Der «Corriere della Sera» hat es letzte Woche auf den Punkt gebracht: In Italien tobt ein Kampf zweier Wachstumsmodelle. Das alte, seit rund 30 Jahren praktizierte Modell setzt auf Wachstum durch das Wohlgefallen der globalen Märkte. Um deren Investitionen anzulocken, hat Italien die Gewinnsteuern gesenkt, den Sozialstaat geschrumpft, die Rechte der Arbeitnehmer beschnitten und sogar auf eine eigene Währung verzichtet.
Das Ergebnis sind – immer noch nach dem «Corriere» – zwei Sorten von Verlierern. Die einen werden von der Globalisierung abgehängt und wählen vorwiegend die junge Protestbewegung Cinque Stelle. Die andern werden von der Globalisierung zermürbt und wählen mehrheitlich die rechte Lega.
Befristete Arbeit oder gar keine
Zu den Zermürbten gehört etwa jene 25-jährige Krankenschwester aus dem norditalienischen Brescia, die neulich in der «Repubblica» ihr Leid klagte. Sie hat sich bisher etwa 30-mal in halb Italien um eine feste Stelle beworben und nebenbei 50 bis 60 Stunden pro Woche in ihrem personell unterdotierten Spital gearbeitet. Ende Mai läuft ihr Drei-Jahres-Vertrag aus. Sie wird sich wohl wieder mit einem schlecht bezahlten Vertrag auf Zeit begnügen müssen. Der ist für die Arbeitgeber billiger. Kinder, sagt sie, könne sie sich weder finanziell noch nervlich leisten.
Im Süden – bei den Abgehängten – sieht es noch schlechter aus. Da hat nicht einmal jeder dritte 18- bis 35-Jährige überhaupt einen Job, und das Arbeitslosengeld (REI) schwankt je nach Familiengrösse zwischen 187 und 490 Euro.
Setzt sich das Volk durch?
Das andere Modell setzt auf Wachstum durch eigene Nachfrage. Der Staat soll mehr investieren. Die Arbeitslosen- beziehungsweise Sozialhilfe soll auf maximal 780 Euro erhöht werden. Das ist weniger als Deutschlands Hartz IV plus Wohngeld. Auch eine nationale Währung soll wieder her in Form von kurzfristigen Schuldscheinen (Banknoten) des Staates.
Ob das andere Modell hinhaut, müsste man erst austesten. Klar ist, dass es den globalen Gläubigern Italiens schaden würde. Sie haben massiven Druck aufgebaut. Deshalb hat der noch von der alten Mehrheit ernannte Staatspräsident Sergio Mattarella dem Parlament verboten, über die neue Regierung abzustimmen. Stattdessen hat er einen ehemaligen Funktionär des Weltwährungsfonds – als Vertreter der Gläubiger – zum provisorischen Regierungschef bestellt.
Bei den kommenden Neuwahlen wird es deshalb erst recht um die Frage gehen, ob Italien weiterhin von seinen Gläubigern regiert wird. Und anders als im kleinen Griechenland besteht die Chance, dass sich das Volk durchsetzt.
SonntagsBlick: Die neue italienische Regierung plant ein Grundeinkommen, einen Ausbau des Sozialstaats – und gleichzeitig Steuersenkungen. Steht uns die nächste Euro-Krise ins Haus?
Hans-Werner Sinn: Sie hat längst begonnen. Luigi Di Maio von der Fünf-Sterne-Bewegung und Matteo Salvini von der Lega schüren den Konflikt mit Deutschland und der EU, um mehr Geld zu bekommen oder Deutschland den schwarzen Peter für den italienischen Austritt zuweisen zu können. Die Spreads steigen sehr deutlich, der Euro verliert an Wert. Die angekündigte Politik ist unvereinbar mit der Mitgliedschaft im Euro. Ich kann sie aber nachvollziehen und will keine Vorwürfe machen, denn es gibt objektiv nur vier Möglichkeiten für Italien.
Ja, was kann Italien tun?
Erstens, das Land wird billiger, aber das gelingt nicht. Zweitens, Deutschland wird teurer. Das versucht die Europäische Zentralbank zu erreichen, doch mit mässigem Erfolg. Drittens, die Eurozone wird zu
einer Transferunion. Oder viertens: Italien tritt aus und wertet ab. Es geht heute nur noch um die beiden letzten Varianten. Salvini und Di Maio haben das richtig erkannt, und nun müssen die Träumer in Brüssel und Frankfurt allmählich aufwachen und sich mit der ökonomischen Realität beschäftigen.
Muss Italien aus dem Euro ausgeschlossen werden?
Nein. Die Entscheidung liegt bei Italien selbst. Es kann aber nicht sein, dass man die Länder, die im Euro nicht wettbewerbsfähig sind, mit Geldmitteln unterstützt. Eine Transferunion läge auch nicht wirklich im Interesse Italiens. Ganz Italien würde dann zum Mezzogiorno. Es hinge dauernd am Tropf, ohne jemals wieder auf die Beine zu kommen.
Braucht es Neuwahlen?
Wenn Präsident Sergio Mattarella die neue Regierung nicht bestätigt, ja. Dann erhält Salvini mit der Lega vielleicht 25 Prozent.
SonntagsBlick: Die neue italienische Regierung plant ein Grundeinkommen, einen Ausbau des Sozialstaats – und gleichzeitig Steuersenkungen. Steht uns die nächste Euro-Krise ins Haus?
Hans-Werner Sinn: Sie hat längst begonnen. Luigi Di Maio von der Fünf-Sterne-Bewegung und Matteo Salvini von der Lega schüren den Konflikt mit Deutschland und der EU, um mehr Geld zu bekommen oder Deutschland den schwarzen Peter für den italienischen Austritt zuweisen zu können. Die Spreads steigen sehr deutlich, der Euro verliert an Wert. Die angekündigte Politik ist unvereinbar mit der Mitgliedschaft im Euro. Ich kann sie aber nachvollziehen und will keine Vorwürfe machen, denn es gibt objektiv nur vier Möglichkeiten für Italien.
Ja, was kann Italien tun?
Erstens, das Land wird billiger, aber das gelingt nicht. Zweitens, Deutschland wird teurer. Das versucht die Europäische Zentralbank zu erreichen, doch mit mässigem Erfolg. Drittens, die Eurozone wird zu
einer Transferunion. Oder viertens: Italien tritt aus und wertet ab. Es geht heute nur noch um die beiden letzten Varianten. Salvini und Di Maio haben das richtig erkannt, und nun müssen die Träumer in Brüssel und Frankfurt allmählich aufwachen und sich mit der ökonomischen Realität beschäftigen.
Muss Italien aus dem Euro ausgeschlossen werden?
Nein. Die Entscheidung liegt bei Italien selbst. Es kann aber nicht sein, dass man die Länder, die im Euro nicht wettbewerbsfähig sind, mit Geldmitteln unterstützt. Eine Transferunion läge auch nicht wirklich im Interesse Italiens. Ganz Italien würde dann zum Mezzogiorno. Es hinge dauernd am Tropf, ohne jemals wieder auf die Beine zu kommen.
Braucht es Neuwahlen?
Wenn Präsident Sergio Mattarella die neue Regierung nicht bestätigt, ja. Dann erhält Salvini mit der Lega vielleicht 25 Prozent.