Die Lawine liess nur noch einen Rest Beton übrig. Die Talstation des Dreiersessellifts Chumme in Zermatt VS war zerstört. 37 Jahre war die Bahn in Betrieb, als die Schneemassen Anfang Januar 2018 ihre zerstörerische Kraft offenbarten. Der Sessellift nahm den Betrieb nie wieder auf.
Stattdessen plant Zermatt an dieser Stelle den grossen Wurf. Das Wintersportgebiet will die erste vollautomatische Gondelbahn der Schweiz bauen, wie Recherchen von BLICK zeigen. Der Betrieb soll ganz ohne Personal auskommen. Der Schweizer Gondel-Spezialist Garaventa baut die 10er-Gondel. Das Bundesamt für Verkehr (BAV) hat grünes Licht signalisiert, nachdem sich die Behörde ähnlichen Vorhaben gegenüber zurückhaltend verhalten hat. Bereits im Dezember 2020 soll das Projekt umgesetzt sein.
Geplanter Baustart ist April 2020, wie Zermatt-Bergbahnen-Chef Markus Hasler (60) sagt. «Die bis heute bekannten Kosten belaufen sich auf 23,8 Millionen Franken», so Hasler. Darin eingeschlossen seien der Aufwand für die eigentliche Bahnanlage sowie für die Tal-, Berg- und Mittelstation. Noch nicht bekannt seien die Kosten für «Arbeiten des Baunebengewerbes». Also für Fassaden, Dächer, Sanitäreinrichtungen, Elektrik. «Der Endpreis der Anlage wird sicher über 25 Millionen Franken sein.»
Neuer Standort wegen Lawinengefahr
Für die neue Anlage wurde eine andere Linienführung gewählt. Um nochmalige Lawinenschäden zu vermeiden. Die Robo-Gondel ist auch länger. Und hat eine höhere Kapazität. Knapp 1500 Personen pro Stunde soll das Pionierprojekt transportieren.
«Mit der Planung wurde im Frühjahr 2018 begonnen», sagt Hasler. Kurz nach der Lawine. Noch stehe das finale Okay des BAV aus. Es laufe ein sogenanntes Plangenehmigungsverfahren. Der Chef der Zermatt Bergbahnen rechnet mit einem positiven Entscheid im Frühjahr des nächsten Jahres. Das BAV selbst hält sich bedeckt. Wegen des laufenden Verfahrens können keine Auskünfte erteilt werden, heisst es auf Anfrage von BLICK.
Das Revolutionäre am Zermatter Vorhaben ist der vollautomatische Betrieb. Bis heute gilt, dass alle Bahnstationen mit einer Person besetzt sein müssen, die den Betrieb der Anlage überwacht. Sie soll bei Unfällen und Störungen eingreifen. Bei der Zermatter Bahn aber ist die Tal- und die Bergstation unbesetzt. Bei der Mittelstation wird anfangs noch eine Person vor Ort sein. «Mittelfristig besteht die Absicht, auch die Mittelstation unbesetzt zu betreiben», sagt Garaventa-Chef Arno Inauen (51).
Frankreich als Vorreiter
«Mit dem Einsatz neuer Technologien hat Garaventa ein Konzept entwickelt, bei dem die Stationen mit zusätzlichen technischen Einrichtungen fernüberwacht werden können und folglich nicht mehr permanent mit Personal besetzt werden müssen», so Inauen. «Bei der neuen 10er-Gondelbahn in Zermatt wird dieses System in der Schweiz zum ersten Mal eingesetzt.»
Die Grundlagen erarbeitete eine siebenköpfige Arbeitsgruppe. Sie besteht aus Vertretern von Behörden, Seilbahnbetreibern und Herstellern. Startschuss ihrer Arbeit war Februar 2019. Seither traf sich die Gruppe fast monatlich. Es kam zu «umfangreichen Diskussionen», sagt Garaventa-CEO Inauen. Es sei eine «konstruktive und engagierte Zusammenarbeit aller Beteiligten» gewesen. «Dabei hat man auch Erkenntnisse aus bereits realisierten Anlagen in Frankreich heranziehen können.»
Inauen spielt auf die Robo-Gondel in Val Thorens (F) an. Dort, unweit des Mont Blanc, ist die Premiere bereits geglückt. Vertreter des Bundes hätten die Anlage in den letzten Monaten auf ihre Sicherheit hin inspiziert, heisst es aus Branchenkreisen. Der Befund sei positiv ausgefallen. Über das Zermatter Projekt sagt Bergbahn-Chef Hasler aber: «Der wichtigste Punkt wird sein, dass nach Umsetzung des Konzepts auch ein Betrieb ohne Zwischenfälle, beruhend auf den unbesetzten Stationen, dem BAV über mehrere Jahre hinweg rapportiert werden kann.»