Bachmannpreis
In Klagenfurt hat es sich ausgelesen, jetzt geht es an die Auslese

Klagenfurt A – Auch nach der 14. und letzten Lesung um den renommierten Bachmannpreis war am Samstag kein Kronfavorit in Sicht. Von den drei Schweizer Teilnehmerinnen könnten es immerhin zwei am Sonntag auf die Shortlist der besten sieben schaffen.
Publiziert: 07.07.2018 um 16:10 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 16:01 Uhr
Die türkische Autorin Özlem Özgül Dündar vermochte am letzten Lesetag in Klagenfurt am meisten zu überzeugen. (zVg)
Foto: Pressebild

In Mexiko gibt es soviel Kokain, dass man es zur Spielfeldmarkierung einsetzt; in Gagausien wählen Hanfbauern die Miss Marihuana; mitten auf dem Meer löscht der Überlebende eines Flugzeugabsturzes seinen Durst, indem er in eine Socke pisst: Bei drei der vier Beiträge vom Samstag steckte wenigstens etwas Humor.

In einem der Texte, Stephan Groetzners «Destination: Austria», gab es sogar eine Parodie auf den Bachmannwettbewerb. Der Text sei einfach nur blöd, fand der österreichische Juror Klaus Kastberger: Er enthalte soviel Österreich-Klischees, dass ihn nur Ausländer lustig finden können. Dass er selber im Text als «Herr Professor Doktor Doktor Kaschperl» auftaucht, merkte Kastberger nicht - seine Co-Juroren schon.

Zu Jakob Noltes «Tagebuch einer jungen Frau, die am Fall beteiligt war» fuhr die Jury eine ganze Palette von Spitzfindigkeiten auf, von «dekonstruiert auf allen Ebenen» über «Avatar-Fantasie» bis zur gesteigerten Wahrnehmung unter Drogeneinfluss. Man solle endlich aufhören, so eine verunglückte «Nicht-Erzählung» heiligzusprechen, nervte sich die Schweizer Jurorin Hildegard Keller.

Lennart Loss, Deutscher wie alle, die am Samstag lasen und der jüngste Bewerber, genoss keinen Welpen-Schutz. Seine Geschichte «Der Himmel über A 9» über einen Ex-RAF-Bombenleger und die letzte seiner Lebenskatastrophen, war den meisten Juroren zu überfrachtet.

Die einzige Samstagskandidatin, die fast völlig zu überzeugen vermochte, war die Türkin Özlem Özgül Dündar. Ihr «und ich brenne» - konsequent in Kleinschreibung und ohne Punkt und Komma - zöpfelt die Gedankenströme von vier Müttern - drei, die von einem Brandanschlag auf eine Asylunterkunft betroffen sind plus die Mutter des Attentäters.

Dündar darf sich wohl Hoffnungen machen, wenn es am Sonntag an die Preisverteilung geht. Weitere heisse Kandidaten sind die Berlinerin Ally Klein («Carter»), die in Wien lebende Ukrainerin Tanja Maljartschuk («Frösche im Meer»), der Deutsche Bov Bjerg («Serpentinen»), sein junger Landsmann Joshua Gross («Flexen in Miami») sowie der deutsche Schauspieler, Regisseur und Autor Stephan Lohse («Lumumbaland»).

Höchstens Aussenseiterchancen dürfen sich die für die Schweiz startenden Autorinnen Martina Clavadetscher und Corinna Sievers ausrechnen. In Clavadetschers «Schnittmuster» spricht eine Leiche: Das beginnt mit dem Tod der 92-jährigen Luisa und endet mit ihrer Metamorphose zu einem Nachtfalter. Der emanzipatorische Ansatz im Text gefiel der Jury.

Sievers - im Hauptberuf Kieferorthopädin in Erlenbach - versuchte die Jury mit Dentist-Porn zu provozieren: Ihre Protagonistin in «Der Nächste, bitte!» ist eine mannstolle Zahnärztin, die gewohnheitsmässig Patienten auf dem Zahnarztstuhl vergewaltigt. Die Jury parierte den Anschlag auf den guten Geschmack, indem sie dem Text «zu wenig Radikalität» vorwarf.

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