Weshalb Initianten und Gegner der Atomausstiegsinitiative falsch liegen
Die Strom-Lüge

Niemand weiss, wie die Schweizer Import-Energie erzeugt wird. Auch wenn Gegner und Befürworter der Atomausstiegs-Initiative etwas anderes behaupten.
Publiziert: 30.10.2016 um 15:48 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 21:39 Uhr
Das Atomkraftwerk Leibstadt.
Foto: ALESSANDRO DELLA BELLA
Vinzenz Greiner

Schweizer Atomstrom liesse sich problemlos mit sauberem Strom aus dem Ausland ersetzen, behaupten Befürworter der Atomausstiegs-Initiative. Es ist eines ihrer Haupt­argumente, um das Volk für die Stimmabgabe am 27. November vom Ausstieg aus der Atomenergie zu begeistern.

Doch damit liegen die Initianten falsch. Genau wie ihre Gegner, die den Teufel an die Wand malen. Ohne eigenen AKW-Strom müsse die Schweiz «permanent mehr importieren», sagte Bundesrätin Doris Leuthard (CVP, 53) in der SRF-Diskussionsrunde «Arena» am Freitagabend und meinte damit schmutzigen Kohlestrom aus Deutschland. SVP-Nationalrat Christian Imark (34) doppelte nach, Kohlestrom sei der «Klimafeind Nummer eins». Imark weiter: «Deshalb müssen wir die Initiative versenken.»

Atomgegner bekommen sakralen Segen 

Doch niemand weiss, ob die Schweiz überhaupt Kohlestrom aus Deutschland importiert. Nicht einmal die Deutschen selbst.

Fakt ist: 2015 importierte die Schweiz 42,3 Milliarden Kilowattstunden (kWh). Den grössten Teil aus Frankreich, gefolgt von Deutschland und Österreich. Zwar stammt vom Frankreich-Strom höchstwahrscheinlich ein grosser Teil aus Kernkaftwerken. Schliesslich stützt sich die französische Energieversorgung zu 80 Prozent auf 58 AKW. 23 von ihnen stehen derzeit jedoch still.

Deutschland erzeugt etwa ein Drittel seiner Elektrizität aus Stein- und Braunkohle, etwas weniger aus erneuerbaren Energien. Man könne aber nicht sagen, dass sich der Strom-Mix eines Landes im exportierten Strom widerspiegle, erklärt Jan Ulland, Pressesprecher des deutschen Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW): «Elektronen haben leider kein Etikett.»

Energieministerin Doris Leuthard warnt vor schmutzigem Kohlestrom.
Foto: ANTHONY ANEX

Theoretisch ist es sogar möglich, dass aus Frankreich oder Deutschland importierter Strom aus einem Drittland stammt. Man wisse zwar, wie viel Energie über die Grenze komme. «Ob der Strom tatsächlich auch in diesen Ländern produziert worden ist, weiss man nicht», bekennt das Bundesamt für Energie (BFE) auf Anfrage.

Schweizer Stromhändler kaufen also die Katze im Sack. Beim gehandelten Strom wisse man nicht, wie viel aus erneuerbaren Energiequellen stamme, «weil an der Börse grundsätzlich Graustrom gehandelt wird», erklärt etwa die BKW in Bern.

Die exakte Energiequelle könne nicht ermittelt werden, lässt auch Axpo wissen.

Fest steht nur: Wenn Schweizer Atomkraftwerke vom Netz genommen werden wie jenes in Leibstadt AG, muss die fehlende Energie ersetzt werden. Und weil im Winter weniger Wasser durch die Flusskraftwerke fliesst, kann sie nicht von dort kommen. An Stromimporten führt kein Weg vorbei.

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