BLICK: Nach 13 Jahren reden alle wieder über die Kelly Family. Ihr seid plötzlich wieder da. Was geht Ihnen dabei durch den Kopf?Angelo Kelly (35): Es ist der Wahnsinn. In Deutschland gibt es einen Ansturm auf Tickets. Und jetzt geht es auch in der Schweiz los.
Warum das Comeback?
Wir haben begriffen, wie wichtig es für viele Menschen ist, dass wir wieder Musik machen. Wenn es einseitig nur unser Wunsch gewesen wäre, wäre ein Revival unmöglich gewesen. Es braucht beide Seiten. Wir wollten das Comeback auch in Form des neuen Albums «we got love» festhalten. Es ist alles sehr verrückt, was abgeht.
Wir leben in einer hektischen digitalen Welt. Ihr habt immer den Traum der funktionierenden Grossfamilie verkörpert, ihr seid für Internationalität und Fröhlichkeit gestanden. Ist die Zeit wieder reif für die Kellys?
Das ist gut möglich, dass wir etwas verkörpern, was es immer weniger gibt. Wir haben in den 1990er-Jahren eine ganze Generation von Teenagern geprägt. Viele dieser Fans sind später eigene Wege gegangen. Man wollte cool sein, hat sich geschämt für die Musik, die man früher mochte. Aber jetzt ist alles anders. Du bist vielleicht Mitte 30, hast eine eigene Familie gegründet. Wenn du dann die Musik von damals hörst, dann bist du für ein paar Stunden nochmals Kind. Und denkst dir: Ach, war das doch schön damals!
1995 waren die Schweizer Teens aus dem Häuschen. Ihr habt allein in jenem Jahr 210’000 Platten bei uns verkauft. Erinnern Sie sich noch an die Zeit?
Ja klar, bei euch zu sein, war immer ein Highlight für uns, wir hatten grossartige Konzerte. Ich erinnere mich noch an die wunderbare Stimmung am Openair Out of the Green. In der Schweiz ist der ganze Hype damals explodiert. Ihr habt uns sehr geholfen.
2003, nach dem Tod von Vater «Dan» (†2002), löste sich die Kelly Family auf. Sie haben 20 Millionen Tonträger verkauft, aber alles Geld war plötzlich weg. Wie konnte das passieren?
Es ist ganz einfach, wir waren Strassenmusiker, uns fehlte einfach das Gespür fürs Geld. Dann kam der Erfolg, wir hatten einen riesigen Apparat, es waren bis zu 400 Leute, die für uns arbeiteten. So viele Angestellte zu haben, ging gut, als jedes Jahr 100 Millionen reinkamen. Aber plötzlich waren die Kosten höher als die Einnahmen, und die Reserven waren aufgebraucht.
Sie wurden mit 21 Vater, konnten Ihre Familie kaum durchbringen.
Ja, es war eine harte Zeit. Ich versuchte mich als Solokünstler durchzuschlagen. Ich habe oft vor weniger als 100 Leuten gespielt. Damals hatten wir schon drei Kinder. Ich war oft unterwegs, und meine Frau Kira kümmerte sich um den Nachwuchs.
Und dann kam es noch zu zwei Dramen.
Ja, 2009 erlitt meine Frau Kira einen epileptischen Anfall. Und unsere Emma, die damals drei war, hatte auf einem Spielplatz einen Unfall, bei dem sie fast erstickt ist. Das hat mich aufgerüttelt. Ich habe dann vorgeschlagen, alles hinter uns zu lassen, und wir sind drei Jahre mit einem alten Bus durch Europa gereist. Ich habe auch wieder auf der Strasse gespielt. Wir lebten von ganz wenig Geld. Aber wir haben unglaublich viel zusammen erlebt, es war eine freie, tolle Zeit. Seit vier Jahren sind wir wieder sesshaft in einem einfachen Haus in Irland.
Wart ihr auch in der Schweiz?
Ja, ein paar Mal, aber es war schwierig, lange an einem Ort zu bleiben. Oft wurden wir wieder weggeschickt. Man darf bei euch ja das Wohnmobil fast nirgendwo einfach so hinstellen. Auf Campingplätzen waren wir aber nie, da wir immer frei sein wollten.
Haben Ihre Kinder eigentlich Handys?
Gabriël Jerome und Helen Josephine, unsere beiden Ältesten, haben vor einem Monat eines bekommen. Sie sind jetzt 16 und 14. Es kam langsam die Zeit, wo sie eines brauchen. Aber sie dürfen es höchstens eine Stunde pro Tag benutzen.
Man sah in der TV-Serie, dass Sie vor allen Mahlzeiten beten. Sie sind sehr religiös?
Ja, ich lebe sehr katholisch. Früher habe ich weniger bewusst gelebt, aber jetzt habe ich mich definitiv zu Gott bekehrt. Ich habe gespürt, dass mir Gott wichtig ist und dass es noch ein weiter Weg ist, zu ihm zu finden und für ihn zu sterben. Auch meiner Frau ist das Gebet, besonders mit den Kindern, sehr wichtig.
Unterrichten Sie die Kinder immer noch zu Hause?
Ja, das macht hauptsächlich Kira. Wir haben uns auch schon überlegt, die Kinder in die öffentliche Schule zu schicken. Mit den älteren haben wir das für einen Monat versucht. Mit dem Schulstoff kamen sie zwar gut zurecht. Aber sie und wir haben gemerkt, dass es nicht geht, weil es nicht in Einklang mit dem Rhythmus unseres Lebens steht. Darum haben wir sie wieder rausgenommen.
Sie haben jahrelang ein idyllisches Leben geführt. Haben Sie keine Angst, dass der Rummel um die Kellys alles wieder zerstört?
Nein, das passiert nicht. Wir werden die richtigen Entscheidungen treffen. Es wird auch nicht mehr den gleichen Hype wie damals geben, denn die Hysterie der jungen Mädchen wird sich nicht wiederholen, da wir alle älter geworden sind.
Wenn Sie in die Schweiz kommen, gibt es eine Chance, Sie mal noch ganz allein auf der Bahnhofstrasse mit der Gitarre zu sehen?
Wer weiss ...