Trucker & Country-Festival Interlaken: Das heisst drei Tage lang laute Musik, dröhnende Motoren und Zehntausende von ausgelassenen Fans – auch bei der 25-Jahr-Jubiläumsausgabe vom kommenden Wochenende. Doch am Sonntagmorgen um zehn Uhr werden stets auch die wildesten Kerle ganz zahm, nämlich beim Gottesdienst von Pfarrer Claude Hämmerly (67) und Rock 'n' Roll-Legende Jacky Schmutz (73) – ein ungleiches Paar. «Ich bin kein Predigtgänger, aber wären alle Pfarrer so, müsste man in den Kirchen vorgängig Plätze reservieren.» Gegen 500 Menschen kommen jeweils, wenn Hämmerly spricht und Schmutz zu seinen Boogie-Woogie-Läufen ansetzt. «Er wählt starke Bilder und passende Worte und findet so den direkten Draht», sagt Schmutz. Hämmerly beschreibt es ähnlich. «Wichtig sind mir Humor und Lebensfreude, plus eine Prise Ironie. Ich will nicht missionieren und den Heiligen Geist einreiben. In meinen Predigten kommen Motorräder und der letzte Streit mit dem Nachbarn vor. Themen, welche diese Leute bewegen.»
«Beizen sehe ich nur von aussen»
Hämmerly war lange Militärseelsorger und fährt selbst Töff («eine 1250 BMW mit 110 PS»), 30 Jahre hat er vor seiner Pensionierung in der Region als Pfarrer gearbeitet. «Ich bin lieber unter dem Volk als auf der Kanzel.» Die Idee zum Gottesdienst stammt vom Oberländer Journalisten Alex Karlen. Dieser fand nach einem der ersten Festivals, etwas Spiritualität könnte dem Anlass nicht schaden. «Ich selbst bin eher ein Bergmensch und stehe gern allein auf einem Gipfel. Ich höre klassische Musik, Beizen sehe ich nur von aussen», sagt Hämmerly.
«Das ist brutal für einen Rock 'n' Roller»
Gerade diesen Kontrast findet Schmutz grandios. «Im Publikum gibt es viele, die ein Bier in der Hand haben oder rauchen, doch beim Gebet gehen alle in sich. Es ist wohl der einzige Gottesdienst, bei dem es Applaus gibt und die Leute auf den Bänken stehen.» Schmutz selbst verzichtet aus gesundheitlichen Gründen seit längerem auf Tabak und Alkohol. «Doch auf der Bühne fühle ich mich immer noch wie 40.» Am meisten freut er sich darauf, wenn er «Grosser Gott, wir loben dich» spielen kann, «das durfte ich bereits bei meiner eigenen Konfirmation, was auch schon ein paar Monate her ist», scherzt Schmutz. Welche der biblischen Geschichten Hämmerly diesen Sonntag auswählt, verrät er noch nicht. «Ich greife sicher ein grosses Drama auf, welches sich anschaulich in die Gegenwart übersetzen lässt.» Schmutz seinerseits macht sich höchstens Sorgen um die Zeit: «Damit wir wach sind für den Soundcheck, klingelt der Wecker bereits um sechs. Das ist brutal für einen Rock 'n' Roller.»