BLICK: Wird man als Bestseller-Autor so reich, dass man sich eine eigene Bar leisten kann?
Alex Capus: Ich kann nicht klagen, mir gehts gut. Vor allem seit «Leon und Louise», das Buch hat mich saniert. Vorher war ich als Künstler finanziell etwas prekär unterwegs, man hat keine Pensionskasse. Jetzt bin ich so gut abgesichert, als ob ich mein Leben lang als Sekundarlehrer gearbeitet hätte.
Ist die Bar Ihre zweite Heimat?
Ja, hier kann ich tagsüber im Stillen arbeiten. Wenn mir nichts zum Schreiben einfällt, spiele ich Billard oder mache mir einen Kaffee. Ich habe die Bar für mich allein, ab und zu schaut ein Bekannter vorbei. Zu Hause habe ich ein grosses Haus mit Frau und Kindern. Zum Arbeiten ist das zu lebendig.
25 Jahre verheiratet, fünf Kinder und über 50. Viele Männer kommen bei diesen Zahlen in eine Midlife-Crisis.
Dieser Kelch ist zum Glück an mir vorbeigegangen. Ich beneide keinen Mann, dem so was passiert. Solche Geschichten sind meist albern und peinlich. Natürlich will ich niemanden verurteilen, es gibt Paare, die müssen sich trennen. Aber für mich trifft das nicht zu. Ich lebe mit der Empfindung, dass ich ein Leben habe und nicht zwei. Man kann die Zähler nicht einfach auf null stellen und von vorne anfangen.
Wie erhalten Sie die Liebe?
Man muss einander mögen, einander gerne riechen. Es mag simpel klingen, aber das ist es, was zählt. Diese Anziehung zwischen Mann und Frau hat etwas Sinnlich-Animalisches. Dann sollte man auch ähnliche Werte haben. Man muss sich nicht immer einig sein – aber letztendlich ist man ein Team.
Hat sich das in Ihrer Beziehung nie verändert?
Nein. Ich glaube auch nicht, dass sich die Grundhaltung und Werte in einem Menschen verändern. Ich bin noch genau derselbe, der ich mit 15 Jahren war. Zumindest im Herzen.
Wussten Sie mit 15 schon, dass Sie Schriftsteller werden wollen?
Das weiss ich, seit ich in der 1. Klasse die 26 Buchstaben gelernt habe. Seitdem schreibe ich karierte Hefte voll. Es ist meine Art, mich zu vergewissern, wo ich in der Welt stehe.
Wie schreibt man denn einen Bestseller?
Ohne Übung klappt das nicht. Und dann ist es auch Glückssache. Man muss etwas schreiben, das den Leuten gefällt. Thomas Mann hat schon gesagt, dass Literatur eine Frage von Sympathie zwischen Autor und Leser ist.
Schreibt sich der zweite Bestseller leichter?
Als Künstler fängt man immer wieder neu an. Roman schreiben ist wie Auto fahren in der Nacht. Man sieht mit den Scheinwerfern immer nur bis zur nächsten Kurve. Aber man weiss trotzdem, wohin es geht.
Sind Sie diszipliniert?
Ja, auch wenn es vielleicht nicht so wirkt. Meine Mutter staunt heute noch, weil sie ihrem Bub so viel Disziplin eigentlich nicht zugetraut hätte. Ich stehe jeden Morgen freiwillig ohne Wecker um sechs Uhr auf. Und das nicht, weil jemand etwas von mir verlangt oder will.
Wie sieht Ihr Tagesablauf aus?
Sehr ritualisiert. Morgens lese ich Zeitung und trinke Kaffee. Um acht bin ich in der Bar und arbeite. Um zwölf gehe ich heim zum Essen und schlafe eine halbe Stunde. Am Nachmittag arbeite ich wieder, gegen sechs mache ich Feierabend. Ein unspektakuläres Leben, aber für mich ein privilegiertes, weil ich das mache, was mir Spass macht.
Wie gelingt ein so erfülltes Leben?
Die Startbedingungen waren schon mal gut. Wir Schweizer leben hier und heute so gut, wie es in der Geschichte der Menschheit noch nie vorgekommen ist. Dann kommen Glück und Fleiss dazu, vielleicht auch die eigene seelische Konstitution. Es gibt Menschen, die die genau gleichen Lebensumstände ganz unterschiedlich empfinden. Mein Glück ist, ich habe ein Gemüt, das schnell mal zufrieden ist.
Wie wollen Sie als Mann altern?
Ich möchte in Würde zum Patriarchen reifen. Dazu gehört, dass man sich den Gegebenheiten stellt. Die Jugend vergeht, und es gibt absolut nichts, das das verhindert. Wir werden alle alt und sterben. Wer sich damit anfreundet, erspart sich eine Menge Peinlichkeiten und geht eleganter aufs Ende zu.
Haben Sie Angst vor dem Tod?
Vor den Schmerzen ja. Aber wenn es mich einfach vom Stängeli nimmt, eigentlich nicht. Ich bin kein religiöser Mensch, aber ich bin sicher, dass die Welt nicht einfach ein toter Mechanismus ist, der wie eine Uhr abläuft. Dass dieser Welt und allem Leben eine Seele innewohnt, ist für mich selbstverständlich.