Es ist der Herbst der Wahrheit für die beiden Schweizer Grossbanken UBS und Credit Suisse. Mehr noch für die CS, denn deren Chef Tidjane Thiam (56) hat sich bei seinem Amtsantritt im Juli 2015 ausbedungen, man möge ihm etwas Zeit einräumen, um die CS wieder auf Kurs zu bringen.
Diese Zeit läuft nun ab. Konkret muss Thiam Mitte Dezember Bilanz ziehen und offenlegen, ob er es geschafft hat, die Nummer zwei auf dem Finanzplatz in ruhigere Fahrwasser zu lenken. Dann hätte er endlich Zeit dafür, seine Deutschkenntnisse so weit aufzupolieren, dass er Interviews auch in dieser Sprache geben könnte – das zumindest hat er versprochen. Je besser Thiam Deutsch spricht, desto besser geht es der CS!
Schweizer Grossbanken an der Börse nicht gefragt
Doch zuerst aber ist Sergio Ermotti (58) dran. Für morgen Donnerstag hat der Tessiner einen Investorentag einberufen, der letzte hat vor vier Jahren statt gefunden. Dann wird er in London nicht nur die Zahlen zum dritten Quartal präsentieren, sondern auch den Anlegern offenbaren, warum sie künftig in die Aktie der UBS investieren sollen. Den Fehler vom letzten Mal wird er nicht wiederholen, als er Ziele in Aussicht stellte, die sich später als zu ambitioniert herausstellen sollten.
Thiam wie Ermotti haben ein gemeinsames Problem: Seit Anfang Jahr kennt der Kurs der Aktien der beiden Grossbanken fast nur eine Richtung: nach unten (siehe Grafik)! Die Titel von UBS haben gut einen Viertel ihres Börsenwerts eingebüsst, die der CS sogar noch etwas mehr.
Tiefe Zinsen vermiesen das Geschäft
Nicht alle Gründe sind hausgemacht. Unter dem Handelsstreit zwischen China und den USA leiden auch andere Aktien, ebenso unter den politischen Querelen in Europa – sei es der Brexit oder der Knatsch um den italienischen Staatshaushalt. Und im Gegensatz zu den US-Banken, die von den steigenden Zinsen profitieren, kämpfen Schweizer Banken mit den Auswirkungen der tiefen oder gar negativen Zinsen. Denn je tiefer die Zinsen, desto kleiner die Marge der Banken im sogenannten Zinsdifferenz-Geschäft. In normalen Zeiten ein wichtiger Ertragspfeiler für eine Grossbank.
Das Hauptproblem der UBS: Die Bank ist langweilig! Das hat sich Sergio Ermotti immer wieder gewünscht, nur weckt das keine Anlegerfantasien. Die UBS ist heute schon die grösste Vermögensverwalterin der Welt, kann also niemanden von der Spitze verdrängen. Sie zahlt regelmässig und gute Dividenden, steht solide da. Alles Werte, die Investoren eher in Tiefschlaf versetzen als zum Kauf der Titel animieren.
Langeweile hat auch Vorteile
Ermotti könnte versuchen, die Profitabilität der UBS zu steigern. Das ist aber ohne Bankgeheimnis schwieriger als früher. Früher war ein ausländischer Kunde fast schon zufrieden, dass er sein Geld bei einer Schweizer Bank vor dem Fiskus verstecken konnte. Die Steuerersparnis war wichtiger als der Ertrag, den das angelegte Geld abwarf. Das ist heute anders! Gerade die superreichen Kunden, von denen die UBS schon viele hat und gerne noch mehr gewinnen möchte, sind sehr anspruchsvoll, verlangen nach ausgeklügelten Bankgeschäften. Das bedeutet für die Bank zunächst mal Aufwand und damit Kosten, die den Gewinn schmälern.
Aber seien wir ehrlich: Aus Sicht des Bürgers ist eine langweilige Bank, die nicht beim kleinsten Sturm an den Finanzmärkten umzukippen droht, keine schlechte Bank. Und das ist zehn Jahre nach der staatlichen Rettung für die UBS ein guter Leistungsausweis.
Keine Überraschungen zu erwarten
Deshalb dürfte Sergio Ermotti morgen nicht mit einem grossen Knall die Investoren überraschen, er wird die Politik der kleinen Schritte weiter fortsetzen. Der Tessiner provoziert zwar gerne, ist aber im Grunde eben auch ein Langweiler: Er steht seit sieben Jahren an der Spitze der UBS. Das ist Rekord, so lange hat es noch keiner seiner Vorgänger in der 21-jährigen Geschichte der UBS im Chefsessel ausgehalten.
Und geht es nach Ermotti, dann will er zusammen mit Verwaltungsratspräsident Axel Weber bis 2022 auch dort bleiben.