Herr Beltracchi, wie schwierig ist es, einen Picasso zu fälschen?
Für mich war es ein Kinderspiel.
Warum?
Weil er die Handschrift häufig geändert hat. Sein Werk bietet einem Fälscher viel mehr Spielraum als das eines Künstlers, der immer im selben Stil malt. Picasso ist für mich einer der grössten Maler überhaupt. Gerade weil er sich künstlerisch immer wieder neu erfand.
Sie haben angeblich mit zwölf erstmals einen Picasso gefälscht. Wie kam es dazu?
Mein Vater, der selbst Maler war, bat mich, zu Übungszwecken für ihn das Muttter-mit-Kind-Motiv aus der Blauen Periode zu kopieren. Ich habe es verändert, weil es mir nicht gefiel, habe zum Beispiel das Kopftuch der Frau weggelassen.
Seither haben Sie keine Bilder mehr kopiert, sondern neue gemalt in der Handschrift der jeweiligen Künstler. Warum sind Sie vierzig Jahre lang nicht aufgeflogen?
Weil ich einen genetischen Defekt habe: Wenn ich ein Bild nur anschaue, habe ich mir die Handschrift des Künstlers bereits angeeignet und kann sie perfekt umsetzen. Hinzu kommt, dass ich mich voll in das Leben eines Künstlers hineinversetzen kann. Ich werde nachts wach und rieche die Scheisse, die im 17. und 18. Jahrhundert auf den Pariser Strassen lag.
Sie übertreiben.
Nein, ich reise in meinen Träumen in die Zeiten, in denen ein Künstler gelebt hat. So habe ich immer eine Lücke in seinem Werk gefunden. Ich malte Bilder im Namen eines Künstlers, die er eigentlich selbst hätte malen müssen.
Wie viele haben Sie im Namen Picassos gemalt?
Nicht viele. Ich habe mich auf weniger bekannte Künstler konzentriert.
Aus taktischen Gründen?
Nein, weil sie mir gefielen. Und weil ich viele davon unterbewertet fand. Campendonk zum Beispiel.
Bevor sie aufflogen, galt eine Ihrer Fälschungen als «bester Campendonk». Könnten Sie auch den besten Picasso malen?
Sagen wir, einen der besten, ja. Es gibt viele schlechte Bilder von Picasso. Was normal ist für einen Künstler, der so einen grossen Output hat.
Das Picasso-Werk «Garçon à la Pipe», das im Beyeler zu sehen sein wird, wurde für 138 Millionen versteigert. Wie gerechtfertigt sind solche Preise?
Ein Picasso könnte auch 500 Millionen kosten. Am Ende ist das eine reine Glaubensfrage. Wie sehr glaube ich daran, dass ein Werk so viel wert ist? Am besten zeigt sich das bei diesem angeblichen Leonardo-da-Vinci-Gemälde, das 2017 für fast eine halbe Milliarde verkauft wurde.
Wolfgang Beltracchi (67) fälschte während 40 Jahren mehr als 300 Bilder, darunter Werke von Picasso und Braque. Seine Frau Helene Beltracchi (60) verkaufte die Meisterwerke der Täuschung für Millionen auf dem Kunstmarkt. 2010 kam die Sache ans Licht, Beltracchi wurde zu sechs Jahren Haft verurteilt, von denen er fünf absass, seine Frau zu vier. Heute malt der Deutsche in Meggen LU unter seinem eigenen Namen. Wie viele seiner Fälschungen noch unentdeckt in Museen hängen, weiss niemand.
Wolfgang Beltracchi (67) fälschte während 40 Jahren mehr als 300 Bilder, darunter Werke von Picasso und Braque. Seine Frau Helene Beltracchi (60) verkaufte die Meisterwerke der Täuschung für Millionen auf dem Kunstmarkt. 2010 kam die Sache ans Licht, Beltracchi wurde zu sechs Jahren Haft verurteilt, von denen er fünf absass, seine Frau zu vier. Heute malt der Deutsche in Meggen LU unter seinem eigenen Namen. Wie viele seiner Fälschungen noch unentdeckt in Museen hängen, weiss niemand.
Warum «angeblich»?
Weil ich die Handschrift von da Vinci kenne und weiss, dass dieses Bild nicht von ihm ist. Dieser Jesus mit der Glaskugel in der Hand – da Vinci hätte sich dafür geschämt, so etwas zu malen. Das Bild, so wie es heute ist, wäre höchstens 10'000 Dollar wert.
Sam Keller, der die Ausstellung im Beyeler organisierte, hat Sie in einem Interview als einen talentierten Pinsler bezeichnet, der damit kokettiert, Menschen betrogen zu haben.
Wissen Sie, was Menschen wie Sam Keller nicht gefällt? Dass ich mich einen Scheissdreck um den Kunstmarkt schere und ohne ihn existieren kann.
Jetzt sprechen Sie über die Zeit, nachdem Sie aufgeflogen sind. Davor profitierten Sie sehr vom Kunstmarkt. Oder nicht?
Ja, er ermöglichte meiner Familie ein sehr schönes Leben. Ich habe eine Straftat begangen und wurde zu einem Freiheitsentzug verurteilt, den ich verbüsst habe. Dass ich ganze sechs Jahre dafür bekam – daran waren die Leute vom Kunstmarkt nicht unbeteiligt.
Wie meinen Sie das?
Einige wenige entscheiden dort, wer mit Kunst Geld verdienen darf und wer nicht. Die meisten Menschen machen sich überhaupt kein Bild davon, was Top-Künstler, ihre Manager und Galeristen verdienen. Das sind nicht ein paar Millionen pro Jahr, sondern Hunderte. Dass ich ohne Sie zurechtkomme, verkraften die nicht. Vor allem jetzt, wo ich für ein grosses Bild, das ich mit meinem Namen signiere, schon 300'000 Franken verlangen kann.
Jetzt sind Sie selbst ein überbezahlter Künstler.
Nein, weil ich den Markt nicht befriedige. Dass ein Galerist zu mir kommt und mir sagt, ich soll das malen, was sich gut verkauft, gibts bei mir nicht. Ich befriedige einzelne Leute, die meine Bilder mögen. Die kaufen sie deshalb.
Hatten Sie gegenüber den Künstlern, unter deren Namen Sie malten, nie ein schlechtes Gewissen?
Aber ganz sicher nicht. Die waren ja alle tot.
Man kann auch gegenüber jemandem ein schlechtes Gewissen haben, der nicht mehr lebt.
Wenn man denjenigen schlechtmacht, ja. Aber ich glaube nicht, dass ich das getan habe, im Gegenteil. Ohne mich wäre Campendonk heute nicht so teuer, wie er ist. Dank dem Skandal damals explodierten die Preise seiner Bilder. Der Kunstmarkt sollte sich also nicht allzu laut über mich beklagen.
Wie gross schätzen Sie die Möglichkeit, dass eines der Bilder in der Picasso-Ausstellung im Beyeler nicht vom Künstler selbst stammt?
Gegen null. Sein Frühwerk ist zu gut dokumentiert.
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