Plötzlich rauscht es über unseren Köpfen. In der Produktionshalle der Birchmeier Sprühtechnik AG im aargauischen Stetten meint man fast, den Nachhall des 15. Januar 2015 zu hören. Damals hob die Nationalbank den Mindestkurs auf, der Euro sackte in den Keller und machte den Franken in Minuten zu einer der härtesten Währungen der Welt. Zur Freude der Konsumenten – und sehr zum Leid der Exportindustrie.
Stolzer Gerätebauer
Das Rauschen kommt aber nicht vom Euro, sondern von einer Rohrleitung, die den Nachschub an Kunststoffgranulat aus dem zentralen Lager an eine Produktionsanlage bewerkstelligt. Im Minutentakt spuckt die Maschine Behälter für ein Handsprühgerät aus – vollautomatisch. «Unsere Geräte sind die besten der Welt. Das ist unsere Daseinsberechtigung», sagt Firmeninhaber Jürg Zwahlen (65) stolz.
Und es zahlt sich aus: Das Geschäft von Birchmeier läuft gut, die Firma mit knapp 60 Angestellten wächst – trotz des harten Frankens. Als Mitglied der Wirtschaftskommission von Swissmechanic, dem KMU-Branchenverband der Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie, sieht Zwahlen aber auch, dass es in vielen kleinen Industriebetrieben bei weitem nicht so gut läuft. «Der Schweizer Franken ist und bleibt eine grosse Herausforderung für die Kleinen in der Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie. Viele verlieren immer noch Geld», warnt Zwahlen.
Economiesuisse sagt Wachstum von zwei Prozent voraus
Das sieht Rudolf Minsch ähnlich. Der Chefökonom von Economiesuisse sagt zwar – wie viele andere auch – für die gesamte Schweizer Wirtschaft im nächsten Jahr ein Wachstum von über zwei Prozent voraus. Doch davon profitierten nicht alle, so Minsch: «Langsam kommen immer mehr Firmen in den Bereich von positiven und guten Margen zurück. Es gibt aber immer noch Unternehmen, die haben den Frankenschock von 2015 nicht verdaut. Wer in den letzten beiden Jahren zu tiefe Margen hatte, dem fehlte das Geld, um in die Zukunft zu investieren.»
Das heisst: Selbst schwarze Zahlen sichern das langfristige Überleben nicht. Eine Firma muss so viel Geld verdienen, dass sie neue Maschinen kaufen oder neue Produkte entwickeln kann.
Zwahlen ist überzeugt: Das kann so nicht weitergehen. Der KMU-Patron fürchtet um den Industrie-Standort: «Wir verlieren den Werkplatz Schweiz. Der Franken ist immer noch zu stark. Er muss weiter abgewertet – oder durch den Euro ersetzt werden. Wir arbeiten in einem globalen Markt. Da hat es keinen Platz für ein derart explodierendes Wechselkursverhalten, wie der Franken dies nun mal hat!»
«Die Euro-Euphorie wird im nächsten Jahr verschwinden»
Im Moment steht der Franken zum Euro relativ stabil, doch das könnte sich ändern, warnt Thomas Stucki, Anlagechef der St. Galler Kantonalbank «Die Euro-Euphorie wird im nächsten Jahr verschwinden. Der Euro dürfte schwächer werden, politische Diskussionen und die nach wie vor hohe Verschuldung in der Eurozone tragen dazu bei.»
Zwahlen weiss, wie radikal seine Forderung ist. Ihm geht es aber darum, wachzurütteln, eine Diskussion anzustossen – und die Verantwortlichen zu benennen: «Wenn unsere Politiker und die SNB den Schweizer Franken nicht in den Griff kriegen, ihn stabil halten können, dann ist es Zeit, über die Einführung des Euro in der Schweiz nachzudenken.»
Mit seiner Forderung will Zwahlen nicht einfach nur Industriepolitik betreiben. Er sorgt sich um uns alle – und um den gesamten Wirtschaftsstandort: «Der Export von Gütern ist die Grundlage des Wohlstandes in der Schweiz. Und dazu braucht es die produzierende Industrie», sagt der KMU-Patron aus dem Aargau.
Produktion auslagern ist keine Option
Zwahlen exponiert sich gerne, was seiner Glaubwürdigkeit aber keinen Abbruch tut. Denn es geht ihm nicht um die eigene Firma. Die steht gut da, verkauft die Sprühgeräte mit den Kunststofftanks sogar bis nach China. Auslagern, wie andere das tun, käme Zwahlen nie in den Sinn: «Wir produzieren weiter in der Schweiz. Es ist der härtere Weg. Aber auch ein Bekenntnis zu unseren Mitarbeitenden. Das ist ein Muss, wenn wir die Qualität halten wollen.»