Die grosse Kammer beschloss am Mittwochabend mit 97 zu 93 Stimmen bei 6 Enthaltungen, auf eine Gesetzesvorlage einzutreten und über die vom Bundesrat vorgeschlagenen Massnahmen zu beraten. Damit soll verhindert werden, dass der Armee Soldaten fehlen.
Dagegen stellten sich SP, Grüne, Grünliberale und eine Minderheit der Mitte-Fraktion. Die Vorlage wolle ein Problem lösen, das gar nicht existiere, sagte Balthasar Glättli (Grüne/ZH). Die Armeebestände seien nämlich nicht gefährdet. Der Effektivbestand der Armee liege derzeit über der Obergrenze von 140'000 Personen.
Andere hoben die Bedeutung des Zivildienstes hervor. Dessen Geschichte sei eine Erfolgsgeschichte, sagte Priska Seiler Graf (ZH) im Namen der SP-Fraktion. Zivildienstleistende übernähmen wichtige Aufgaben in der Gesellschaft. Sie arbeiteten in Kindergärten, Spitälern und Gefängnissen, ergänzte Marionna Schlatter (Grüne/ZH).
Die geplanten Massnahmen bezeichneten SP und Grüne als «schikanös". Das Problem sei nicht die Attraktivität des Zivildienstes, sondern die mangelnde Attraktivität der Armee. Corina Gredig (GLP/ZH) warnte davor, dass vermehrt der «blaue Weg» gewählt werden könnte, wenn der Zugang zum Zivildienst erschwert werde. Das schade sowohl der Armee als auch dem Zivildienst.
Die Befürworter erinnerten an die allgemeine Wehrpflicht. Seit der Abschaffung der Gewissensprüfung habe sich die Zahl der «Abschleicher» aus der Armee vervielfacht, sagte David Zuberbühler (SVP/AR). Mit Gewissenskonflikten habe das oft nichts zu tun.
Der Zivildienst habe sich zu einer bequemeren Alternative zum Armeedienst entwickelt. Er sei viel zu attraktiv und eine Verhöhnung jener, die Armeedienst leisteten und letztlich ihr Leben geben würden. «Wenn Sie eine freie Wahl wollen, machen Sie eine Volksinitiative und ändern Sie die Verfassung», sagte Thomas Hurter (SVP/SH) an an die Adresse der Ratslinken.
Die FDP-Fraktion unterstützt die Massnahmen ebenfalls. Damit werde der Zivildienst nicht abgeschafft, sagte Rocco Cattaneo (FDP/TI). Es werde lediglich wieder Gerechtigkeit hergestellt.
Ins selbe Horn stiess der Sprecher der Mitte-Fraktion, Nicolo Paganini (CVP/SG). Es sei richtig, dass Wehrdienstverweigerer nicht mehr ins Gefängnis kämen, sagte er. Von Freiwilligkeit sei aber nie die Rede gewesen. Es gelte, die Balance wieder herzustellen.
Der Rat berät nun über die einzelnen Massnahmen. Der Ständerat hatte eine davon abgelehnt: Er will die Möglichkeit von Zivildiensteinsätzen im Ausland nicht abschaffen. In der Nationalratskommission fanden sämtliche Massnahmen eine Mehrheit.
Die übrigen Massnahmen sollen vor allem verhindern, dass der Armee Ausgebildete abhanden kommen. Der Zivildienst soll - wie heute - anderthalb mal so lange dauern wie der Militärdienst, neu jedoch mindestens 150 Diensttage. Heute werden die bereits geleisteten Militärdiensttage angerechnet. Die Mindestzahl verlängert die Dienstzeit für jene, die ab dem ersten Wiederholungskurs wechseln.
Für die Offiziere und Unteroffiziere soll neu ebenfalls der Faktor 1,5 gelten. Bislang galt für sie der Faktor 1,1. Ausserdem will der Bundesrat für den Wechsel aus der Armee in den Zivildienst eine Wartefrist von zwölf Monaten einführen.
Gar nicht mehr zugelassen werden sollen Personen, die in der Armee keine Restdiensttage übrig haben. Damit will der Bundesrat verhindern, dass sich Armeeangehörige ohne restliche Diensttage durch den Wechsel in den Zivildienst der Schiesspflicht entziehen.
Weiter soll der erste Einsatz bereits im Jahr nach der Zulassung zum Zivildienst vollständig geleistet werden müssen. Danach besteht eine jährliche Einsatzpflicht. Personen, die zum Zeitpunkt der Zulassung die RS noch nicht bestanden haben, müssen ihren Zivildiensteinsatz von 180 Tagen spätestens im Kalenderjahr nach der rechtskräftigen Zulassung abschliessen.
Nicht mehr erlaubt sein sollen schliesslich Einsätze, die ein begonnenes oder abgeschlossenes Medizinstudium erfordern. Mediziner sollen also nicht mehr als Mediziner Zivildienst leisten dürfen. Das soll den Anreiz beseitigen, zwecks beruflicher Weiterbildung in den Zivildienst zu wechseln.
Stimmt der Nationalrat diesen Änderungen zu, dürfte das Stimmvolk das letzte Wort haben. Ein Referendum ist bereits angekündigt worden.
(SDA)