Vor allem Büezer vom Sparprogramm betroffen
Zehntausende verlieren Anspruch auf Prämienverbilligung

Das drückt aufs Haushaltsbudget: Immer weniger Büezer erhalten Prämienverbilligungen, obwohl diese gemäss Gesetz allen «Personen in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen» zustehen.
Publiziert: 07.08.2018 um 11:38 Uhr
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Aktualisiert: 24.09.2018 um 15:46 Uhr
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Zwischen 2012 und 2017 verlor fast jeder siebte mittelständische Bezüger seine Prämienverbilligung oder wurde in derselben Zeit zum Sozialhilfe- oder Ergänzungsleistungsbeziehenden.
Foto: Christian Beutler

Diese Nachricht ist ein Schock für den Mittelstand. Immer weniger Personen erhalten Prämienverbilligungen, obwohl diese gemäss Gesetz allen «Personen in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen» zustehen. Das zeigt eine Auswertung der SRF-Nachrichtensendung «10vor10».

Demnach verlor zwischen 2012 und 2017 fast jeder siebte mittelständische Bezüger seine Prämienverbilligung oder wurde in derselben Zeit zum Sozialhilfe- oder Ergänzungsleistungsbezüger. Schweizweit entspricht dies über 163'000 Personen.

Nur noch ganz tiefe Einkommen erhalten Verbilligung

In insgesamt 22 Kantonen erhielten letztes Jahr weniger mittelständische Personen Prämienverbilligungen als 2012. Am deutlichsten zeigt sich die Entwicklung in Luzern und Nidwalden: Über die Hälfte der mittelständischen Bezüger hat in den beiden Kantonen zwischen 2012 und 2017 die Prämienverbilligung verloren.

Sind die steigenden Gesundheitskosten für den Prämienschnitt verantwortlich? Für den Dachverband der Schweizerischen Patientenstellen ist die Kostenexplosion allein keine Rechtfertigung, warum immer weniger Personen Verbilligungen erhalten. «Nur noch die mit ganz tiefen Einkommen erhalten Prämienverbilligungen. Der Mittelstand, also Familien mit Kindern oder Alleinerziehende, erhält sie nicht mehr», sagt Präsidentin Erika Ziltener im Gespräch mit «10vor10».

Kantone unter Kostendruck

Obwohl immer weniger Personen Geld von Kanton und Bund erhalten, nehmen die Ausgaben für Prämienverbilligungen zu. Ein Grund dafür ist laut dem Bericht von «10vor10»: Die Höhe der Prämienverbilligungen für Kinder und junge Erwachsene ist gesetzlich an die Entwicklung der Krankenkassenprämien gekoppelt.

Das Krankenversicherungsgesetz (KVG) schreibt demnach für «untere und mittlere Einkommen» vor, dass Prämien für Kinder und junge Erwachsene um «mindestens 50 Prozent reduziert» werden müssen. Folglich führen die steigenden Krankenkassenprämien beim Bund automatisch zu Mehrausgaben bei den Prämienverbilligungen.

Diverse Kantone hingegen haben die Grenze, wie viel jemand verdienen darf, um noch Prämienverbilligungen zu erhalten, heruntergesetzt. Andere haben die Höhe der ausbezahlten Prämienverbilligung für den Mittelstand gesenkt.

Wer sagt, was bescheiden ist?

Gestiegen ist laut dem Bericht zudem die Zahl der Sozialhilfe- und Ergänzungsleistungsbezüger. Für diese Personengruppen fallen in den Kantonen besonders hohe Kosten an. Dass heute weniger mittelständische Personen Prämienverbilligungen erhalten, ist auch darauf zurückzuführen, dass ein Teil dieser Personen ihr Einkommen verloren hat und nun auf Sozialhilfe- oder Ergänzungsleistungen angewiesen ist.

Von den 163'000 Personen fällt aber nur etwas mehr als ein Drittel in diese Kategorie. Es bleiben ungefähr 100'000 Personen, die weiterhin ein Einkommen erzielen, aber keine Prämienverbilligungen erhalten. Die Auslegung, wer «in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen» lebt und so gemäss KVG Anrecht auf Prämienverbilligungen hat, ist den Kantonen überlassen.

So kommen Sie zu einer Prämienverbilligung

Personen, die über bescheidene finanzielle Möglichkeiten verfügen, werden durch den Kanton unterstützt, in dem sie wohnhaft sind. Massgebende Kriterien sind Einkommen und Anzahl Kinder. In vielen Kantonen werden Prämienzahler direkt von der Verwaltung informiert, wenn sie berechtigt sind. Ermittelt werden sie jährlich über die Steuerveranlagung. In gewissen Kantonen herrscht aber auch Antragspflicht. Das heisst: Personen haben also nur einen Anspruch, wenn sie selbst aktiv werden und die Verbilligung jährlich beantragen. Infos auf: www.ahv-iv.ch

Personen, die über bescheidene finanzielle Möglichkeiten verfügen, werden durch den Kanton unterstützt, in dem sie wohnhaft sind. Massgebende Kriterien sind Einkommen und Anzahl Kinder. In vielen Kantonen werden Prämienzahler direkt von der Verwaltung informiert, wenn sie berechtigt sind. Ermittelt werden sie jährlich über die Steuerveranlagung. In gewissen Kantonen herrscht aber auch Antragspflicht. Das heisst: Personen haben also nur einen Anspruch, wenn sie selbst aktiv werden und die Verbilligung jährlich beantragen. Infos auf: www.ahv-iv.ch

Kanton Luzern knallhart

Laut «10vor10» ist der Luzerner Mittelstand besonders von den Kürzungen betroffen. Der Innerschweizer Kanton hat die Einkommensgrenze für Familien in den letzten Jahren von 75'000 auf 54'000 Franken gesenkt. Gleichzeitig hatte der Kanton zuvor die Unternehmenssteuern gesenkt.

Der Luzerner Rechtsanwalt Bruno Häfliger ist der Meinung, dass Luzern mit der neuen Einkommensgrenze «die rote Linie überschritten» hat. Für ihn ist die KVG-Bestimmung in Luzern nicht mehr erfüllt, weshalb er nun, unterstützt von der SP, eine Beschwerde beim Bundesgericht eingereicht hat.

Auch in Nidwalden verlor über die Hälfte der mittelständischen Bezüger die Prämienverbilligung. Nidwalden war aber bis 2013 der mit Abstand grosszügigste Kanton. Eine Reform, von der Bevölkerung an der Urne bestätigt, passte den Kreis der Bezüger den Verhältnissen anderer Kantone an. (zas)

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