Beim Nahrungsmittelriesen Nestlé übernimmt dieser Tage Ulf Mark Schneider (50) das Zepter. Er folgt auf Paul Bulcke (61). Dass Schneider seit knapp hundert Jahren einer der ersten Firmenchefs ist, der von aussen kommt, sehen viele als Eingeständnis. Nestlé hat sich in eine Sackgasse manövriert, aus der Schneider nun rausführen soll.
Schneider gilt als Börsenliebling. Nach seiner Ernennung im Juli legte die Nestlé-Aktie – ein Schwergewicht an der Börse – in nur zwei Tagen über fünf Prozent zu. Der deutsch-amerikanische Doppelbürger scheut das Rampenlicht und People-Anlässe.
Trotz eines Mega-Salärs von über 14 Millionen Franken im letzten Jahr protzt Schneider nicht damit, berichten ausländische Medien. Sie bezeichnen seinen Auftritt sogar als asketisch. Über Privates spreche er ungern, er zeige sich stets emotionslos. Der Deutsche hat einen MBA-Abschluss der Harvard-Universität. Zuvor studierte er in St. Gallen Wirtschaft und promovierte dort.
Wachstumsmarkt Gesundheit
Nestlé, das ist der Inbegriff von Fertigware. Schnelle Fertigsuppen von Maggi, Saucen von Thomy, Schokolade und Kaffee: Das alles wird in den Nestlé-Küchen zubereitet. Doch Konsumenten in aller Welt setzen zunehmend auf frische Nahrungsmittel, während Fertigprodukte zu Ladenhütern werden.
Gesund ist also in. Und Wachstum verspricht das Geschäft mit Spezialnahrung, beispielsweise für Alte oder Kranke. Die Lösung scheint einfach: Raus aus weniger rentablen Bereichen wie dem US-Süsswarengeschäft oder Tiefkühlkost, rein in das zukunftsträchtige Gesundheitsgeschäft.
Dieser Bereich (Nestle Health Science) machte zuletzt mit gut zwei Milliarden Franken weniger als drei Prozent des Konzernumsatzes aus. Das soll nicht so bleiben: Nestle hat für die Sparte eine Zielmarke von bis zu zehn Milliarden Franken Umsatz aufgestellt.
Economy-Flüge für die Chefs
Für den Ausbau verantwortlich ist der neue Chef Schneider höchst persönlich: Er leitet das Gesundheitsgeschäft sowie die Hautpflege-Sparte Nestle Skin Health künftig selbst. Schneider war seit 2003 Vorstandsvorsitzender der deutschen Fresenius-Gruppe, einem Gesundheitskonzern. Unter seiner Führung vervierfachte Fresenius seinen Umsatz. Schneiders Erfolgskonzept: Kostenbewusstsein. Das verlangt er von der gesamten Führungsriege. So fliegen die Fresenius-Manager innerhalb Europas nur Economy.
Am einfachsten zu bewerkstelligen wäre das geplante Wachstum mit Zukäufen, glauben Analysten. An Finanzkraft mangelt es dem Schweizer Konzern nicht. Nach Einschätzung der Credit-Suisse-Analysten könnte Nestle bis zu 60 Milliarden Dollar für Zukäufe ausgeben - wenn der Konzern seine gut 23-prozentige Beteiligung am französischen Kosmetikkonzern L'Oreal zu Geld macht. An der Börse ist der Anteil gut 22 Milliarden Euro wert.
Schneider selbst hat sich bislang nicht zu seiner Strategie geäussert. Er hat seinen ersten öffentlichen Auftritt bei der Bilanzpressekonferenz am 16. Februar. Völlig freie Hand dürfte er bei der Umsetzung seiner Vision ohnedies nicht haben: Denn im Frühjahr wechselt sein Vorgänger Bulcke an die Spitze des Verwaltungsrats und gibt Schneider von dort aus die Marschrichtung vor. (pbe/SDA)