar nicht so schlecht von ihm. Am nächsten Tag denke ich wieder: Lieber Gott, das ist die dümmste Person der Welt!
Sind Sie eigentlich Republikaner?
Mich hat keine politische Partei in der Tasche! Ich habe keine bestimmte politische Philosophie. Aber ich erkenne Dummheit, wenn ich sie sehe. Und davon sehe ich momentan auf allen Seiten sehr viel.
Im nächsten Mai werden Sie 90. Wollen Sie weiter Filme machen?
Ich weiss nicht, ob ich es bis dahin schaffe. Als ich vor 60 Jahren mit der Schauspielerei angefangen habe, hoffte ich, mich irgendwie durchschlagen zu können. Irgendwie schaffte ich es, noch immer hier zu sein und nicht in irgendeinem Seniorenheim vor mich hin zu vegetieren. Das verdanke ich wohl den Genen meines Grossvaters. Ich werde auf jeden Fall weitermachen, solange es mir möglich ist.
Viele Ihrer Filme, so auch «Richard Jewell», drehen sich um Aussenseiter. Was fasziniert Sie an diesen Menschen?
Diese Leute sind einfach spannender als Mainstream-Menschen. Ich fühlte mich zeitlebens ebenfalls als Outsider, habe mir darüber aber nie gross den Kopf zerbrochen.
Viele Senioren schwärmen von den guten alten Zeiten. Sie auch?
Nein. Ich bin auf einer Hühner-Farm während der grossen Wirtschaftskrise in den 30er-Jahren aufgewachsen. Das war eine harte Zeit, und alle waren depressiv. So viele Dinge sind heutzutage besser. Das schätze ich sehr. In meinem Leben gibt es keine guten alten Zeiten, es gibt höchstens Zeiten, die zwischendurch okay waren.
Clint Eastwood war als Kind schüchtern und introvertiert, er ging auf zehn verschiedene Schulen, arbeitete später als Holzfäller, Heizer, Tankwart und Lagerarbeiter. Als wortkarger Western- und Actionheld avancierte Clint Eastwood in den 60er-Jahren zum Mega-Star. Heute gehört er zu den respektiertesten Filmemachern Hollywoods. Er war zweimal verheiratet und hat acht Kinder, Sohn Kyle (51) ist ein bekannter Jazzmusiker.
Clint Eastwood war als Kind schüchtern und introvertiert, er ging auf zehn verschiedene Schulen, arbeitete später als Holzfäller, Heizer, Tankwart und Lagerarbeiter. Als wortkarger Western- und Actionheld avancierte Clint Eastwood in den 60er-Jahren zum Mega-Star. Heute gehört er zu den respektiertesten Filmemachern Hollywoods. Er war zweimal verheiratet und hat acht Kinder, Sohn Kyle (51) ist ein bekannter Jazzmusiker.