Ich war ein etwas verschrobenes Kind. Eines meiner Hobbys bestand darin, Tiernamen aus meinen Büchern auswendig zu lernen. Dabei habe ich zum ersten Mal von einer «gemeinen» Art gelesen. Es gibt etliche «gemeine» Spezies: die Gemeine Teichmuschel, der Gemeine Kurznasenflughund oder der Gemeine Ohrwurm. «Gemein» ist hier als «gewöhnlich» zu verstehen.
Jede Tierart trägt einen lateinischen Namen, die Wissenschaft verwendet vor allem diese Bezeichnungen. Wie wir die Tiere auf Deutsch nennen, wird etwas abschätzig als Trivialnamen bezeichnet. So trivial aber ist die Sache mit der Namensgebung nicht. Zum Beispiel, wenn man sich als Kind den Kopf darüber zerbricht, was die Gemeine Teichmuschel Schlimmes angestellt hat.
Manche Tiere hätten das Prädikat «gemein» tatsächlich verdient – zumindest aus menschlicher Warte. Aber unsere Kategorien von «gut» und «böse» sollten wir nicht auf die Tierwelt anwenden. Nicht einmal bei der Gemeinen Küchenschabe.
Putzen kann helfen
Wenn wir von Küchenschaben oder Kakerlaken sprechen, meinen wir verschiedene Arten. Neben der Gemeinen Küchenschabe gibt es die Deutsche Schabe, die ebenfalls in Küche und Bad auftaucht. Oder die Braunbandschabe, die gern in alte Telefonhörer oder Computer kriecht – und dort sogar technische Störungen auslösen kann. Sowie die Australische und Amerikanische Schabe.
Die Gruppe der Schaben zählt über 4500 Arten. Seit 350 Millionen Jahren (!) haben sie sich kaum verändert. Nur die fünf genannten Schaben gelten bei uns als Schädlinge (auch so eine menschliche Wertung). Sie ernähren sich von unseren Nahrungsmitteln und lassen darin ihren Kot fallen, dabei können sie Krankheitserreger übertragen. Putzen kann helfen, muss aber nicht – denn die Schaben können auch aus Nachbarwohnungen einwandern. Oder, Empfindliche jetzt nicht weiterlesen, aus der Kanalisation aufsteigen.
Deutschland in den Tropen
Wie absurd die Namensgebung manchmal ist, beweist das Beispiel der Deutschen Schabe. Sie stammt nämlich ursprünglich aus den Tropen. In unseren Breitengraden überlebt sie nur in warmen Räumen. Bei unter 4 Grad Celsius ist sie nicht mehr fähig, sich zu bewegen. Sie musste auch herhalten, um andere Bevölkerungsgruppen zu beleidigen: So wurde sie auch Russe oder Franzose genannt. Das nenne ich gemein.
Simon Jäggi (38) ist Sänger der Rockband Kummerbuben, arbeitet im Naturhistorischen Museum Bern und hält Hühner. Wissenschaftlicher Rat: Prof. Christian Kropf. Jäggi schreibt jeden zweiten Freitag im BLICK.