Ein Bewerbungsgespräch. Stefanie Gubser ist unter den letzten verbliebenen Kandidatinnen. Sie beantwortet Fragen zu ihrem Lebenslauf und weshalb sie die Richtige wäre für den Job. Alles wie gehabt. Dann die Frage: «Wie sieht es denn betreffend Familienplanung aus?»
Die Kulturschaffende ist überrumpelt, lässt es sich aber nicht anmerken. «Schliesslich wollte ich den Job zu diesem Zeitpunkt unbedingt.» Wahrheitsgemäss antwortet sie, momentan seien keine Kinder geplant. Die Personalverantwortliche ist erleichtert: «Eigentlich darf man die Frage ja nicht stellen. Aber bei diesem Job ist es uns halt schon wichtig, dass wir die nächsten zwei, drei Jahre auf dieselbe Person zählen können.»
Obwohl Gubser die «richtige» Antwort geben konnte, hält sie es für eine «Sauerei», dass ihr die Frage überhaupt gestellt wurde. «Und das bei einer Stelle der öffentlichen Verwaltung – im Kulturbereich!»
9000 fiktive Bewerbungen verschickt
Das Arbeitsrecht verbietet, dass sich Firmen nach einer bestehenden oder geplanten Schwangerschaft erkundigen. In der Praxis geht es aber vielen Frauen wie Gubser. Und schlimmer: Eine neue Studie zeigt, dass die «falsche» Familiensituation schon bei der schriftlichen Bewerbung ein Nachteil ist.
«Besonders schwer haben es junge Frauen, die verheiratet sind, noch keine Kinder haben und sich auf eine Teilzeitstelle bewerben», weiss Ana Fernandes, Professorin an der Berner Fachhochschule. Sie erhielten deutlich weniger Einladungen zum Vorstellungsgespräch als etwa die Mütter älterer Kinder.
Fernandes hat an einer länderübergreifenden Untersuchung des deutschen Forschungsinstituts zur Zukunft der Arbeit mitgearbeitet. Ein Forscherteam verschickte in Deutschland, Österreich und der Schweiz rund 9000 fiktive Bewerbungen auf Voll- und Teilzeitstellen. Die Ergebnisse für die Schweiz liegen SonntagsBlick exklusiv vor.
«Die Studie legt den Schluss nahe, dass die Kosten einer möglichen Schwangerschaft bei der Personalrekrutierung eine wichtige Rolle spielen», so Fernandes. Unternehmen fürchteten sich davor, während des Mutterschaftsurlaubs Ersatz finden zu müssen. Oder sie erwarteten, dass Mütter öfter abwesend sind, weil die Kinder krank sind.
Eigene Firma gegründet
«Um eine Diskriminierung zu verhindern, sollten Frauen deshalb darauf verzichten, bei Bewerbungen ihre familiäre Situation zu erwähnen», sagt Fernandes. Generell wäre besser, in der ersten Bewerbungsrunde keine personenbezogenen Informationen zu geben. «Dies würde dazu beitragen, dass Personalverantwortliche wirklich die objektiv besten Kandidaten zum Vorstellungsgespräch einladen.»
Beim Bund stösst dieses Anliegen auf offene Ohren. «Es wäre zu begrüssen, wenn sich diese Praxis in der Schweiz verbreiten würde, um die Chancengleichheit von verheirateten Frauen zu erhöhen», sagt Eloïse Allimann vom Eidgenössischen Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann (EBG).
Interessant sei diesbezüglich die Ankündigung der Zürcher Regierungsrätin Jacqueline Fehr, die Bewerbungsunterlagen hinsichtlich Geschlecht zu anonymisieren, um geschlechterstereotype Bewertungen von Bewerbenden zu vermeiden.
Stefanie Gubser hat das Problem auf ihre Art gelöst: Sie hat eine eigene Firma gegründet.