Ja, man kann die Argumente verstehen: Die EU bereitet ein Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten vor – ein Markt von 260 Millionen Konsumenten. Da könnte unsere Exportindustrie ins Hintertreffen geraten. Also müssen wir Zugeständnisse machen, etwa Zölle auf argentinischem Rindfleisch abbauen. Unsere Bauern könnten die Verluste ja mit mehr Exporten auffangen, etwa nach China. Ein Markt von 1,4 Milliarden! Unsere Bauern sollten sich endlich «für den Markt aufstellen», mahnt die «NZZ».
Das Schweizer Fernsehen hat dafür ein Beispiel recherchiert: Die Milchorganisation Mooh habe letztes Jahr 5 Millionen Liter Milch (meist als Käse) nach China exportiert: «Weil die Chinesen an die Schweiz glauben», sagt der Geschäftsführer von Mooh.
«Wir verramschen unsere Milch für 20 Prozent der Gestehungskosten»
Was in der Reportage nicht gesagt wird, sind diese Details: Die Schweizer Bauern erhalten pro Liter Exportmilch 32 Rappen. Der Bund subventioniert den Export zusätzlich mit 15 Rappen Verkäsungszulage. Per Saldo verramschen wir unsere Milch für 17 Rappen oder rund 20 Prozent der Gestehungskosten. Der chinesische Konsument zahlt für 400 Gramm Emmentaler 168 Yuan, das sind etwa 26 Dollar oder 8 Arbeitsstunden zum Mindestlohn.
Das Beispiel ist typisch für den (Agrar-)Markt, für den sich unsere Bauern aufstellen sollen. Fast alle Produkte sind massiv subventioniert und beruhen auf der Ausbeutung von Arbeitskräften, Tieren und Umwelt. Klar könnten wir unsere Lebensmittel auf dem globalen Markt um etwa 7 Milliarden billiger einkaufen – und damit von diesem Raubbau profitieren.
Mögliche Auftragsverluste «nur etwa ein halbes Prozent des BIP»
Und weil es in der heutigen Zeit kein Schleck ist, ein Agrarland zu sein, wollen die Mercosur-Länder (Brasilien, Argentinien, Paraguay, Uruguay) eigene Industrien aufbauen und sie mit Zöllen schützen. Zwar geht damit dem einen oder anderen Schweizer KMU ein Auftrag verloren, doch selbst wenn unsere Exporte nach Mercosur um 50 Prozent einbrechen würden, wäre das nur etwa ein halbes Prozent des BIP und bloss rund ein Zwanzigstel unseres rekordhohen Überschusses der Leistungsbilanz.
Bevor wir uns «für den Markt aufstellen», sollten wir uns diesen erst einmal genau anschauen.