«Bestatter» Mike Müller über die turbulenten Anfänge, Mitleid mit SVP-Politikern und warum er am Samstagabend nur Velo fährt
«Ich mache gerne Sport, auch wenn man mirs nicht ansieht»

Heute Dienstagabend läuft die erste Folge der letzten Staffel von «Der Bestatter» (SRF 1, 20.05 Uhr). BLICK hat mit Hauptdarsteller und Aushängeschild Mike Müller über den Erfolg, die Gründe fürs Aufhören und seine Zukunft beim Circus Knie gesprochen.
Publiziert: 08.01.2019 um 01:28 Uhr
|
Aktualisiert: 08.01.2019 um 10:56 Uhr
1/11
Nebst der letzten «Bestatter»-Staffel ist Mike Müller zurzeit auch in den Stücken «Giacobbo/Müller in Therapie» und «Heute Gemeindeversammlung» zu sehen.
Foto: Thomas Meier
Interview: Jean-Claude Galli

Gut gelaunt erscheint «Bestatter»-Darsteller Mike Müller (55) im Restaurant Markthalle in Zürich zum Interview. Er trägt Schal und Mütze, doch er kommt nicht von der Piste. «Ich fahre nicht Ski wegen dem Knie», scherzt er und spielt auf die kommende Tour mit dem Circus Knie an.

BLICK: Die letzte Staffel ist abgedreht und der Bart weg. Alles definitiv?
Mike Müller: Mit der Ausschliesslichkeit ist es so eine Sache. «Der Bestatter» ist wirklich am Ende. Doch einen Bart wird es vielleicht irgendwann wieder geben. Allerdings nicht das «Bestatter»-Modell, das war nicht mein Lieblingsbart. Doch hat er gut zur Rolle gepasst. Er war eine Erfindung von Produzent Markus Fischer, mit dem ich die Rolle entwickelte. Der Bart grenzte mich ab von dem Bild, welches die Leute sonst von mir haben. Doch der Bart war mühsam und gab viel zu tun. Man musste ihn jeweils akkurat stutzen am Morgen. Die Maskenbildnerin hätte jedes Haar gesehen.

Welche Frage hören Sie zurzeit am häufigsten?
Stirbt Luc Conrad oder stirbt er nicht?

Nun?
Wir haben uns für eine pragmatische Lösung entschieden. Mehr verrate ich nicht. Das gehört zum Krimi. Wenn ich es jetzt sagen würde, wärs aber auch nicht tragisch. Viele sagten immer, der Bestatter müsse unbedingt sterben, untermalt mit opulenten Beerdigungsszenen. Ich fand stets, das ist so naheliegend bis langweilig, da lohnt es sich doch, über andere Lösungen nachzudenken. 

War der «Bestatter» von Beginn weg ein Erfolg?
Wir starteten kalt und mussten ziemlich schnell entscheiden damals. 2012 drehten wir im Januar noch einen Pilot und mussten dann vier Drehbücher härechlepfe. Heute würde man das gar nicht mehr hinkriegen. Die Verantwortlichen würden sagen: Seid ihr noch ganz bei Trost? Das war schon ein Hosenlupf, und wir hätten grausam abstürzen können. Die guten Startquoten – über 40 Prozent – überraschten und überzeugten schliesslich alle.

Haben Sie noch mal reingeschaut in die Anfänge?
Ich habe jetzt gerade die erste Folge wieder gesehen, das ist in der Regel nicht lustig. Doch ich fand sie wirklich gut. Es gab zwar schon ein paar Holprigkeiten, Schnitte, die nicht passten und so weiter. Doch im Grossen und Ganzen war es sehr o.k. Dass etwas funktioniert, dazu braucht es Glück und den richtigen Moment. Einen passenden Kameramann, Ausstatter und Produzenten, der bei uns auch Regie führte. Das ermöglichte dieses Obskure, diesen klaren Look.

Nach der 7. Staffel ist Schluss mit «Der Bestatter»
0:26
Mike Müller verkündet das Ende:Nach der 7. Staffel ist Schluss mit «Der Bestatter»

Und Sie nahmen einen Trend auf, «Six Feet Under» war damals in.
In der Serienwelt fand seit den 80er-Jahren grundsätzlich eine Explosion punkto Stoffen und Erzählweisen statt, auch ins Absurde rein. «Die Sopranos» waren das Erste, was mich wirklich umgehauen hat. Grundsätzlich: Man sollte den Zuschauer nie unterschätzen. Er kann mehreren Handlungssträngen folgen und begreift auch verschachtelte Erzählweisen.

Beim Krimi waren Sie insofern etwas eingeschränkt.
Dort gibt es zwei Varianten: Entweder ist die Täterfrage offen oder der Zuschauer weiss schon vor dem Ermittler, wer der Böse ist. Wir kamen vor allem zu einem günstigen Zeitpunkt und hatten eine starke Grundidee, einen Krimi etwas anders zu erzählen. Den Grundstoff lieferte der deutsche Autor Hartmut Block. Und zwar zu einem Film, nicht zu einer Serie. Im Nachhinein ist es immer einfach zu sagen, warum etwas funktioniert hat. Sicher braucht es kurze Entscheidungswege und eine überschaubare Grösse. Einen kleinen Sender, der schnell reagieren kann.

Wo geht der Trend hin? Ist es nicht von gestern, sich über den Tod lustig zu machen? Terror und die unsichere Lage beunruhigen die Menschen.
Ich würde Ihnen da diametral widersprechen. Terror gab es immer, schon in den 70er-Jahren. Nicht nur durch die RAF, die damals drei Tramhaltestellen von hier einem Polizisten in die Brust schoss und auch eine unbeteiligte Passantin traf. Vielleicht ist das obskure Erzählen vorbei. Aber Trends festzumachen, ist eine journalistische Aufgabe, nicht jene des Künstlers. Ich denke, der «Bestatter» ist grundsätzlich etwas in die Jahre gekommen. Nicht vom Tempo her, sondern von der Erzählstruktur.

Beim letzten Interview haben Sie angedeutet, es gebe gemeinsame Serien-Pläne mit dem SRF.
Ich muss Sie enttäuschen, das hat sich nicht konkretisiert. Das SRF prüft ständig Stoffe. Und auch ich habe Ideen. Aber ich brauche mal drei Monate Ruhe, in denen ich daran arbeiten kann. Was dann genau daraus wird, steht in den Sternen. Ich bin ja auch nicht im Streit mit dem SRF auseinander, im Gegenteil. Wir haben den Entscheid zusammen gefällt. Was gut ist, denn wir waren teuer. Fiktion ist das Teuerste, was man am Fernsehen machen kann. Und wir waren ein nicht unbedeutender Posten.

Der Philosoph als Totengräber

Mike Müller kam am 25. Oktober 1963 in Grenchen SO zur Welt. Bereits während des Gymnasiums spielte er Theater. Er studierte Philosophie und schloss mit dem Lizenziat ab. Schweizweit bekannt wurde Müller mit seinen Parodien in «Viktors Spätprogramm». Von 2008 bis 2016 führte er mit Viktor Giacobbo durch die Sendung «Giacobbo/Müller». Und seit Anfang 2013 verkörpert er die Hauptfigur Luc Conrad im SRF-Krimi «Der Bestatter», die im Februar 2019 zu Ende ging.

Mike Müller kam am 25. Oktober 1963 in Grenchen SO zur Welt. Bereits während des Gymnasiums spielte er Theater. Er studierte Philosophie und schloss mit dem Lizenziat ab. Schweizweit bekannt wurde Müller mit seinen Parodien in «Viktors Spätprogramm». Von 2008 bis 2016 führte er mit Viktor Giacobbo durch die Sendung «Giacobbo/Müller». Und seit Anfang 2013 verkörpert er die Hauptfigur Luc Conrad im SRF-Krimi «Der Bestatter», die im Februar 2019 zu Ende ging.

Hat es Sie nie genervt, auf den «Bestatter» reduziert zu werden?
Viktor Giacobbo und ich haben neun Jahre lang den Sonntagabend gemacht, ich jetzt sieben Jahre den «Bestatter». Wenn man Fernsehen macht, muss man nicht grännen, wenn man erkannt wird. Und die Leute meinen es nie böse, im Gegenteil. Schauspieler und Komiker sind in der Schweiz auf der Schoggiseite, was das Ansprechen angeht. Im Gegensatz zu SVP-Exponenten, die sich unglaubliche Sachen bieten lassen müssen – als gewählte Politiker. Das finde ich grundsätzlich eine Sauerei, abgesehen von allen Parteizugehörigkeiten und Meinungen. Wir werden wenigstens anständig behandelt. Gut, am Freitag- und Samstagabend, wenn die Leute Alkohol intus haben, ist Tramfahren nicht so eine gute Idee. Dann nimmt man halt das Velo.

Stimmt es, dass der «Bestatter» aus einer Sparübung entstanden ist?
Kurz davor passierte beim SRF eine Umstrukturierung, das ist richtig. Man sparte und entliess Leute, auch solche, die ich kannte. Es liegt aber ebenfalls auf der Hand, dass eine Firma dieser Grösse ab und zu das Geschäft trimmen muss. Natürlich gibt es dort auch Stellen und Personen, bei denen ich denke: An einem Burnout leidet der bestimmt nicht. Doch faule Eier liegen überall, das hat mit staatlich oder privat gar nichts zu tun.

Kennen Sie die neue Chefin Nathalie Wappler?
Ich kenne sie von ihrer ersten SRF-Zeit her und mag sie. Sie ist eine höchst gescheite Person, wie übrigens auch der neue Unterhaltungschef Stefano Semeria. Ich schätze Menschen, die nicht nur übers Geschäft sprechen und einen breiten Horizont haben. Menschen, bei denen man weiss, wofür sie einstehen. Die nicht nur loben und dir auf die Schulter klopfen. Stetes Lob in einem solchen Betrieb ist gefährlich, weil sich dann alle nur noch toll finden und sich nicht mehr weiterentwickeln. Und bloss dafür wären die Gebühren wirklich zu hoch.

Nun gehen Sie mit dem Circus Knie auf Tournee. Wann packen Sie?
Viktor Giacobbo und ich sind schon dran. Die Kostüme sind fertig, die liessen wir beim SRF machen. Die Kostümfrauen dort kennen unsere Figuren. Wir sind wie wild am Schreiben, und in dieser Woche beginnen die Proben. Was wir genau machen, wissen wir aber schon lange. Wir arbeiten mit den bekannten Figuren, müssen wir auch. Zirkus ist eine Mainstream-Veranstaltung. Die Leute kommen wegen dem Knie, nicht wegen uns. Wenn ein paar mehr den Weg finden, umso besser. Wann wir die Wagen beziehen? Da bin ich überfragt. Doch das Premierendatum weiss ich auswendig: 21. März 2019 in Rapperswil.

So wie wir Sie kennen, haben Sie sich für 2019 keine Vorsätze gefasst.
Doch, sehr wohl. Ich muss mich unbedingt wieder mehr am Riemen reissen (schlägt sich auf den Oberkörper). Wieder mehr Sport machen und weniger Kohlenhydrate essen.

Das tönt nicht gut. Sind Sie denn wieder schwerer geworden?
Ehrlich gesagt, weiss ich das gar nicht. Aber Fitness ist mir wichtig. Meine Rollen schaffe ich nur, wenn ich gut trainiert bin. Und auch wenn man es mir nicht ansieht: Ich mache gerne Sport und trainiere vier, fünf Mal pro Woche, Kraft und Ausdauer. Jetzt noch auf dem Laufband, im Sommer schwimme ich dann wieder im See. Das ist das Allerschönste.

«Der Bestatter» in Zahlen

Bis zum 12. Februar läuft die siebte und finale Staffel (dienstags, SRF 1, 20.05 Uhr). Seit der Erstausstrahlung 2013 erschienen 40 Folgen mit einer Laufzeit von 2400 Minuten, aufgenommen an 436 Drehtagen. Hinter den Kulissen wirkten 16 Autoren sowie 8 Regisseure mit, die Anzahl Drehbuchseiten belief sich auf 2500. Insgesamt waren 4580 Mitarbeiter und Komparsen beteiligt, die während der Pausen 36'960 Sandwiches verspeisten. Lohnkosten: 7,5 Millionen Franken; Anzahl Kostüme: 1850. Anzahl Toter bisher: 74; Anzahl Morde: 43; Anzahl Bestattungen: 29.

Bis zum 12. Februar läuft die siebte und finale Staffel (dienstags, SRF 1, 20.05 Uhr). Seit der Erstausstrahlung 2013 erschienen 40 Folgen mit einer Laufzeit von 2400 Minuten, aufgenommen an 436 Drehtagen. Hinter den Kulissen wirkten 16 Autoren sowie 8 Regisseure mit, die Anzahl Drehbuchseiten belief sich auf 2500. Insgesamt waren 4580 Mitarbeiter und Komparsen beteiligt, die während der Pausen 36'960 Sandwiches verspeisten. Lohnkosten: 7,5 Millionen Franken; Anzahl Kostüme: 1850. Anzahl Toter bisher: 74; Anzahl Morde: 43; Anzahl Bestattungen: 29.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?