AC/DC-Sänger Brian Johnson im Exklusiv-Interview
«Ich liebe Roger Federer heiss»

Am Freitag erscheint das heiss ersehnte neue Album von AC/DC. Sänger Brian Johnson (61) verrät BLICK im Voraus vieles über die Scheibe – und über die Schweiz. Hier werden die Aussie-Rocker am 29. März 2009 spielen!
Publiziert: 14.10.2008 um 06:43 Uhr
|
Aktualisiert: 04.10.2018 um 19:39 Uhr
Von Gabriel Brönnimann

BLICK: Hallo Brian!
BRIAN JOHNSON: Willkommen, willst Du einen Kaffee, mein Sohn?

Gerne, danke.
Woher kommst Du?

Aus der Schweiz.
Ah, die Schweiz. Ein wunderbares Land. Aber so viele Gesetze und Verbote! Wenn man bei euch an der Grenze ankommt, erhält man ja dieses dicke Buch mit all den Regeln – man darf ja nicht mal furzen bei euch (lacht, zündet sich eine selbstgedrehte Zigarette an).

Immerhin darf man an den meisten Orten noch rauchen.
Stimmt. Darum bin ich Rockstar geworden, um verdammte Zigaretten in Hotelzimmern zu rauchen – das ist der einzige Grund! Einer der wenigen Orte, wo das nicht verboten wird! (lacht)

Danke für den Kaffee. Und einen berühmten AC/DC-Fan haben wir auch: Roger Federer.
Stimmt! Ich liebe ihn heiss. Er ist ein Riesenfan. Er kam an eins unserer Konzerte in den Staaten, noch bevor ihn die ganze Welt kannte, und schüttelte uns allen die Hand. Ich hatte sogar eine Riesenfreude, als er am US Open Andy Murray besiegte. Obwohl der Schotte ist. Aber schauen sie mal Murrays Visage an – nicht auszuhalten. Roger ist der Star!

Acht Jahre brauchten Sie für das neue Album. Warum so lange?
Es war nur das Rauchverbot! (lacht) Im Ernst: Aus verschiedenen Gründen. Einer davon war, dass wir mit unserer alten Plattenfirma nicht zufrieden waren. Das brauchte Zeit. Die Tour brauchte Zeit. Und dann waren noch die Gigs mit den Stones.

Ich war an einem der Doppelkonzerte, in Deutschland – grossartig.
Was für ein Spass! Eigentlich hätten wir so was ja nie gemacht. Aber was kannst du machen: Die haben uns persönlich angefragt! Nicht per Manager – Mick hat angerufen: «kommt, das wird eine Super-Rock’n’Roll-Show». Da sagt man nicht nein. Und natürlich war ich auch sonst beschäftigt: Ich habe mein Autorennteam, ich schrieb Musik für einen Film – aber natürlich hab ich die Jungs schon vermisst. Darum war es gut, dass es dieses Jahr im Februar wieder losging mit dem Album.

Wie machen Sie das überhaupt? Sie leben in Florida, Phil Rudd in Neuseeland, Angus Young in Holland, Cliff in Georgia – sieht man sich da oft?
Cliff sehe ich die ganze Zeit, wir gehen essen, haben Spass, sind ja praktisch Nachbarn. Aber klar, das andere ist verrückt, ich fliege doch nicht in die gottverdammten Niederlande für ein Nachtessen! (lacht) Aber wenn wir zusammenkommen, sehen wir uns jeden einzelnen Tag für mehr als eineinhalb Jahre – und das reicht. Fuck! (lacht). Aber das Rezept der Band, das funktioniert einfach.

Wie funktioniert das Rezept der Band denn?
Sehen Sie: Ich wurde in Newcastle geboren. Malcolm und Angus in Glasgow. Bon Scott (†1980) ebenfalls in Schottland. Cliff etwas weiter südlich – in Liverpool. Alle von uns gingen mit 15 von der Schule. Phil ebenfalls. Und alle von uns arbeiteten danach in Fabriken. Malcolm und Angus’ Eltern – die Brüder kannten Bon Scott damals noch nicht – emigrierten nach Australien, in den 50er Jahren. Es war billig, und es gab Arbeit. Und es ist schräg: Man fand sich dort drüben wieder. Zuerst Bon und ich, noch vor Angus und Malcolm. Dass ich dann später wieder mit ihnen zusammenspielen durfte, grenzt an ein Wunder. Ich wünschte ja, ich würde an eine höhere Macht glauben – ich tue es nicht, ich habe dieses Glück nicht... aber es ist ein Geschenk.

Sie glauben nicht an Gott – aber ihre ersten Schritte als Sänger machten Sie in einem Kirchenchor.
Ja klar. Aber das machte ich, weil es dafür Geld gab! (lacht). Es hatte nichts mit Gott zu tun, sondern mit halben Kronen. Glauben Sie mir, ich brauchte das Geld. Es ist wie bei anderen Stars: «Okay, ich war in ein paar Porno-Filmen, aber das war früher». Darum sang ich im Kirchenchor, ich brauchte das Geld – sagen Sie also nicht, ich sei deswegen ein schlechter Mensch! (lacht)

Mein Primarlehrer wollte uns AC/DC verbieten – es sei satanisch, meinte er.
Das ist einfach Bullshit. Das macht mich traurig, so was. Es war nie unchristlich, und die wissen das. Die Amerikaner – und es gibt viele Psychopathen in Amerika, die machen mehr als anderswo auf der Welt, die sind verdammt noch mal verrückt dort drüben – die geben am Ende ja am liebsten der Musik oder sonst was schuld, wenn etwas schief läuft. Absoluter Nonsense. Es ist deren eigene Schuld, wenn die Kids nur Blödsinn im Kopf haben, es ist wegen der Eltern, der Gesellschaft, es hat rein gar nichts mit Musik zu tun. Früher verbrannten die verdammte Elvis-Platten – ohhhh, Hüften am TV, das geht ja gar nicht. Nicht auszuhalten. Amerika ist das rückwärtsgerichtetste Land auf Erden, wenn es um gesunden Menschenverstand geht. Die wissen nicht mal was das bedeutet.

Aber Sie leben doch dort…
…Ich liebe die Amis ja heiss, darum lebe ich dort – aber gesunden Menschenverstand findet man dort kaum. Wir waren NIE antichristlich. Ich persönlich glaube einfach nicht an ein Leben nach dem Tod. Ich glaube an Jesus Christus. Aber weil er lebte, weil er eine wirkliche Person war. Ob er der Sohn Gottes war – das ist eine sehr grosse Frage. Ich glaube es nicht. Aber er war ein sehr cleverer und wunderbarer Mann. Einer meiner verdammten Helden, genau wie George Washington, auch ein wunderbarer Mann. Man darf sich glücklich genug schätzen, der beste Schwimmer unter 3 Millionen Spermien zu sein – das ist der einzige Schwimmwettbewerb, den ich je gewonnen habe – um hier zu sein. Den Sternen, dem Glück sollte man also dankbar sein, nicht Gott. Gott hat mich nicht ausgewählt, das finde ich Bullshit. Aber wer am Ende Recht hat, das sehen wir dann am Tag, an dem wir den Löffel abgeben.

[die Tür öffnet sich. Eine Hotelangestellte streckt den Kopf rein, sagt, das mit dem Hotdog dauere leider noch eine halbe Stunde.]

Was ist denn nun das Rezept von AC/DC?
Es ist schwierig, das zu erklären. Es ist einfach Glück. Mein Glück, mit zwei Brüdern zusammen zu sein, die einfach... einzigartig sind auf der Welt. Manchmal ist es schwierig, die beiden als zwei separate Menschen zu sehen (lacht). Und dann ist Cliff und Phil, die sind der Motor. Unser Produzent Brendan O’Brien war hin und weg – weil so jemanden wie Phil hat er noch nie erlebt. Da musste kein Take wiederholt werden. «Der Mann ist eine Maschine», hat er gesagt, und er hat recht. Ich meine, da hängt zum Beispiel dieses grosse Stück Papier von einem Schlagzeugbecken runter beim Aufnehmen. Er hat das Becken gar nie benutzt. Nach zwei Wochen frage ich Phil: «Was zum Teufel ist das eigentlich?» – ich schaue es an, und sehe ein Bild der grössten Titten, die ich je gesehen habe. Keine Noten oder so was. Ich sagte zu Phil: «Was zur Hölle soll das?» Und er antwortete: «Inspiration». Er ist verrückt. Aber ich liebe ihn. Da war keine Frau drauf. Nur Titten.

Apropos: Sie haben ja zum ersten Mal seit langem wieder die Texte geschrieben.
Ach, ich habe bloss mitgeholfen. Wir haben die Musik gemacht, ich musste die Melodien erfinden, und die Texte ergaben zum Teil keinen Sinn, da musste ich was draus machen. Aber das ist mein Job. Und die Leute wissen natürlich, dass das Zeug von mir ist, bei all den sexuellen Anspielungen wie etwa St. Nikolaus’ grossem Sack. Es war lustig, das zu schreiben, so was kann nur ich, und ich bin stolz darauf (lacht). Ich gab dem Ganzen etwas Humor – und darum ging’s ja bei AC/DC immer auch. Denken Sie an «Givin The Dog A Bone», «Girls Got Rhythm», ich meine, fast alle. Und das ist wieder da – der Humor ist zurück. Es swingt.

Alle sagen, das neue Album sei wieder mehr vom Gleichen. Stimmt über weite Strecken. Aber Sie wagen ja auch drei – kleine – Premieren!
Jetzt bin ich ja mal gespannt.

Erstens mal eine Art Pop-Song à la Bruce Springsteen.
(lacht). «Anything Goes»! Klar. Brendan O’Brien war schliesslich der Produzent von Bruce. Er hat mir noch gesagt: «Brian: Jetzt wirst du in einer Tonart singen, die ist ganz neu für dich.» Ich sagte: «Wie bitte? Ein alter Hund lernt keine neuen Tricks!» Ich versuchte es und fragte ihn: «Klingt das nicht schwul?» Er sagte: «Nein, mach weiter!» Jetzt gefällt mir das Resultat wirklich gut. Und meine Tochter liebt den Song. (singt den Refrain). Ich glaube, das wird die nächste Single.

Und dann gibt es einen Slide-Gitarren-Blues.
Oh ja. Da sieht man die Alligatoren im Sumpf, wenn man den hört. (Singt den Blues). «Stormy May Day»!

Was ist eigentlich mit Ihrer Stimme passiert?
Was?

Sie ist wieder voll da. Wie früher.
(lacht) Was passiert ist ist folgendes: Brendan O’Brien hat am vierten Tag im Studio gesagt: «Hör mal auf. Brian Johnson: Du bist ein Soul-Sänger.» Ich sagte: «Nein. Ich bin ein Rock’n’Roll-Sänger». Er sagte: «Brian Johnson, du hast dein Leben lang Rock’n’Roll gesungen, weil du dachtest, du müsstest. Du bist dein Leben lang ‚Back in Black’ nachgerannt. Aber ich höre dir zu, wie du jetzt gerade sangst – und so machst du das bitte das ganze Album lang.» Ich sagte: «Ich weiss aber nicht, ob die Band das gut findet.» Da sagte Brendan: «Klar finden die das gut. Du bist ein Soul-Sänger, mein Freund.» Ich weiss bis heute nicht, ob er mich verarscht hat – aber ich habe noch nie so entspannt gesungen, fühlte mich noch nie so gut, kam locker in die Höhen, hab meine Stimme nie überanstrengt. Es war einfach gut.

Sie singen ja sogar so eine Art Mini-Rock-Oper-Song mit langsamen und schnellen Teilen – «Rock’n’Roll Dream». Auch das ganz leicht AC/DC-untypisch.
Ja, der Song hätte es fast nicht aufs Album geschafft. Der Produzent Brendan sagte mir, «Du, wir haben da was, der Refrain ist gut, aber wir brauchen jetzt unbedingt irgendwas für die Strophe, weil eigentlich gefällt es mir.» Und ich hörte zu und sagte: «Wo denn? Du verlangst viel!» Er sagte: «Na ja, wir haben schon was: ‚Wasser’ und ‚Kreis-Haifische’.» Ich sagte: «Es gibt keine verdammten Kreis-Haifische. Ausser man hat etwas geraucht!» (lacht). Da hab ich halt was zusammengesungen (singt) – und plötzlich ging er weg. Ich sagte: «Hey, so schlecht war das gar nicht!» Aber – das war es!

Sie spielen in einer der letzten grossen Rock’n’Roll-Bands der Welt. Drei der neuen Songs haben das Wort Rock’n’Roll im Titel. Was bedeutet das Wort für Sie?
Es ist Swing! Ein guter Freund von mir, der Musikproduzent Jerry Wexler, ist vor kurzem gestorben. Er hat mir mal gesagt, ich glaube es war 1991: «Brian, ich hab den Begriff «Rhythm and Blues» erfunden, das ist viele Jahre her. Ich hätte aber sagen sollen: Rock and Roll. Aber diese Worte hatte ich nicht zur Verfügung. Aber Brian: Es ist derselbe Scheiss, hörst du? Und weisst du warum? Weil du den Motherfucker swingen musst! Einige Rockbands da draussen, heutzutage, die sind verdammt gut im Rocken. Aber die vergessen das Rollen!» Und so ist es! Darum liebe ich Satchmo, Louis Primo, all das Zeug. Rock’n’Roll macht dich wiegen, macht dich stampfen, macht dich lächeln. Hard Rock ist einfach frenetisch. Däng-däng-däng-däng. Es ist grossartig, aber eine andere Kunstform. Ich kritisiere Musik nie. Auch wenn die Leute sagen: «Du musst Rap-Musik hassen», sage ich: «Nein!» Ich hasse es nicht, aber ich kann es nicht geniessen. Eine ganze Musikrichtung zu hassen ist versnobt, elitär. Miles Davis ist scheisse? Sicher nicht! Ein Wahnsinnsmusiker! Aber deswegen muss ich seine Musik nicht mögen. Aber von allen Musikformen ist es der Swing, der Rock’n’Roll, der mir ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Auch beim Fahren. (imitiert Louis Armstrong). Das ist Rock’n’Roll!

Was ist mit dem Rebellischen Aspekt des Rock’n’Roll? Sie singen – trotz Ihren Millionen – immer noch von Geldgier, bösen Anwälten...
Natürlich. Weil es die gibt. Es ist Teil des Lebens, viele Anwälte sind Arschlöcher. Es gibt natürlich auch nette, die sind aber schwierig zu finden. Und vergessen Sie nicht: Wir kommen von unten, und wir haben das nie vergessen. Würden wir das, hätten wir nichts mehr. Absolut nichts. Wir sind auch stolz darauf, unter dem Radar zu bleiben. Wir erhalten uns dadurch auch den Respekt der Fans, weil die merken: Die sind wie wir – einfach mit sehr viel mehr Geld. Aber das mussten wir uns hart erarbeiten, es war nicht einfach da, und auch das wissen unsere Fans. Wir gehen nicht in TV-Morgenshows, wählen unsere Interviews sorgfältig aus, wir drehen keine Celebrity-Filme über unser Leben – all das tun wir nicht.

Der Celebrity-Kult scheint Sie zu nerven.
Die Leute, die berühmt sind ohne etwas zu können, das ist einfach nicht richtig. Es ist aber nicht nur deren Fehler: Die bekommen ja ihre plötzliche Berühmtheit auch geschenkt – vom TV. Mit Autos, die sie abholen, gutem Essen, Hotelzimmern, etc. Und plötzlich wird es den Leuten langweilig. Und dann stehen sie da, ohne Talent, ohne Zukunft. «Oh, ich habe Big Brother gewonnen, weil ich ein Riesenarschloch bin». Und dann sind sie weg. Und dann sind da noch die, die einfach denken, sie seien Stars, obwohl sie nichts können. Von der Sorte gibt es Hunderte. Man sollte ihnen die Augen ausstechen! Oh, sorry, ich wurde kurz zum Psychopathen (lacht). Wo bleibt mein Hotdog?

Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.
BLICK Konzert-Info
Was: AC/DCWann: 29. März 2009, 20 UhrWo: Hallenstadion ZürichPreis: 95/110 FrankenTickets: TicketcornerVorverkauf: Ab Donnerstag, 16. Oktober 2008Infos: www.goodnews.ch
Was: AC/DCWann: 29. März 2009, 20 UhrWo: Hallenstadion ZürichPreis: 95/110 FrankenTickets: TicketcornerVorverkauf: Ab Donnerstag, 16. Oktober 2008Infos: www.goodnews.ch
Fehler gefunden? Jetzt melden