Unternehmer Markus Studer* ist wütend: «Die SBB benachteiligen KMU wie uns, das ist eine Frechheit!»
Studer, Chef eines Schweizer Elektronikbetriebs, ärgert sich über eine Ausschreibung von Ende April. Darin suchen die SBB nach einem Hersteller für Zugbatterien.
Wenn die Verbindung mit dem Stromnetz unterbrochen wird, stellen solche Batterien die Energieversorgung sicher und sorgen dafür, dass Beleuchtung, Türen und Kundeninformationssysteme jederzeit funktionieren.
Wer den Auftrag erhält, darf den SBB von 2020 bis 2025 pro Jahr rund 600 solcher Batterien liefern – ein Millionengeschäft!
Kleine Unternehmen sind chancenlos
Doch auf Simap.ch, wo öffentliche Aufträge online ausgeschrieben werden, sind nur die allgemeinen Eckwerte zu finden. Wer sich ernsthaft als Lieferant bewerben möchte, muss bei der Bahn die detaillierten Ausschreibungsunterlagen anfordern – zum Preis von 20'000 Franken. «Das haben wir noch nie erlebt», ärgert sich Studer, dessen Firma schon mehrere SBB-Ausschreibungen gewonnen hat.
Das Geld wird den interessierten Unternehmen zwar erstattet, sobald ein «gültiges, vollständiges und geeignetes Angebot» eingereicht worden ist. Ob ein Angebot diese Kriterien erfüllt, entscheiden aber die SBB.
Für Studer beginnen die Probleme noch viel früher: «Wir brauchen die Detailinformationen, um überhaupt entscheiden zu können, ob wir ein konkurrenzfähiges Angebot abgeben können.» Nur auf dieser Grundlage sei man zum Beispiel in der Lage, die Zusammenarbeit mit einem anderen KMU zu prüfen.
Im Gegensatz zu Grosskonzernen könne ein kleines Unternehmen nicht einfach auf gut Glück 20'000 Franken hinblättern. Zumal es nochmals 10'000 bis 20'000 Franken koste, ein seriöses Angebot zu erstellen.
«Die SBB machen uns mit der überrissenen Geldforderung das Leben schwer», so Studer.
SBB wollen ihr Wissen schützen
Michaela Stöckli, Direktorin des Bahnindustrieverbandes Swissrail, hat sich deshalb bei den SBB beschwert. «Sie verteidigten die hohe Gebühr damit, dass man im Bereich Zugbatterien viel Fachwissen und einen Prototyp erarbeitet habe. Dieses Wissen wolle man schützen.»
In der Bahnindustrie sorgt diese Argumentation für Kopfschütteln. Insbesondere deshalb, weil die Bundesbahnen die Batterietechnologie nicht allein weiterentwickelt haben, sondern gemeinsam mit der Berner Fachhochschule und dem Centre Suisse d’Electronique et de Microtechnique (CSEM) – sowie mit finanzieller Unterstützung des Bundesamts für Energie.
Unternehmer Studer: «Es wurden öffentliche Gelder verwendet, und nun werden Schweizer KMU schikaniert. Das ist eine gefährliche Entwicklung.» Seiner Meinung nach hätten die SBB stattdessen einfach verlangen können, dass die Unternehmen eine Geheimhaltungsvereinbarung unterschreiben. Die SBB wollten auf Anfrage von SonntagsBlick nicht ausführlich zu diesem Thema Stellung nehmen.
Schutzgebühr ist vergaberechtlich zulässig
Der Grund: Diese Woche hat Nationalrat Thomas Ammann (CVP/SG) im Zusammenhang mit der Ausschreibungspraxis in Bern eine Frage eingereicht. In Kürze wird sich deshalb Verkehrsministerin Doris Leuthard dazu äussern müssen. SBB-Sprecher Reto Schärli: «Der Anstand gebietet es, dass wir der Antwort des Bundesrates nicht vorgreifen.»
Zugleich hält Schärli aber fest, dass eine Schutzgebühr vergaberechtlich zulässig sei und sich die Bundesbahnen an den «Buchstaben des Gesetzes» halten. «Die SBB haben nicht zum ersten Mal eine Schutzgebühr erhoben, verwenden dieses Instrument aber äusserst zurückhaltend.»
Für den Unternehmer Markus Studer war dieses eine Mal zu viel. Er hat die 20'000 Franken nicht bezahlt und den Auftrag abgeschrieben.
* Name auf Wunsch geändert