Beim Winterspaziergang spricht Kurt Aeschbacher (71) über Hunde, Hochzeit und sein Leben nach dem TV
«Plötzlich hatte ich keine klare Struktur mehr»

Kurt Aeschbacher (71) zeigt sich beim Spaziergang mit seinem Labrador nachdenklich. Seine Karriere verdanke er nur Zufällen. Man werde ihn vergessen. Und es werde nie ein Grab geben, das an ihn erinnere.
Publiziert: 03.01.2020 um 22:37 Uhr
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Aktualisiert: 04.01.2020 um 09:40 Uhr
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Kurt Aeschbacher und BLICK-Redaktor Peter Padrutt beim Winterspaziergang.
Foto: Daniel Desborough
Interview: Peter Padrutt

Das Kloster Fahr bei Zürich. Aus dem Nebel blinzelt erstmals die Sonne hervor an diesem Tag. TV-Star Kurt Aeschbacher (71) und BLICK-Redaktor Peter Padrutt spazieren mit ihren Labradorhunden Amélie (2) und Lime (9) entlang der Limmat. Ob es an den Hunden liegt? Jedenfalls kommt es zu einem Gespräch, wie sie es noch nie geführt haben.

BLICK: Wir kennen uns seit einer halben Ewigkeit, darum duzen wir uns auch, aber wir sind noch nie mit unseren Hunden spazieren gegangen.
Kurt Aeschbacher: Stimmt. Wir haben sonst immer übers Fernsehen gefachsimpelt. Und jetzt begegnen wir uns auf diesem gemeinsamen Spaziergang plötzlich ganz anders. Unbefangen. Ohne den beruflichen Rucksack. Den Hunden sei Dank. Sie helfen, über unsere Gefühle und die Essenz des Daseins nachzudenken. Lime und Amélie spurten ja jetzt grad wie die Wilden herum. Für sie zählt nur dieser eine Moment. Vielleicht ist da das wahre Glück versteckt. In der Fähigkeit, im Augenblick zu leben.

Ich gebe zu, wenn ich manchmal allein mit dem Hund die Limmat entlangstreife, dann spreche ich mit Lime. Das ist mir etwas peinlich.
Warum denn? Ich rede auch oft mit Amélie. Manchmal bloss mit den Augen und mit kleinen Gesten. Ich bin überzeugt, dass uns Hunde «lesen» können. Diese Nähe zwischen Hund und Mensch ist ja historisch gewachsen. Ursprünglich als nützliche Gemeinschaft zwischen Wölfen und dem Homo sapiens. Die Vierbeiner fanden in der Nähe der Menschen Futter, und die Jäger profitierten vom Instinkt der Wölfe. Das führte im Lauf der Jahrtausende zu dieser innigen Symbiose. Aus dem wilden Wolf wurde der menschenbezogene Hund. Einen Hauch von Wolf spüre ich aber auch noch bei unserer Amélie. Damit sie nicht vergisst, wer der Rudelführer ist, mache ich mit ihr auf jedem Spaziergang ein paar Übungen. So bleibt klar, wer der Chef ist, und sie verlernt nicht, was sie in der Ausbildung zum Blindenhund in Allschwil BL gelernt hat.

Erinnerst du dich eigentlich an unsere erste Begegnung? Das war vor 23 Jahren. Ich habe dich im BLICK in die Pfanne gehauen. Du hättest den Biss verloren. Dann hast du mir einen bösen handgeschriebenen Brief geschrieben – mit Tinte.
Ja, aber dann haben wir uns bei einem Essen versöhnt. Mit Hunden wäre es wohl noch schneller gegangen.

Mal ehrlich, hast du dir einen Hund zugelegt, weil du Angst hattest, in ein Loch zu fallen?
Sich einen Hund als Therapie für ungelöste Lebensprobleme anzuschaffen, fände ich unverantwortlich. Mit dem abrupten Ende unserer Sendung brauchte ich aber Antworten zur Frage: Was gibt eigentlich meinem Dasein Sinn? Gedanken, mit denen ich mich schon lange befasste. Aber plötzlich war das alles Realität. Ich müsste lügen, dass mich das nicht verunsicherte. Keine klare Struktur mehr im Alltag. Es fehlen diese wöchentlichen Begegnungen mit aussergewöhnlichen Menschen. Zum Glück misstraute ich jedoch stets der Präsenz am Bildschirm und engagierte mich seit Jahren auch für andere Aufgaben. Die Arbeit für Unicef, die Auseinandersetzung mit eigenen Unternehmen und nicht zuletzt die Umsetzung meiner Gartenvisionen in Südfrankreich. Als dann auch noch unser alter Labrador Bombay starb, durchstöberten mein Lebenspartner Leonardo und ich gemeinsam Inserate aus Tierheimen, bis uns völlig überraschend Amélie zugefallen ist. Sie sollte eigentlich Blindenführhund werden, hat das dann aber nicht ganz geschafft.

Und Leonardo kümmert sich jetzt auch um Amélie?
Na klar, wahrscheinlich wird mich Amélie sowieso überleben – sie ist zwei Jahre jung und ich 71 Jahre alt. Bombay, Amélies Vorgänger, wurde 17. Da verpflichtet man sich – für viele Jahre.

Ach komm, vielleicht wirst du ja 93 wie deine Mutter. Apropos Elternhaus: Ich stelle mir vor, dass du wohlbehütet und gutbürgerlich, umgeben von Kunst, aufgewachsen bist. Als sensibles Kind.
Sensibel bin ich wohl, aber in bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen. Mein Vater war Beamter und verantwortlich für die Berner Sanitätspolizei. Daneben ein engagierter Sozialdemokrat. Ein hilfsbereiter Mensch, der sich in seiner ganzen Freizeit um Benachteiligte kümmerte, ohne daraus ein Aufheben zu machen. Er konnte zuhören, hat geholfen, wenn es Not zu lindern gab und war mir mit seinem ehrlichen, sozialen Engagement ein grosses Vorbild.

Du arbeitest nach wie vor viel, hast immer neue Businessideen. Du hast doch genug Geld. Warum legst du dich nicht mehr zur Ruhe?
Mich zur Ruhe legen wäre für mich wie gelangweilt auf den Tod zu warten. Ich will doch der Zeit, die mir bleibt, einen Inhalt geben. Mich interessieren neue Ideen, die Zusammenarbeit mit jungen Menschen. Ich wollte in meinen Leben immer etwas bewegen, Neues lernen. Machen und nicht lamentieren. Diese Neugier verschwindet doch nicht, nur weil ich jetzt nicht mehr für das SRF arbeite. Abgesehen davon könnte ich es mir gar nicht leisten, die nächsten Jahrzehnte nur noch auf teuren Kreuzfahrten zu verbringen.

Übrigens: Hunde haben es gut. Sie machen sich keine Sorgen um die Zukunft, weil sie das nicht können.
Genau, weil sie stets nur das tun, was uns oft schwerfällt: Im Moment zu leben. Wir sind stolz auf unseren analytischen Verstand, der uns zu ausserordentlichen Leistungen befähigt. Hunde leitet einzig ihr Instinkt. Sie sind sich – im Gegensatz zu uns – ihrer Endlichkeit bewusst und kennen keine Angst vor dem Tod. Das gibt ihnen diese Unbeschwertheit, die auch uns Hundehalter inspiriert. Sie sind einfach da, zeigen uns ihre Freude. Deshalb habe ich übrigens auch die Aufgabe angenommen, in diesem Jahr für die Kynologische Gesellschaft als Hundebotschafter zu amten.

Hunde wollen uns gefallen, für uns da sein.
Und drum haben wir ihnen gegenüber auch eine grosse Verantwortung. Ich schäme mich heute noch, als ich unsere erste Hündin damals im Stress nach einem Einkauf schlicht vor dem Supermarkt vergass und das erst viel später zu Hause fassungslos merkte. Mir fiel ein Stein vom Herzen, als ich sie ruhig wartend vor dem Geschäft wiederfand. Sie vertraute darauf, dass alles gut wird.

Wir haben bis jetzt noch gar nicht übers TV gesprochen. Hund sei Dank! Guckt Aeschbi eigentlich noch Glotze?
Nur punktuell – es interessieren mich einfach zu viele andere Dinge. Oder sagen wir so: Die Absetzung unserer Sendung hat mir geholfen, mich in gewisser Hinsicht neu zu erfinden. Ich war fast 40 Jahre parat. Immer auf Adrenalin, nie krank. Ich liess keine einzige meiner Sendungen ausfallen. Das hat mich absorbiert. Heute kann ich mich für die Vorbereitung eines Vortrags intensiv mit gesellschaftlichen Fragen auseinandersetzen, Bücher wichtiger Autoren lesen oder mich als Herausgeber von «50plus» mit der notwendigen Sorgfalt um die journalistischen Inhalte des Magazins kümmern.

Mir fällt gerade auf: Nach einem Jahr ohne Bildschirmpräsenz grüssen dich die Leute immer noch nett.
Ja, die Leute sind ausnahmslos freundlich zu mir. Das freut mich. Aber man wird mich bald vergessen.

Wirklich? Nicht so bald.
Doch, und das ist gut so. Ich habe auch verfügt, dass es nach meinem Tod keine Abdankung geben wird, kein Grab. Dass ich angeblich berühmt oder bekannt wurde, ist einer Summe von glücklichen Zufällen zu verdanken. Man sollte sich nie überschätzen.

Aber so weit denken wir jetzt nicht. Heiratest du jetzt deinen Freund?
Die Ehe für alle gibt es in der Schweiz immer noch nicht. Obwohl das längst an der Zeit wäre. Aber wir haben eben die Unterlagen für eine eingetragene Partnerschaft eingereicht. Also, es geht voran.

Von der Grün 80 zum TV-Star

Kurt Aeschbacher kam 1948 in Bern zur Welt. Er schloss ein Studium in Wirtschaft ab und wurde später Vizedirektor der Grün 80. Seit 1981 moderierte er Sendungen wie «Karussell» «Grell-pastell», «Casa Nostra» und seit 2001 seine Talkshow «Aeschbacher», die auf Ende letzten Jahres abgesetzt wurde. Er ist auch als Unternehmer erfolgreich – seit kurzem ist er an einem Onlineshop für Schweizer Handwerkskunst beteiligt.

Kurt Aeschbacher kam 1948 in Bern zur Welt. Er schloss ein Studium in Wirtschaft ab und wurde später Vizedirektor der Grün 80. Seit 1981 moderierte er Sendungen wie «Karussell» «Grell-pastell», «Casa Nostra» und seit 2001 seine Talkshow «Aeschbacher», die auf Ende letzten Jahres abgesetzt wurde. Er ist auch als Unternehmer erfolgreich – seit kurzem ist er an einem Onlineshop für Schweizer Handwerkskunst beteiligt.

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