Damit Ursula Nold (49) zur ersten Migros-Präsidentin wird, hat der ehemalige Migros-Chef Herbert Bolliger (65) sogar seine Vorsätze über Bord geworfen. Nach seinem Rücktritt als Migros-Chef Ende 2017 habe er sich eigentlich vorgenommen, sich öffentlich nicht weiter zu Migros-Themen zu äussern.
«Für Ursula Nold und für die Zukunft der Migros habe ich als Migros-Besitzer diesen Vorsatz am letzten Freitag für einmal gebrochen», erklärt er BLICK. Prompt wurde am Samstag die langjährige Präsidentin der Migros-Delegiertenversammlung, Ursula Nold, von ebendiesem Gremium gewählt. Die offizielle Kandidatin Jeannine Pilloud (54), Ex-Chefin des SBB-Personenverkehrs, unterlag deutlich.
Fehler bei der Evaluation
Bolligers Intervention war erfolgreich. Er betont aber: «Ab jetzt werde ich meinem Vorsatz wieder folgen und die ‹Klappe› halten.» Am Aufstand der Ex-Migros-Chefs kurz vor der Wahl hatten auch Jules Kyburz (87) und Anton Scherrer (77) teilgenommen.
Dass die 110 Vertreter der zehn Migros-Genossenschaften am Ende «ihre» Präsidentin wählten, verwundert nicht. Doch wie kam es dazu, dass die neue Frau im Präsidium der 23-köpfigen Verwaltung des Migros-Genossenschaftsbundes (MGB) weder von der Verwaltung noch vom paritätischen Evaluationsgremium offiziell unterstützt wurde?
Der grösste Fehler war gemäss einem Insider aus der Migros-Führung, dass im Anforderungsprofil die Erfahrungen bei der Migros zu wenig gewichtet wurden. Indem das Auswahlgremium grosse Erfahrung in der operativen Führung, der Digitalisierung und Transformation stärker bewertete, habe es eine externe Kandidatin klar bevorzugt.
Pilloud war nicht Migros-kompatibel
Dabei sei zu wenig berücksichtigt worden, dass die direkte Art von SBB-Managerin Pilloud mit der Migros nicht kompatibel sei. Migros-intern kam es nicht gut an, dass Pilloud im Vorfeld öffentlich sagte, dass sie bei der Migros «Pflöcke einschlagen wolle». Bei den SBB war sie an eine hierarchische Top-down-Führung gewohnt. Doch ein Migros-Präsident muss vor allem Überzeugungsarbeit bei den Genossenschaften leisten.
Laut dem qualifizierten Insider wurde Nold, eine Dozentin an der Pädagogischen Hochschule Bern, nicht nominiert, weil sie das Anforderungsprofil mangels Wirtschaftserfahrung nicht erfüllte.
Unabhängig davon, wie unprofessionell die Wahl beim grössten Schweizer Arbeitgeber war: Ursula Nold wird ab dem 1. Juli die Nachfolge von Andrea Broggini (62) übernehmen. Sie heute schon zu beurteilen, wäre verfrüht.
Migros unter Druck
Dennoch: Schwieriger könnte ihre Ausgangslage nicht sein. Die Migros ist unter Druck der Online- und Auslandskonkurrenz und dürfte diesen Dienstag erneut schwache Gewinnzahlen präsentieren. Der Abbau von Doppelspurigkeiten zwischen den autonomen Genossenschaften, vor allem in der Logistik, ist überfällig. Auch um eine stärkere Zentralisierung wie sie Konkurrentin Coop vor zwei Jahrzehnten vorgemacht hat, wird die Migros nicht herumkommen.
Allerdings waren es just die ertragsschwachen Genossenschaften in der Romandie und im Tessin, die beim Umbau am meisten zu verlieren hätten, die Nold bei der Wahl am meisten unterstützten. Auf die neue Präsidentin wartet Ärger.