Friedrich Nietzsche (1844-1900) macht es einem nicht gerade leicht: Er war einst hochgeachteter Professor in Basel und ist heute noch eine weltbekannte Ikone der Populärkultur. Die Nazis missbrauchten ihn als Vordenker und für die linken Sozialphilosophen der Frankfurter Schule war er wichtige Inspirationsquelle.
«Wir sind Friedrich Nietzsche nicht gewachsen», schreibt Andreas Urs Sommer, Philosophieprofessor aus Freiburg i. Br., in seiner Einleitung zum Katalog zur Ausstellung des Historischen Museums Basel. Diese trägt den zweideutigen Titel «Übermensch - Friedrich Nietzsche und die Folgen".
Die Ausstellung in der Barfüsserkirche macht denn die Mehrdeutigkeit auch zum Programm: mit dem gebührenden Ernst, aber auch mit einem wohltuenden Augenzwinkern - und versucht gerade damit, dem Autor so bekannter Werke wie «Also sprach Zarathustra» eben doch gewachsen zu sein.
Das beginnt bereits ganz zu Beginn. Hat man die mit den wuchtigen sinfonischen Klängen von «Also sprach Zarathustra» von Richard Strauss beschallte Eingangsschleuse zur Ausstellung durchschritten, wartet gleich die erste Überraschung: Nicht einmal auf den berühmten buschigen Schnauz ist nämlich mehr Verlass. Eine Gipsskulptur des Basler Künstlers Alexander Zschokke zeigt Nietzsche mit nackter Oberlippe.
Seinen charakteristischen Schnauz hatte der junge Gelehrte, als er vor genau 150 Jahren im Alter von nur gerade 24 Jahren zum Professor an die Uni Basel berufen wurde, demnach noch nicht. Die Museumsbesucher können aber beruhigt sein. Sie finden «ihr» Nietzsche-Bild nur wenige Meter weiter in der bekannten Bronze-Büste von Max Klingler wieder. Sie ist, um das Übermensch-Sein ironisch zu betonen, auf einem geradezu monströsen Sockel positioniert.
Über der Büste entfaltet sich ein bunter Strahlenkranz, dessen Stränge sich durch die ganzen Ausstellungsräume ziehen. Die von Benjamin Mortzfeld kuratierte Ausstellung ist in drei Kapitel aufgegliedert. Sie tragen die selbsterklärenden Untertitel «Lebenswelten», «Denkwelten» und «Nachwelten".
Zu sehen sind rund 75 Exponate, darunter Erstausgaben von Nietzsches Schriften, Briefe, Porträts seiner Weggefährten und Lebensgefährtinnen bis zur seltsamen Kugelschreibmaschine, auf welcher der Philosoph seine späteren Schriften verfasste; ausgestellt sind zudem zwei Totenmasken. Fundierte Einblicke in die massgeblichen Werke gewähren zahlreiche Leuchtkästen mit den berühmten Zitaten sowie Audio- und Videostationen.
Die höchst ansprechend gestaltete Ausstellung zeigt auch, wie unterschiedlich Nietzsche nach seinem Tod ver- und missverstanden, wie er von Exponenten unterschiedlichster Art vereinnahmt wurde: Seine faschistoide Schwester stilisierte ihn zum Vordenker des Faschismus, ein kanadischer Schokoriegel-Hersteller nutzte sein Konterfei schamlos für seinen «Will to Power"-Bar.
Origineller Abschluss der Ausstellung ist eine Filmleinwand, auf der zahlreiche Beispiele von Nietzsche-Zitaten aus Hollywood-Filmen wiedergegeben werden. Die Auswahl der Filme, zu der Streifen wie «Conan the Barbarian» oder «A Fish called Wanda» gehören, zeigt deutlich, dass Nietzsche nicht nur einen kleinen Kreis an Hochgebildeten anspricht. Und genau das ist auch die Absicht der Basler Ausstellung.
Die Ausstellung «Übermensch - Friedrich Nietzsche und die Folgen» dauert bis 22. März 2020. Finanziell massgeblich unterstützt wurde sie durch den Nietzsche-Kenner und -Fan Peter Buser. Er trug 400'000 Franken an die Ausstellungskosten bei. Buser organisiert gleichzeitig ein Symposium zu einem weiteren der vielen heiklen Nietzsche-Kapitel: Nietzsche und die Frauen. Dieses ist auf den 7. Dezember angesetzt.
(SDA)