Wegen zu wenig Handwerkern
Auf die Frauen bauen

Die Baubranche findet immer weniger gut ausgebildetes Fachpersonal. Nun will sie auf breiter Front auf junge Frauen zugehen und ihnen Jobs auf dem Bau schmackhaft machen.
Publiziert: 21.08.2018 um 13:59 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 20:33 Uhr
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«Am Ende des Tages sieht man, was man erreicht hat», sagt Metallbauerin und Schweisserin Andrea Senn (20). Sie arbeitet im 4. Lehrjahr bei der Firma Metatec in Frick AG.
Foto: Thomas Meier
Patrik Berger, Sven Zaugg

Der Baubranche geht der Nachwuchs aus. Jugendliche schrecken immer mehr davor zurück, eine Berufslehre als Maurer, Spengler oder Sanitär in Angriff zu nehmen. So waren allein im Kanton Zürich bis Ende Juli 277 Ausbildungsplätze im Baugewerbe unbesetzt. 

Zwar bilden landesweit über 70'000 Unternehmen fast 25'000 Lernende aus, doch könnten es noch weitaus mehr sein. Die Nachfrage der Baufirmen nach Lernenden kann seit Jahren nicht gedeckt werden.

«Männer sind nicht so zickig»

Rühren, kneten, backen, modellieren: Bevor sich Svenja Germann für eine Lehre als Dachdeckerin entschied, war sie Zuckerbäckerin. Doch die Backstube wurde der Flawilerin zu eng. So tauschte sie kurzum die Kochschürze gegen schweres Gerät. Heute steht die 21-Jährige auf den Dächern der Ostschweiz, dämmt und dichtet Dächer, baut Terrassenbeläge und begrünt Dachflächen. «Ich mag es, draussen zu arbeiten», sagt Germann. Klar sei die Arbeit hart, die Schweissgeräte schwer und der Umgangston auf dem Bau manchmal rau. Trotzdem fühlt sich die leidenschaftliche Kickboxerin auf dem Bau pudelwohl, wie sie sagt. «Mit Männern zu arbeiten, ist einfacher, die sind nicht so zickig», schmunzelt Germann. Sie hofft, dass sich noch mehr Frauen für einen handwerklichen Beruf entscheiden. Allerdings: «Ob ein Mädchen mit 16 für eine Lehre auf dem Bau parat ist, bezweifle ich.»

Svenja Germann (21) arbeitet als Dachdeckerin bei der Firma Schwizer Spenglerei und Dach in Gossau SG.

Rühren, kneten, backen, modellieren: Bevor sich Svenja Germann für eine Lehre als Dachdeckerin entschied, war sie Zuckerbäckerin. Doch die Backstube wurde der Flawilerin zu eng. So tauschte sie kurzum die Kochschürze gegen schweres Gerät. Heute steht die 21-Jährige auf den Dächern der Ostschweiz, dämmt und dichtet Dächer, baut Terrassenbeläge und begrünt Dachflächen. «Ich mag es, draussen zu arbeiten», sagt Germann. Klar sei die Arbeit hart, die Schweissgeräte schwer und der Umgangston auf dem Bau manchmal rau. Trotzdem fühlt sich die leidenschaftliche Kickboxerin auf dem Bau pudelwohl, wie sie sagt. «Mit Männern zu arbeiten, ist einfacher, die sind nicht so zickig», schmunzelt Germann. Sie hofft, dass sich noch mehr Frauen für einen handwerklichen Beruf entscheiden. Allerdings: «Ob ein Mädchen mit 16 für eine Lehre auf dem Bau parat ist, bezweifle ich.»

Svenja Germann (21) arbeitet als Dachdeckerin bei der Firma Schwizer Spenglerei und Dach in Gossau SG.

Und die Zeit drängt. «Die 50- bis 60-Jährigen sind die grösste Altersgruppe auf dem Bau. Entsprechend werden wir in den kommenden Jahren viele langjährige Mitarbeiter ersetzen müssen», sagt Matthias Engel (39) vom Schweizerischen Baumeisterverband.

Das schlechte Image der Bauberufe

Die Gründe für den Nachwuchsmangel sind vielfältig: Die Büez ist hart, viele halten es nicht bis zur Rente durch. Zudem ist das Image vieler Handwerksberufe desolat. Vor allem in städtischen Regionen gestalte sich die Suche nach Lehrlingen öfter schwierig, klagt der Baumeisterverband.

Und Frauen sind im Baugewerbe eine Rarität. In manchen Jobs beträgt deren Anteil heute lediglich ein Prozent. Das soll sich ändern. Um Frauen für handwerkliche Jobs zu gewinnen, lanciert die Branchenorganisation Bausinn die Kampagne «Frauen im Bau» – unter anderem mit einer Ausstellung am heutigen Dienstag am Zürcher Hauptbahnhof. 

«Das Image vieler Berufe auf dem Bau ist schlecht. Die Vorurteile sind gross, etwa dass Frauen zu schwach sind, um auf dem Bau zu arbeiten», sagt Bausinn-Präsident Christoph Andenmatten (62). Die Organisation setzt sich für mehr Wertschätzung für die Schweizer Baubranche und den Berufsstolz der Baufachkräfte ein.

«Gipsen ist happig»

Die Familie Niederhauser aus dem bernischen Lützelflüh hat das Handwerk im Blut. Neben Fabienne Niederhauser ist auch ihr Bruder als Maurerpolier und ihre Schwester als Hochbauzeichnerin im Baugewerbe tätig. «Meine Geschwister haben mich zu einem handwerklichen Job animiert», sagt Niederhauser, die heute Fassaden baut, isoliert, verputzt und abreibt – und das auf Weltklassenivau. Die Gipser-Trockenbauerin schaffte es 2016 an den nationalen Berufsmeisterschaften zuoberst aufs Treppchen. «Ein toller Erfolg für mich», sagt die 23-Jährige. An den Weltmeisterschaften in Abu Dhabi belegte sie den guten 6. Rang. Dafür hat Niederhauser viel getan: Die körperliche Anstrengung empfand sie zu Beginn der Lehre als «happig». Ihren Beruf beschreibt die Bernerin als kreativ: «Ich kann immer wieder etwas Spezielles ausprobieren, einen besonderen Verputz oder ein ausgefallenes Muster.»

Fabienne Niederhauser (23) arbeitet als Gipser-Trockenbauerin bei der Firma Erhard in Emmenmatt BE.

Die Familie Niederhauser aus dem bernischen Lützelflüh hat das Handwerk im Blut. Neben Fabienne Niederhauser ist auch ihr Bruder als Maurerpolier und ihre Schwester als Hochbauzeichnerin im Baugewerbe tätig. «Meine Geschwister haben mich zu einem handwerklichen Job animiert», sagt Niederhauser, die heute Fassaden baut, isoliert, verputzt und abreibt – und das auf Weltklassenivau. Die Gipser-Trockenbauerin schaffte es 2016 an den nationalen Berufsmeisterschaften zuoberst aufs Treppchen. «Ein toller Erfolg für mich», sagt die 23-Jährige. An den Weltmeisterschaften in Abu Dhabi belegte sie den guten 6. Rang. Dafür hat Niederhauser viel getan: Die körperliche Anstrengung empfand sie zu Beginn der Lehre als «happig». Ihren Beruf beschreibt die Bernerin als kreativ: «Ich kann immer wieder etwas Spezielles ausprobieren, einen besonderen Verputz oder ein ausgefallenes Muster.»

Fabienne Niederhauser (23) arbeitet als Gipser-Trockenbauerin bei der Firma Erhard in Emmenmatt BE.

Attraktive Branche für Wiedereinsteigerinnen

«Viele denken beim Thema Bau nur an dreckige Hände und kaputte Rücken.» Dabei würden sie vergessen, dass das kreative Berufe mit grossen Weiterbildungsmöglichkeiten seien. «Auch Frauen können heute problemlos die Projektleitungen übernehmen oder gar Firmen führen», sagt Andenmatten.

Den Bauberuf schmackhaft für die Frau machen soll auch der technische Fortschritt und die Digitalisierung der Arbeit. «So gibt es heute etwa moderne Maschinen, die Lasten tragen», sagt Andenmatten.

Gerade bei Wiedereinsteigerinnen sollen handwerkliche Jobs wieder an Attraktivität gewinnen. «Als Malerin oder Gipserin ist die Rückkehr in den Beruf nach einer Babypause problemlos möglich», sagt Andenmatten. Bei technischen Berufen seien viele Arbeitgeber bereit, die Frauen wieder auf den neusten Stand zu bringen, weil qualifizierte Fachkräfte gesucht sind.

«Man sieht, was man geleistet hat»

Nach einer dreitägigen Schnupperlehre war es um Andrea Senn geschehen. «Die Arbeit an den Maschinen hat mir grossen Spass gemacht», sagt die 20-Jährige. Die Aargauerin wollte schon immer «etwas Handwerkliches» arbeiten und so entschied sie sich für eine Lehre als Metallbauerin und Schweisserin. Und sie ist äusserst produktiv. Gläserne Vordächer, Treppen sowie Geländer für Haustüren und Dächer hat Senn in ihren drei Lehrjahren bereits produziert. «Am Ende des Tages sieht man, was man geleistet hat», sagt Senn stolz. In der fünfköpfigen Werkstatt ist sie die einzige Frau. «Das macht mir nichts aus, wir haben ein tolles Klima in der Firma.» Wie die Zukunft aussieht, weiss sie noch nicht, doch Senn schwärmt von den Möglichkeiten, die ihr die Baubranche offeriert: «Man kann studieren oder Weiterbildungen machen, auch als Zeichnerin oder Ingenieurin.»

Andrea Senn (20) arbeitet im 4. Lehrjahr als Metallbauerin und Schweisserin bei der Firma Metatec in Frick AG.

Nach einer dreitägigen Schnupperlehre war es um Andrea Senn geschehen. «Die Arbeit an den Maschinen hat mir grossen Spass gemacht», sagt die 20-Jährige. Die Aargauerin wollte schon immer «etwas Handwerkliches» arbeiten und so entschied sie sich für eine Lehre als Metallbauerin und Schweisserin. Und sie ist äusserst produktiv. Gläserne Vordächer, Treppen sowie Geländer für Haustüren und Dächer hat Senn in ihren drei Lehrjahren bereits produziert. «Am Ende des Tages sieht man, was man geleistet hat», sagt Senn stolz. In der fünfköpfigen Werkstatt ist sie die einzige Frau. «Das macht mir nichts aus, wir haben ein tolles Klima in der Firma.» Wie die Zukunft aussieht, weiss sie noch nicht, doch Senn schwärmt von den Möglichkeiten, die ihr die Baubranche offeriert: «Man kann studieren oder Weiterbildungen machen, auch als Zeichnerin oder Ingenieurin.»

Andrea Senn (20) arbeitet im 4. Lehrjahr als Metallbauerin und Schweisserin bei der Firma Metatec in Frick AG.

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