Von der Cinetaca di Bologna, einem international anerkannten Filmarchiv in Italien, ins Leben gerufen findet die Sonderausstellung ab Samstag in den Räumen des Manoir de Ban statt. Genau da also, wo der Filmemacher sein Projekt angedacht, aber nie realisiert hatte: in seinem Anwesen in Corsier-sur-Vevey VD.
Charlie Chaplin begann 1967, seine Ideen für «The Freak» zu skizzieren. Bis 1969 arbeitete er in seinem Herrenhaus, er ging schon auf die 80 zu. Seine damals sechzehnjährige Tochter Victoria hätte die Hauptrolle in dem Märchen mit poetischen Zügen übernehmen sollen.
«Ich erinnere mich, wie mein Vater davon sprach. Er war sehr begeistert von der Idee, sehr zufrieden mit der Geschichte», erinnerte sich sein Sohn Eugene Chaplin auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Als dann gesundheitliche Probleme auftraten, «wäre es für ihn zu schwierig gewesen, das Projekt weiterzuverfolgen und den Film zu drehen», erklärte er. Die Vorproduktion sei aber mehr oder weniger fertig.
Die Geschichte handelt von den Abenteuern einer Vogelfrau namens Sarapha, die auf das Dach des Hauses eines wissenschaftlichen Professors in einer abgelegenen Ecke von Feuerland fällt. Überrascht von diesem mysteriösen Wesen, pflegt er sie, nimmt sie bei sich auf und verliebt sich in sie. Später wird sie entführt und nach London gebracht, wo sie vor einer Menschenmenge vorgeführt und gezwungen wird, Wunder zu vollbringen.
Nach einer langen Quarantäne und einem anschliessenden Prozess, in dem ihre Menschlichkeit festgestellt werden sollte, entkommt Sarapha schliesslich und will in ihre Heimat in den chilenischen Bergen zurückkehren. Dort war sie in einer Höhle aufgewachsen, nachdem ihr im Alter von sechs Jahren die Flügel gewachsen waren. Auf dem Rückweg stürzt sie allerdings in den Atlantischen Ozean und stirbt.
«The Freak» wäre unter anderem eine schelmische Satire über die Macht des Geldes und der Wirtschaft, das Gewicht der Werbung, den Aufstieg des religiösen Fanatismus und seine Nutzung in den Medien gewesen. «Und auch eine Liebesgeschichte», fügte Eugene Chaplin an.
Die neue Ausstellung enthüllt die Geheimnisse des Schaffens hinter dem, was Chaplins künstlerisches Testament hätte sein können: Drehbücher, Dialoge, Notizen, Briefe, Zeichnungen, Fotografien, Sprachaufnahmen und sogar gefilmte Essays.
Der Besucher ist eingeladen, alle Phasen der Entstehung von «The Freak» mitzuerleben - mit Hilfe von 3000 Archivdokumenten, 1000 Seiten mit Anmerkungen versehenen Geschichten und 100 Originalskizzen.
Hätte das Projekt auch von einem anderen Filmemacher als Chaplin gedreht werden können? «Es gab mehrere Anfragen, aber wir haben immer abgelehnt», sagte Eugene Chaplin. «Es ist ein Film aus der Fantasie meines Vaters und nur er wusste genau, was er wollte. Deshalb wollten wir keine andere Interpretation.»
Seit 2000 katalogisiert und digitalisiert das Filmarchiv von Bologna den gesamten künstlerischen Nachlass Chaplins, der im Archiv von Montreux und im Photo Elysée in Lausanne aufbewahrt wird. Die Kuratorin der Ausstellung, Cecilia Cenciarelli, die bei der Cineteca für das Chaplin-Projekt verantwortlich ist, erklärt: «Diese Arbeit hat sieben bis acht Jahre gedauert.»
«In den letzten Jahren haben wir alle Filme von Charlie Chaplin selbst oder in Zusammenarbeit mit anderen restauriert, etwa 80 Titel, eine umfassende Arbeit: Filme, Archive und Fotos», erklärte sie. In der Welt der Archivarinnen und Archivare habe diese Entdeckung eine Geschichte ans Licht gebracht, die nun zum ersten Mal erzählt würde.
(SDA)
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