Bauchredner Marco Knittel über seinen berühmten Vorfahren
«Mein Urgrossonkel war kein Nazi!»

Heute vor 50 Jahren starb der grosse Roman-Autor John Knittel in der Bündner Herrschaft. Sein Urgrossneffe Marco Knittel erinnert sich an den Weltenbummler, dessen grösster Erfolg «Via Mala» sich millionenfach verkaufte.
Publiziert: 26.04.2020 um 11:19 Uhr
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Der Schweizer Schriftsteller John Knittel (1891–1970). 1938 zog er in die Bündner Herrschaft und kaufte ein Anwesen oberhalb von Maienfeld.
Foto: Keystone
Peter Padrutt

Den Tod von Romancier John Knittel (1891–1970) heute vor 50 Jahren hat sein Urgrossneffe Marco Knittel (42) nicht erlebt. Dennoch hat der Bauchredner das Leben seines grossen Ahnen, der von 1938 bis zu seinem Tod in Maienfeld GR lebte, akribisch verfolgt. «Wir Knittels stammen ursprünglich aus Baden-Württemberg und kamen dann nach Basel», sagt er. «Darunter waren immer viele Künstler.»

Zur Welt kam John Knittel als Sohn eines Basler ­Missionars im indischen Dharwar, wo er die ersten drei Lebensjahre verbrachte. Dann kehrte die Familie nach Basel zurück, wo der junge Knittel am Gymnasium als «staunenswerter Fremdling» galt. Er wird zum Weltenbummler, lebt in London, Lissabon, Marrakesch und Kairo. Bereits 1915 heiratet er die 17-jährige Frances Rose White Mac Bridger, der er bis zu seinem Tode treu blieb. Seine Romane mit exotischen Stoffen schreibt er alle auf Englisch, darunter Bestseller wie «El Hakim» oder «Terra Magna». Sein grösster Erfolg wird aber das düstere Vatermord-Drama «Via Mala», mehrfach verfilmt, unter anderem mit Gert Fröbe (1913–1988).

Nach dem Krieg wurde es stiller um «den Schweizer Karl May», dessen Anwesen in der Bündner Herrschaft zum Treffpunkt vieler Künstler wird – dazu zählten der Komponist Richard Strauss (1864–1949) und der Dirigent Wilhelm Furtwängler (1886–1954). Knittels Tochter Margaret, eine bekannte Konzertpianistin, hatte Furtwänglers Sohn, einen Arzt, geheiratet und lebte mit ihm später in Maienfeld.

Graue Wolken zogen auf, als sich herausstellte, dass der Erfolgsautor Knittel mehrmals zu Lesungen ins Nazi-Deutschland gereist war. Vor allem dass er von NS-Propagandaminister Joseph Goebbels (1897–1945) bei jedem Berlin-Aufenthalt in sein Privathaus eingeladen worden war, auch Knittels Mitgliedschaft in Goebbels Europäischer Schriftsteller-Vereinigung wurde ihm zu Lasten gelegt.

Doch Bauchredner Knittel stellt klar: «Er war kein Nazi.»

Er setzte sich für alles und alle ein

Seine Töchter Margaret und Doreen, erklärt Marco Knittel, gehörten zum Freundeskreis der Scholl-Geschwister von der Widerstandsbewegung Weisse Rose. Knittel plädierte im Juni 1943 bei Goebbels dafür, dass sie nicht hingerichtet werden. Damit blieb er allerdings erfolglos, und der Kontakt zu Goebbels brach ab.

Vermutlich war John Knittel eher ein Utopist, der sich auch in seinen Büchern systemlos für alles und alle einsetzte. Einmal hat der passionierte Golfspieler und Forellenfischer einer traurig dreinblickenden Pariser Toilettenfrau ihren Herzenswunsch erfüllt und kaufte ihr einen Gemüseladen.

«Für mich gehört John Knittel zu den grössten Autoren der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts. Sein Werk hat auch mich geprägt», sagt Marco Knittel mit Bewunderung.

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