Carlos Santana (66) feierte seinen Durchbruch 1969 am Woodstock-Festival. In seiner 45-jährigen Karriere hat er mehr als 100 Millionen Alben verkauft, gewann zehn Grammys. Nun ist sein neues Album «CorazÓn» mit Gast-Stars wie Ziggy Marley (45), Gloria Estefan (56) und Rapper Pitbull (33) auf dem Markt.
BLICK traf das amerikanische Gitarrengenie mit mexikanischen Wurzeln in Madrid. Der Hut sitzt, der Schnauz ist frisch gestutzt, seine Augen blitzen, und er riecht nach herbem Parfum.
Ihr neues Album heisst übersetzt kurz und knapp «Herz». Weshalb?
Carlos Santana: Weil «Herz» als Symbol für die Liebe, fürs Menschlichsein, für Glück steht. Darin sowie durch Licht und Kraft sind alle Menschen miteinander verbunden. Wir sind alle eins.
Sie sind 66 und sehen topfit aus. Wie schaffen Sie das?
Ich bin sehr glücklich und vor allem auch sehr nüchtern. Ich habe früher gekifft wie ein Irrer. Meinen letzten Joint habe ich vor viereinhalb Jahren geraucht, die letzte Zigarette ebenfalls. Ich fühle mich fantastisch. Weil ich mich bewusst entschieden habe, kein Opfer von Drogen oder Umständen zu sein. Nehmen Sie Michael Jackson oder Whitney Houston, sie wurden Opfer ihrer selbst. Ich nicht.
Nie wieder Lust auf einen Joint verspürt?
Nein. Bevor ich ganz aufhörte, hab ich’s noch ein paar Mal versucht. Weil es früher irgendwie super war, bekifft Bob Marley zu hören. Doch dann fühlte ich mich zugedröhnt wie ein fahrendes Auto mit einem Motorschaden und habe definitiv aufgehört. Meine heutige Droge sind die Musik und mein inneres Licht. Würde ich heute einen Zug von einem Joint nehmen, würde mein körperliches und inneres System zusammenbrechen. Heute esse ich bewusst viel Gemüse und Früchte und trinke sehr viel Wasser. Meine wunderbare Frau erinnert mich stets daran, Wasser zu trinken.
Sie sind seit vier Jahren mit der bekannten Schlagzeugerin Cindy Blackman verheiratet. Auf ihrer neuen CD spielen Sie auch zusammen. Wie war die Zusammenarbeit mit Ihrer Frau?
Cindy ist wie ein Vulkan, reinste Energie. Die Aufnahme mit ihr, unser ganzes Leben ist so intensiv und speziell. Ich verliebe mich täglich mehr in sie. Sie ist meine Frau, meine Muse und spirituelle Freundin. Sie hat, wie Frauen generell, viel mehr weise Einsichten über ein gutes, gesundes und humanes Leben, als die meisten Männer.
Wie meinen Sie das?
Frauen sind Königinnen, Männer oft einfach Idioten. Das sehen Sie an den politischen Entscheiden, die zu Krieg führen und von machthungrigen Männern gefällt werden.
Sie liessen sich 2007 nach 34 Jahren Ehe von Deborah King scheiden. Wie ist heute Ihr Verhältnis?
Überaus warm und herzlich. Sie wird auch als Mutter meiner drei Kinder immer einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben bleiben. Wir begegnen uns mit Respekt und Verständnis für die Bedürfnisse des anderen. Sie wollte aus meinem Schatten treten und sich neu finden, deshalb hat sie mich damals verlassen. Das war sehr schmerzhaft.
Welche Werte haben Sie Ihren Kindern auf den Weg gegeben?
Nie auf jemand anderen zu hören als auf sich selbst.
Was sind die Highlights Ihres Lebens?
Jeder Tag ist der beste Tag in meinem Leben, jeder ein Highlight für sich. Ob ich vor 100 000 Menschen auftrete, die Ehe mit Deborah, meine Kinder, die Ehe mit Cindy. Jeder Moment ist der beste. Weil es um Licht, Liebe und Freude geht.
Sie arbeiten auf Ihrem neuen Album wieder mit Stars zusammen. Gabs dabei zickige Momente?
Überhaupt nicht. Jede Zusammenarbeit ergibt sich durch die positive Kraft des eigenen Wunsches und nie aufgrund eines Entscheids von Glück oder Zufall. Ich habe mir zum Beispiel lange gewünscht, Desmond Tutu zu treffen. Dieser Wunsch wurde wahr, ich unterhielt mich eine Stunde lang mit ihm, das bleibt unvergessen schön.
Nach welchem Motto leben Sie?
Verzeih deiner Vergangenheit, lebe deine Gegenwart und freu dich auf die Zukunft. Und man muss sich immer selbst treu bleiben und angstlos sein. Wir Menschen sind getrieben von Liebe und Angst. Das eine bringt dich weiter, das andere lähmt dich. Ich entscheide mich bewusst jeden Tag für die Liebe. Und helfe hoffentlich auch durch meine Musik mit, die dunklen Wolken in positive Energie und Freude umzuwandeln.
Fällt Ihnen das immer leicht?
Nicht immer, aber immer öfter. Denn ich weiss, dass es mich erfüllt und der einzig richtige Weg ist, ein wunderbares Leben zu leben. Ich vergleiche es immer so. Du stehst am Morgen auf und musst erst auf den Rücken eines Pferdes steigen. Mal geht das einfacher, mal nicht. Aber irgendwann ist man oben und fühlt sich gut.
Was raten Sie Jungen, die so gut Gitarre spielen wollen wie Sie?
Schalte den TV aus oder zumindest den Ton, das ist das Erste (lacht). Lass dann deine Finger eine Geschichte erzählen. Nimm Bob Marley oder Miles Davis auf einen Spaziergang mit. Es geht nicht ums Üben, sondern um die Liebe. Ich sage heute zu meiner Gitarre: Komm zu mir, Baby, und lass mich Spass haben.
Was ist sexier als eine Gitarre?
Mehr als nur eine Gitarre (lacht laut).
Wann treten Sie wieder einmal in der Schweiz auf?
Sicher nächstes Jahr. Ich liebe die Schweiz. Ich werde Montreux besuchen, um den Geist meines lieben Freundes Claude Nobs zu spüren. Gott hab ihn selig.